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Film über schwule ZuneigungBilder, aus denen Begehren spricht

Ob homo oder hetero ist egal, Hauptsache Liebe: In „Call Me By Your Name“ nähern sich zwei junge Männer im Norditalien der achtziger Jahre.

Elio ist verliebt Foto: Luca Guadagnino / Sony Pictures

Irgendwann, während die sinnlichen Bilder von Luca Gua­dagninos Liebesfilm „Call Me by Your Name“ einen wunderbaren Sommer in Italien herzaubern, muss man an Fassbinder denken, was ja schon mal nicht das schlechteste ist. Fassbinder sagte einmal – und zeigte es in seinen Filmen –, dass es für ihn keinen Unterschied zwischen hetero- und homosexuellen Beziehungen gäbe, dass jede Konstellation ähnlichen Mustern unterworfen sei, unabhängig vom Geschlecht. Und genau so funktioniert auch diese Adaption des Kultromans von André Aciman, die zwar einerseits schwuler nicht sein könnte, aber dann doch Geschlechterrollen transzendiert und vor allem ein Film über die Liebe ist.

Im Sommer 1983 beginnt die Geschichte, irgendwo in Norditalien, wo die Eltern des 17-jährigen Elio (Timothée Chalamet) eine mondäne Villa geerbt haben, in der die Familie nun die Ferien verbringt. Elios Vater (Michael Stuhlbarg) ist Archäologe, ziemlich verkopft und interessiert an antiken Skulpturen, die in Italien ständig präsent sind. Auch zu seiner Mutter (Amira Casar) hat er ein inniges Verhältnis, doch mit der Ankunft des Hausgastes Oliver (Armie Hammer) ändert sich alles.

Eigentlich soll Oliver dem Vater bei der Arbeit helfen, Dias und seine Korrespondenz sortieren, doch der extrem virile, extrem gut aussehende Amerikaner bringt die bukolische Ordnung der Sommerresidenz schnell durcheinander. Zwar flirtet er auch mit den jungen Grazien des Dorfs, ebenso wie Elio, der sein erstes Mal mit dem Mädchen Marzia (Esther Garrel) erlebt, doch die zunehmend intensiven Blicke zwischen Oliver und Elio lassen keinen Zweifel daran, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt.

Anfang der achtziger Jahre hat Guadagnino seinen Film angesiedelt, und damit noch ein paar Jahre früher als die Romanhandlung spielt. Was ihm zum einen die Gelegenheit gibt, mit unauffälligen Retrocharme zu spielen, Walkmans und Dia-projektoren ins Bild zu setzen, ebenso kitschige wie mitreißende italienische Popmusik zu spielen, zum anderen aber auch eine zeitlose Komponente zu installieren.

„Call me by your name“

Sonntag 19. Februar, 21.30 Uhr Zoo Palast 1 (E)

Viel Zeit ist seit 1983 vergangen, Homosexualität zumindest in Westeuropa weitestgehend akzeptiert, doch altmodisch ist „Call Me By Your Name“ im Gegensatz zu manch anderen in längst überholten Epochen angesiedelten Filmen über schwules Begehren deswegen nicht.

Verlangen, Neugier und Melancholie

Das liegt daran, dass Guada­gni­no zwar zahlreiche Liebesszenen inszeniert, auch die berühmte Pfirsich-Szene aus dem Roman explizit umsetzt, es hier aber nicht um schwules Begehren geht, sondern einfach um Begehren. Ganz deutlich wird das in einer wunderbaren Szene am Ende des Sommers: Oliver ist längst abgereist, und Elio trauert seiner ersten großen Liebe hinterher, Vater und Sohn haben ein langes Gespräch, beziehungsweise hält der Vater einen langen, gebildeten Monolog, in dem er seinem Sohn Ratschläge fürs Leben mit auf den Weg gibt und von der Besonderheit der Freundschaft zwischen Elio und Oliver spricht, die mehr als eine Freundschaft gewesen sei, etwas so Einzigartiges, dass vielen Menschen das Glück verwehrt bliebe, etwas Vergleichbares zu erleben.

Es ist Guadagninos große Kunst, dass in einem Moment wie diesem viel, nicht zu viel, nicht zu direkt gesagt wird; das gesagt wird, was zuvor in wunderbaren, sinnlichen Bildern angedeutet wurde. Wie nur wenige zeitgenössische Regisseure schafft es der Italiener Atmosphären zu evozieren, nur über Bilder zu erzählen, Blicke zu inszenieren, aus denen Verlangen, Neugier, Melancholie und Begehren spricht.

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