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Filmen bei „Freiheit statt Angst“ illegalKlappe für Polizei-Kameras

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Abfilmen der „Freiheit statt Angst“-Demos für rechtswidrig erklärt. Es habe „offensichtlich“ kein Grund für die Filmerei vorgelegen.

Kritischer Blick: Ein „Freiheit statt Angst“-Demonstrant als Polizist verkleidet. Bild: reuters

BERLIN taz | Die Berliner Polizei scheitert erneut mit ihrer Demo-Filmerei. Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Mitschneiden der „Freiheit statt Angst“-Demonstrationen 2009 und 2010 für rechtswidrig erklärt. Die Entscheidung fiel bereits am 26. April, wurde aber erst jetzt veröffentlicht.

Geklagt hatte ein Mitglied des AK Vorratsdatenspeicherung. Die Gruppe organisiert die jährliche Datenschutz-Demo maßgeblich mit. Das Gericht betonte, dass die Aufzüge laut Versammlungsrecht nur bei „tatsächlichen Anhaltspunkten“ für „erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ hätten gefilmt werden dürfen. Dies habe aber bei den „Freiheit statt Angst“-Demos „offensichtlich nicht vorgelegen“.

Die Kammer bezog sich dabei auf eine Entscheidung vom Juli 2010. Schon damals hatte das Verwaltungsgericht das polizeiliche Filmen einer Berliner Anti-Atom-Demonstration für unrechtmäßig erklärt, da diese friedlich verlaufen sei. Demonstranten könnten durch die Kameras „abgeschreckt oder zu ungewollten Verhaltensweisen gezwungen“ werden, so die Richter damals.

Ohnmacht und Agression

Peter Ullrich, Forscher am Wissenschaftszentrum Berlin, hat die Folgen von Polizeivideos auf Demos untersucht. Befragte Demo-Teilnehmer äußerten dabei Gefühle von „Ohnmacht und Ausgeliefertsein“, so die Studie von 2011. Eine abschreckende Wirkung sei damit gegeben. Reagiert wurde auf die Aufnahmen einerseits mit Verunsicherung, andererseits mit einer „durch Kameras verstärkten Aggression“. Letztere führe, so Ullrich, „zu Resistenzverhalten und letztlich einer Ankurbelung der Konfrontation mit der Polizei“. (ko)

Michael Ebeling vom AK Vorratsdatenspeicherung freute sich über „das deutliche Urteil“. Gleichzeitig nannte er es „bitter“, dass „mutige Bürger erst vor Gericht ziehen müssen, um den Behörden den Stellenwert der Meinungs- und Versammlungsfreiheit vor Augen zu führen“. Auch der Grüne Benedikt Lux begrüßte die Entscheidung. Das Gericht erkenne damit an, dass das Filmen Demonstranten einschüchtere.

Nach dem ersten Urteil musste der damalige Polizeipräsident Dieter Glietsch im August 2010 eine Weisung erlassen, auf Demos nur bei Straftaten zu filmen. Dies allerdings wird breit ausgelegt: Oft werden Kameras schon bei leichten Unruhesituationen angeschaltet. Auf einer Anti-AKW-Großdemo im März 2009 reichten dafür schon Vermummung und angebliche Gemüsewürfe.

Die Weisung muss reichen

Die Datenschützer hatten auch versucht, eine Unterlassung für künftige Aufnahmen zu erklagen. Das wiesen die Richter zurück: Die Weisung, nur bei Straftaten zu filmen, reiche aus.

Die Polizei hatte vor Gericht die Aufnahmen der „Freiheit statt Angst“-Demos verteidigt, indem sie auf Straftaten verwies, die 2009 im Aufzug erfolgt seien. Damals sorgten allerdings vor allem Videos von Demonstranten für Wirbel: Diese hatten einen Polizeiübergriff zweier Beamter auf einen Radfahrer festgehalten. Die Polizisten wurden im Mai zu Geldstrafen von 6.000 Euro verurteilt.

Die Polizei äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht zum aktuellen Urteil. Glietsch hatte 2010 auch eine Neuregelung des Versammlungsrechts angeregt, die der Polizei das Filmen grundsätzlich erlaube. Aus der Innenverwaltung hieß es nun, Überlegungen für eine „saubere, rechtliche Lösung“ seien „noch aktuell“.

SPD-Innenexperte Tom Schreiber sagte, die Konsequenzen aus dem Urteil würden nach der Sommerpause besprochen. Er persönlich sehe bisher „nicht so viele Argumente, warum friedliche Demos gefilmt werden sollten“.

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12 Kommentare

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  • C
    c008

    @redaktion:

    Wenn die Weisung 2010 erlassen wurde, wie kann dann die Demo im Jahr 2009 Beleg für die fragwürdigen Umsetzung dieser Weisung sein?

  • M
    malnachgedacht

    Eigentlich gibt es kaum einen Grund für die Polizei, zu Filmen. Es gibt ja genügend Handyhilfsbullen, die ihre Videos in Superqualität gleich mal bei youtube reinstellen, damit die Polizei Material zum Identifizieren hat.

  • F
    FranKee (Pirat)

    Der Einleitungssatz ist leider nicht richtig:

     

    > Die Berliner Polizei scheitert erneut mit ihrer

    > Demo-Filmerei.

     

    Richtig ist, sie wurden verurteilt.

    Aber das wird die Polizei in Hamburg auch ständig. Abfilmerei, Wanderkessel, illegales Festhalten, illegale Durchsuchungen, Unverhältnismässigkeit, das ganze Programm.

     

    Problem an der Sache: Während ein normaler Bürger beim 1. mal Ärger kriegt, beim 2. mal viel Ärger kriegt, und das 3. mal besser vermeidet, ist bei der Polizei halt alles scheissegal. Man kann "die Polizei" schlecht verurteilen und in den Knast stecken. Also geht alles so weiter wie bisher. Warum auch nicht?

     

    Taz-Redakteur Kai von Appen berichtet ja regelmässig.

     

    So lange geeignete Schills, Ahlhäuser, Naumänner oder werauchimmer das weiterhin durchziehen, gibt es keinen Grund was zu ändern..

     

    Und während man Privatbürger ja auch schon mal über die "Kosten" derartiger Verfahren ruinieren kann, zahlt diese in diesem Fall? Genau, Sie und ich.

  • A
    aurorua

    Die sogenannte Gewaltenteilung zwischen legislative. judikative, und exekutive ist doch längst zu einem fauligen Einheitsbrei verkommen.

  • N
    Niedrigson

    Ich schließe mich dem ersten Kommentar von Rainer Hohn an: Es geht ja nicht nur ums Filmen, es geht um (Wander)Kessel, Pfefferspray- und Wasserwerfereinsätze, Funkzellen, Auflösen von Demonstrationen, natürlich um das Filmen und um noch einiges mehr.

    Ganz oft wird all dies im Nachhinein von Gerichten richtigerweise für illegal erklärt. Das bringt dem Demonstrant_innen aber in der konkreten Situation mal gar nichts!

    Wichtiger als solche Urteile wären politische Entscheidungen wie das flächendeckende Einführen von Kennzeichnung (meinetwegen auch nummern statt namen) der Beamten und unabhängigen Untersuchungskommisionen bei Ermittlungsverfahren gegen Beamte!

    Gegen beides gibt es keinerlei gültige Argumente.

  • M
    Mettigel

    Kann Rainer Hohn nur zustimmen. Das ist mal sowas von normal, ständig werden diverse Anstalten der Polizei hinterher für rechtswidrig erklärt, wie etwa regelmäßig das Aufenthaltsverbot für alle nicht-Bullen an der Castor-Strecke zu Castorzeiten. Auch werden Hausdurchsuchungen regelmäßig nachher für rechtswidrig erklärt, was dann im besten Fall heißt, dass die gewonnenen Beweise vor Gericht nicht ganz so überzeugend sind. Dennoch gewinnt mensch natürlich tiefe Einblicke durch Razzien wo auch immer in (politische)Strukturen. So werden offiziell "illegale" Aktivitäten der Polizei auch in Zukunft ganz normaler Bestandteil der Repressionsarbeit "unseres" Staates bleiben.

     

    MfG

    Mettigel

  • D
    daweed

    Dieses Foto entstand am 13.6.2012 in Dresden bei einer Kundgebung für die Verbesserung der Personalsituation in sächsischen Kindertagesstätten. Anwesend waren erwartungsgemäß Kindergärtner_innen, Eltern, Kinder und ein paar Mitglieder von Oppositionsparteien..

     

    Gemäß § 12 a des Sächsischen Versammlungsgesetzes darf die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur dann anfertigen, wenn tatsächlich Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen.

     

     

    Es ist bislang nicht ganz klar, ob die Filmaufnahmen präventiv dazu dienen, Infomationen über Kinder zu sammeln, die später möglicherweise zu kritischen Staatsbürger_innen werden könnten, die ab und an vom Versammlungsrecht gebraucht machen; ob man Erzieher_innen kontrollieren möchte, die den eigenen Arbeitgeber kritisieren oder ob nun bei der Anwesenheit von Mitgliedern von Oppositonsparteien in Sachsen allgemein von einer Bedrohung ausgegangen wird. Das wird die Antwort auf eine Kleine Anfrage von Henning Homann im Sächsischen Landtag zum Sachverhalt zeigen…

     

    http://linksextremismus.wordpress.com/2012/06/19/bedrohliche-kinder-in-sachsen/

  • M
    mauersegler

    gefilmt wird von der Polizei doch seit Jahren auf absolut jeder Demo - von vor Beginn bis nach Abschluss.. und gewalttätig war keine der Demos, auf denen ich war!

    ja, es ist schlimm, eine Provokation und gibt einem ein Gefühl, demonstrieren sei in der BRD illegal!

  • S
    Socke

    Ob der "AK vorratsdatenspeicherung" dann auch dafür sorgt dass Teilnehmer von -nicht linken- Demos nicht mehr von der antifa gefilmt werden?

     

    In der Regel verlaufen diese (von Seiten der wenigen Demonstranten die anwesend sind ob es nun um Rechts, Kommerz, Islam oder was weiß ich geht) friedlich, einzig der schwarze Block meint wilde Sau spielen zu müssen...

  • D
    desconocido

    Schönes Urteil. Nur leider werden solche Urteile nichts ändern solange nur die Rechtswiedrigkeit festgestellt wird und die Personen welche die Entscheidungen treffen, nicht dafür auch die Konsequenzen tragen müssen.

    Wieso sollten die einzelnen Personen auch die Rechte der Anderen über ihre eigenen Interressen stellen wenn bei illegalem Handeln dann nur ein schwaches und folgenloses "du,du,du" von den Gerichten kommt?

  • V
    volker

    Da ist ja mal wieder ein richtiges Mittelschichtsthema für den Herrn Litschko.

    Nach seiner einzigartigen Pressehetze gegen die Mietendemo darf er sich mit diesem Artikel wieder ein wenig linksalternativ fühlen.

    Das Gericht hat geurteilt für den Datenschutz !

    Da ist ja alles klar in unserem Rechtsstaat. Unsere tolle Berliner Polizei wird sich sicherlich dran halten.

    Aber auch nach diesem Artikel bleibt klar: Die Tageszeitung bleibt das Hetzorgan der gütbürgerlichen Bildungselite, welche ihre Privilegien gegen jeden Angriff der Nicht-Privilegierten zu verteidigen weiß.

  • RH
    Rainer Hohn

    Und was bringt dieses Urteil jetzt? Genau, gar nichts!

     

    Ihr rrechtswidriges Handeln hat für die beteiligten Polizisten, wie üblich, keinerlei Konsequenzen; warum sollten sie sich also in Zukunft anders verhalten? Und wenn nach jeder einzelnen Demo oder sonstigen Großveranstaltung Gerichte entscheiden, dass die Polizei von A bis Z rechtswidirg gehandelt hat - so what?

     

    Zum kotzen.