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Film „Port Authority“ startet digitalDer Blick des Getriebenen

„Port Authority“ war 2019 der erste Film in Cannes mit einer nichtweißen trans Frau in der Hauptrolle. Er erzählt von der Ballroom-Szene New Yorks.

Wye (Leyna Bloom) posiert im blaulichtdurchfluteten Ballroom​ Foto: Salzgeber

Paul schaut drein wie nicht bestellt – und erst recht nicht abgeholt. Haselnussbrauner Lockenwuschelkopf, cutie face, Blutschnitzer über dem rechten Wangenknochen. Abendstunden am Port Authority, dem größten Busbahnhof von New York. Paul, 20, wartet vergeblich darauf, dass seine Schwester ihn abholt, wagt einen Blick vor das Busterminal und ist hypnotisiert, von Leuten, die auf der Straße tanzen.

Der Film ist kaum drei Minuten angelaufen, und schon kreuzt sich Pauls Blick mit dem von Wye, die, wie wir später erfahren werden, mit ihrer Familie unterwegs ist – nicht ihrer Blutsfamilie, aber ihrer gewählten Familie: der Familie, die sie als junge trans Frau akzeptiert, empowert.

Der Film

„Port Authority“. Regie: Danielle Lessovitz. Mit Fionn Whitehead, Leyna Bloom u. a. USA 2019, 94 Min. Auf www.salzgeber.de und DVD

„Port Authority“ ist der Debütlangfilm der Regisseurin Danielle Lessovitz, er lief 2019 in Cannes in der Sektion „Un certain regard“. Mit Ballroom-Star Leyna Bloom als Wye war erstmals eine nicht-weiße trans Frau Hauptdarstellerin in Cannes. Einer der ausführenden Produzenten des Films ist Martin Scorsese.

Der Ballroom-Subkultur aus Harlem hat sich 1990 schon der Dokumentarfilm „Paris Is Burning“ gewidmet – und seit 2018 tut dies auch die gefeierte Netflix-Serie „Pose“. Der entscheidende Unterschied bei „Port Authority“: Paul, gespielt von Fionn Whitehead, ist weiß und hetero – und blickt auf diese schwarze queere Szene, die ihn fasziniert, als Außenstehender. Ihr Zusammenhalt kontrastiert mit seiner Heimatlosigkeit.

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Trailer „Port Authority“

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Der Bass lockt

„Du bist keine Schwuchtel, oder? Der Ohrring sieht schwul aus.“ Das sagt Lee, der auch am Busbahnhof rumhängt, zu Paul. Dank Lee bekommt der obdachlose, auf Bewährung freie Paul einen Job – auch wenn sich der „Umzug-Lieferservice“ als Zwangsräumungs-Gang herausstellt, Macho-Handlanger der Gentrifizierung.

Paul blickt wenig später in einem Gebäude das Treppenhaus hinunter, wo ein Typ tanzt, der Star der Ballroom-Szene. Kurz darauf lockt der Bass Paul in einen blaulichtdurchfluteten Raum, wo es abgeht: ein Tohuwabohu auf der Tanzfläche, ultracoole Drama-Gesten und Mooves bis runter auf den Boden, floorwork eben. Und Paul begegnet Wye wieder.

Die Kamera geht bei Gesichtern meist auf Close-up. Eine Stadttotale von New York sehen wir gerade mal eine halbe Sekunde lang. Aber wir sehen, wie unsicher Paul ist, wie viel Anstrengung es ihn oft kostet, seine brüchige Fassade zu wahren.

Wye erzählt Paul, dass sie mit 16 von der Mutter zu Hause rausgeschmissen wurde, da sie eine pinke Jacke geklaut hat. Sie erzählt Paul nicht, dass sie trans ist. Paul erzählt Wye nicht, dass er obdachlos ist, er tut so, als ob er bei seiner Schwester schlafen würde. Eine Lüge, die bald auffliegt.

Es glittert, funkelt und pulsiert

Wenn Wye und Paul auf dem Balkon miteinander reden, folgt die Kamera nicht dem typischen Schuss-Gegenschuss-Muster, sondern schwenkt in natürlichen Blickbewegungen, als Zeichen ihres Zusammenschwingens. Sie folgt auch mal, high, einem Vogelschwarm am Himmel.

Es glittert, funkelt und pulsiert, wenn wir immer wieder Wye und ihre Leute tanzen sehen. Voguing, der spektakuläre Tanz aus der Ballroom-Szene, wurde 1990 schon von Madonna für ihren Song „Vogue“ verwendet. Benutzt oder ehrt da eine weiße hetero Person die Kultur marginalisierter Queers? So könnte man auch bei „Port Authority“ fragen: Warum muss die Hauptperson weiß sein, warum erzählt man nicht aus der Szene heraus?

Das Kluge am Skript aber ist, dass es gerade darum geht, wie Paul als heimatlos Getriebener blickt, der nicht dazugehört. Anders als bei Madonna wird bei Paul auch nie so getan, als könne er voguen. Was er dafür lernt, ist sein Bild von Männlichkeit gegenzuchecken, nun da er eine trans Frau liebt.

In einer besonders schönen Szene pflückt ein Tänzer imaginäre Blütenblätter und pustet sie in den Äther. Die Blume wird real auf diese Weise. Die große Krise des melancholischen, sehenswerten Films ist aber, wie real die Liebe zwischen Wye und Paul sein kann, solange Paul ein Falschmünzer ist.

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