Film „Duke of Burgundy“: Rollenspiele um Dominanz und Macht
Regisseur Strickland erzählt von einem lesbischen Paar. Ein Wunderwerk – auch, wenn sich die ambitionierte Eigenwilligkeit des Films etwas erschöpft.
![Eine Frau guckt eine andere Frau an, die mit dem Rücken zur Kamera steht Eine Frau guckt eine andere Frau an, die mit dem Rücken zur Kamera steht](https://taz.de/picture/840184/14/duke2.jpg)
Die Begrüßung ist barsch: „Sie kommen spät“, sagt Cynthia, eine elegante, stilvoll gekleidete Dame Ende 40, als sie Evelyn die Tür zu ihrem Landhaus öffnet. Die Miene ist versteinert, die Atmosphäre eisig, der Grund für Evelyns Kommen vorerst unklar. Hausarbeit soll die andere, ebenfalls bis in die Spitzen ihrer aufwendigen Frisur elegante Dame erledigen, doch das Anwesen scheint aufgeräumt und sauber, der Tonfall Cynthias zu despotisch, ihre Forderungen scheinen willkürlich.
Schnell wird klar, dass es hier um etwas anderes geht als um das Porträt eines Angestelltenverhältnisses – spätestens wenn uns Peter Strickland die Handwäsche von Cynthias Dessous in magischen Nahaufnahmen zeigt, in denen die Seifenblasen über den feinen Stoffen wie in Zeitlupe zerplatzen, während der Soundtrack Erinnerungen an B-Movies der 70er wach werden lässt.
„Duke of Burgundy“ ist ein kleines Wunderwerk. Angefangen beim bewusst irreführenden Titel, der mit der Bezeichnung des Herzogs und der geografischen Verortung der Bourgogne zwei Fährten legt, die ins Leere laufen: Herzöge oder überhaupt Männer kommen in Stricklands Universum nicht vor, und wo der Film spielt, ist genauso rätselhaft wie seine Figuren.
Die dänische Schauspielerin Sidse Babett Knudsen und die italienische Newcomerin Chiara D’Anna sprechen im Film betont artikuliertes, britisches Englisch mit Akzent und lassen sich in ihrer phonetischen Künstlichkeit genauso wenig definieren wie in ihrer Herkunft oder ihrer Geschichte.
Cynthia und Evelyn, das lässt sich im Ungewissen des Films mit Sicherheit sagen, sind ein Liebespaar, dessen Alltag von sadomasochistischen Rollenspielen um Dominanz und Kontrolle, Macht und Abhängigkeit bestimmt ist. Ihre Routinen sind geplant, die Dialoge einstudiert, ihre Abläufe repetitiv.
Stabiles System ohne Außen
In der Systemtheorie bezeichnet „Selbstreferenzialität“ die Eigenschaft eines sozialen Systems, sich dadurch zu stabilisieren, dass es sich nur auf sich selbst bezieht und keine Verbindungen zu seiner Umwelt herstellt. In solch einem selbstreferenziellen und stabilen System ohne Außen leben Stricklands Figuren, deren Performances eine Welt herstellen, die sich durch ihre ständige Wiederholung selbst produziert, ähnlich wie der Film selbst. Erst als die Außenwelt in Form einer weiteren Gespielin in das System Cynthia/Evelyn eindringt, gerät die stabile Lage und damit die Beziehung der beiden ins Wanken.
Wie bereits in Peter Stricklands Film „Berberian Sound Studio“ ist „Duke of Burgundy“ ein Film über Film geworden und damit ein weiteres in sich geschlossenes System. Durch das Ausstellen und – analog zu den Handlungen der Figuren – die Wiederkehr seiner filmischen Mittel (Zooms, Detail- und Nahaufnahmen) erschafft Strickland eine Eigenwelt, die versucht, sich durch Wiederholungen selbst zu erhalten. Das gelingt allerdings nur bedingt.
Die ambitionierte Eigenwilligkeit, mit der uns der Film zu betören sucht, erschöpft sich nach gewisser Zeit und verliert, ähnlich wie die Routinen seiner Figuren, ihre Dringlichkeit. Dass Künstlichkeit hier zu Kunst wird, steht außer Frage, doch macht es sich Strickland mit seinem Fetisch des Unerklärlichen auf Dauer etwas zu leicht. Die Schmetterlingsforschung Cynthias und das damit verbundene filmische Faible für Insektenbilder etwa bleiben in ihrer exaltierten Ausgestelltheit am Ende Selbstzweck.
„Duke of Burgundy“. Regie: Peter Strickland. Mit Sidse Babett Knudsen, Chiara D’Anna u. a. Großbritannien 2014, 109 Min.
Alles innerhalb des Films ist Inszenierung, doch hätte es dem Werk gutgetan, sein System hin und wieder zu verlassen. Wer „Duke of Burgundy“ nicht im Kino gesehen hat, hat trotzdem etwas verpasst. Allein das ist Verdienst genug.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!