Film „Maestro“ von Bradley Cooper: Szenen einer fast perfekten Ehe

Der Star spielt den Star – und führt Regie. Bradley Cooper schnappt sich in „Maestro“ den Überdirigenten Leonard Bernstein.

Schwarz-weiß Sceenshot aus dem Film "Maestro": Frau und Mann stehen auf einem Balkon, er im Anzug. Sie bindet ihm die Krawatte.

Geduld mit ihm: Felicia Montealegre (Carey Mulligan) und Leonard Bernstein (Bradley Cooper) Foto: Netflix

Im letzten Drittel von „Maestro“, Bradley Coopers biografischer Annäherung an den legendären Dirigenten Leonard Bernstein, gibt es eine Szene, in der Bernstein Mahlers 2. Symphonie dirigiert, ein auf Youtube verewigter Auftritt in der Ely Cathedral. Cooper ahmt Bernstein bis ins Detail nach, wirbelt mit den Händen, die Haare wild, der Schweiß fliegt, so wie die Kamera, die in einer minutenlangen Einstellung mal ganz nah an Coopers Gesicht klebt, in dem die Emotion des Moments abzulesen sind, dann weit aufzieht, den ganzen Raum zeigt, wo ein komplettes Orchester spielt und hunderte Statisten sitzen.

Ein spektakulärer, musikalisch wie filmisch atemberaubender Moment, der die ganze Ambition von Cooper, dem Regisseur, zeigt – aber auch die ganze Eitelkeit von Cooper, dem Star.

„Maestro“. Regie: Bradley Cooper.

Mit Carey Mulligan, Bradley Cooper u. a. USA 2023, 129 Min.

Schon in seinem Regiedebüt „A Star Is Born“ ging Cooper aufs Ganze, schrieb nicht nur am Drehbuch mit, sondern auch an den Songs von Lady Gaga, agierte als Produzent, spielte die Hauptrolle, führte Regie. Diesmal wird Cooper im Abspann „nur“ viermal erwähnt, dafür werden als Co-Produzenten gleich Martin Scorsese und Steven Spielberg genannt, was ganz gut zeigt, dass es Bradley Cooper nicht nur darum geht, Filme zu drehen, sondern darum, große, bedeutende Werke zu schaffen.

Als Thema hat er sich diesmal also Leonard Bernstein ausgesucht, der als erster großer US-amerikanischer Dirigent gilt, der die Musik zu den Musicals „On the Town“ und „West Side Story“ schrieb, der Jahrelang Fixpunkt der New Yorker Society war, der mit der Schauspielerin Felicia Montealegre (Carey Mulligan) ein scheinbar konventionelles Leben führte, aber zahllose Affären hatte, vor allem mit Männern.

Schauspielerische Meisterleistung

Zumindest in der Interpretation von Cooper war jedoch Felicia die große Liebe Bernsteins, war die Frau an seiner Seite der Halt, den der impulsive, umtriebige Künstler brauchte. Ein impressionistisches Geflecht aus Momentaufnahmen zeigt Cooper, lose der Entwicklung der Beziehung des Paares folgend, nicht so penibel chronologisch wie etwa gerade Ridley Scott in seinem „Napoleon“-Film, nicht im Bemühen, jeden Moment einzufangen.

Was dazu führt, dass wichtige Mitstreiter Bernsteins nur am Rande erwähnt werden, sein musikalisches Schaffen oft in den Hintergrund rückt, aber auch dazu, das Mulligan und Cooper in Szenen einer Ehe aufgehen können, die eine schauspielerische Meisterleistung darstellen.

Anfangs in Schwarzweiß, vom brillanten Kameramann Matthew Libatique im klassischen 4:3 Format kadriert, später in Farbe, aber nicht den modernen, kalten Farben heutiger Filme, sondern den satten Farben des Technicolor-Zeitalters, liebt und streitet sich das Paar, changiert immer hart an der Mimikry vorbei und schafft es doch, den Kern einer ungewöhnlichen Ehe einzufangen.

Ob die reale Felicia die zahllosen homosexuellen Affären von Bernstein tatsächlich in dem Maße tolerierte, wie es der Film behauptet, sei dahingestellt, als Evokation einer großen Liebe funktioniert diese Lesart hervorragend.

Intensives, emotionales Schauspiel

Vor allem bietet sie den beiden Hauptdarstellern Gelegenheit, das zu tun, was in Hollywood gerne als „acting with a capital A“ bezeichnet wird, also als Schauspiel, das zu Bewunderung einlädt, ja geradezu auffordert. Was wiederum perfekt zu einem Film passt, der immer wieder seine Kunstbeflissenheit ausstellt, immer wieder spektakuläre Bilder zeigt, die offensichtlich schwer zu realisieren waren.

Gerade in Hollywood ist der Grat zwischen Ambition und Eitelkeit schmal

Für Bradley Cooper war es ein weiter Weg vom Hauptdarsteller der sehr erfolgreichen Brachialkomödien „Hangover“ zum respektierten Schauspieler, der nun einen Weg als Filmemacher einschlägt, der fast ohne Beispiel ist. Zwar gibt es ehemalige Schauspieler, die zur Regie wechselten und in Personalunion auch als Hauptdarsteller agierten.

Besonders Woody Allen und Clint Eastwood kommen in den Sinn, doch beide variierten als Schauspieler fast ausschließlich ihre typische Persona, während sie als Regisseure zwar souveräne, aber stilistisch eher klassische Filme inszenierten. Cooper aber scheint alles zu wollen: als Regisseur spektakuläre, eindringliche Bilder inszenieren und gleichzeitig als Schauspieler Rollen übernehmen, bei denen es mit bloßer physischer Anwesenheit nicht getan ist, sondern die intensives, emotionales Spiel verlangen.

Eine ähnliche Vielfachbelastung traute sich höchstens noch Barbra Streisand in ihrem Regiedebüt „Yentl“ zu, und auch Streisand wurde für ihre Ambition gleichermaßen bewundert wie belächelt. Gerade in Hollywood ist der Grat zwischen Ambition und Eitelkeit schmal; so gerne die Traumfabrik zur Regie gewechselte Schauspieler mit den höchsten Weihen – dem Oscar – auszeichnet, so wenig schätzt sie Schauspieler, die zu viel wollen, die sich nach ein, zwei Filmen, im selben Atemzug wie die Größen der Vergangenheit sehen, die nicht nur nach Erfolg streben, sondern nach Verehrung.

Dass er enormes Talent hat, als Schauspieler, aber auch als Regisseur, hat Bradley Cooper erneut bewiesen. Gelänge es ihm nun noch, seine Eitelkeit zu zügeln, wird er in den nächsten Jahren große Filme drehen und nicht nur Filme mit großen Momenten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.