Filmemacher über Kieler Bausünden: „Ironie ist die beste Waffe“

Der Regisseur Helmut Schulzeck hat einen Film über seine Heimatstadt gedreht. Im Interview sagt er, warum ihn Kiels Baupolitik schon lange nervt.

Ein Fahrradfahrer in der nächtlichen Kieler Altstadt. Die Straßen sind gepflastert, die drei sichtbaren Gebäude groß und modern

Kiels Altstadt, die so alt nicht ist Foto: Gregor Fischer/dpa

taz: Herr Schulzeck, machen Sie die Bausünden in Ihrer Heimatstadt Kiel wütend?

Helmut Schulzeck: Ja, mich nervt die Baupolitik der Stadt schon lange. In Kiel ist das ein Dauerthema und zieht sich wie ein roter Faden durch die Zeit, in der ich hier wohne.

In Ihrem Film zitieren Sie einen Imagefilm aus den frühen 1970ern, in dem junge Frauen durch die Fußgängerzone spazieren und Autos über die riesigen Trassen fahren.

Damals galt das als hypermodern. Im Kiel gab es die erste Fußgängerzone Deutschlands, die Innenstädte wurden entvölkert und dafür Satellitenstädte gebaut.

Sie polemisieren ordentlich, wenn einer Ihrer Interviewpartner ein neues Bauprojekt in Kiel eine „späte Missgeburt der Moderne“ nennt.

Filmessay „Das Geheimnis von Kiel“: 29. 5., 16 Uhr, 30. 5.–1. 6., 18.30 Uhr in Kiel, Die Pumpe.

Ja, ich bin einseitig, aber das ist die andere Seite ja auch. So gibt es etwa einen acht Minuten langen Imagefilm über das neu gebaute Holstenfleet mit superschönen Bildern.

Sie arbeiten viel mit Ironie.

Das ist auch immer noch die beste Waffe, denn Fakten werden ignoriert oder zur Kenntnis genommen, wie es gerade passt.

1954 in Nortorf, Schleswig-Holstein, geboren, ist Autor und Regisseur. Seit 1983 dreht er eigene Filme. 1989 war er Gründungsmitglied der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein e.V.

Es ist auch komisch, wie in Kiel Orte benannt werden. Die Altstadt ist nicht alt und am Schlosshof gibt es kein Schloss.

Genau, es wird mit Worten gearbeitet, die nicht stimmen. Auch das Holstenfleet ist gar kein Fleet, weil es keine Verbindung zwischen dem Kleinen Kiel und der Ostsee schafft. Das sind nur zwei isolierte Betonbecken.

Sie sind eine Art von Stadtchronist, Sie machen seit den 1980ern Filme in und über Kiel. Was war Ihr erster Film?

Das war „Ich träum’ noch immer von der Straßenbahn“ über einen alten Straßenbahnfahrer in den Zeiten, als die Straßenbahn in Kiel abgeschafft wurde.

Sie haben mal gesagt, Sie machen nicht nur Filme über Ihre Heimat, sondern das Filmemachen ist auch Ihre Heimat. Wie meinen Sie das?

Ökonomisch wäre es wohl vernünftiger gewesen, wenn ich was anderes gemacht hätte, weil es wirtschaftlich für mich immer auf der Kante war, sodass ich gerade überleben konnte. Aber Filmemachen ist für mich eine Leidenschaft. Seit zehn Jahren habe ich die Parkinson-Krankheit, und wenn ich die Filmerei nicht hätte, dann wüsste ich gar nicht, wie ich existieren könnte. Nicht materiell, sondern geistig ziehe ich daraus meine ganze Lebensenergie.

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