Filesharing im Untergrund: Verschlüsselt, verteilt, geheim

Das Verhalten der Medienindustrie drängt Filesharer in den Untergrund. Eine neue Software-Generation soll die Nutzer vor Verfolgung schützen.

Verbindungen kaum nachvollziehbar: Kabelsalat im Untergrund. Bild: ibay / photocase.com

KÖLN taz | „Das Jahr 2012 ist das Jahr des Sturms“, schreiben die Betreiber des Filesharing-Portals The Pirate Bay in ihrem Blog. Und tatsächlich wird es wieder Mal ungemütlich für die Internet-Rebellen. Die erste Generation der Betreiber wurde von schwedischem Gericht zu Haftstrafen verurteilt, immer mehr Länder debattieren Schritte gegen die Seite und in den USA haben nun mehrere Provider zugestimmt, dem Datentausch in ihren Netzen nachzuspüren und Nutzer zu verwarnen.

Wenn die Lage eng wird, ist es nicht schlecht, den Kopf einzuziehen. So hat The Pirate Bay die eigenen Server gesäubert und sein Angebot umgestellt. Statt sogenannter Torrent-Dateien zu verbreiten, die genaue Informationen enthalten, wo ein Computer eine bestimmte Datei aus dem Filesharing-Netz laden kann, veröffentlicht die Plattform nur noch „Magnet-Links“. Die enthalten nur noch eine digitale Signatur der gewünschten Datei, mit der ein Computer selbstständig im Filesharing-Netz nach dem gewünschten Inhalt suchen kann.

The Pirate Bay //thepiratebay.se/blog/208%E2%80%9C:gibt dafür technische Gründe an. Doch der Haftungsgedanke spielt wohl auch eine entscheidende Rolle. Unlizensierte Dateien selbst zu verteilen, ist eindeutig illegal. Genaue Informationen zu verteilen, die zum Download eben dieser Dateien benötigt werden, wird von immer mehr Ländern unter Strafe gestellt. Doch ob es auch illegal ist anzugeben, mit welchem Suchwort ein Nutzer eventuell eine Datei irgendwo im Netz finden kann, wird für Juristen weltweit schwer zu klären sein.

Andere Programmierer haben den Schritt von der Filesharing-Plattform zum führerlosen und dezentralen Verteilnetz schon vor Jahren vollzogen – und profitieren von der jetzigen Verunsicherung. So verzeichnet das wie The Pirate Bay auf Bittorrent-Technologie beruhende Programm Tribler plötzlich einen Nutzeransturm.

Waren die Nutzerzahlen vor Kurzem kaum messbar, tummeln sich plötzlich //statistics.tribler.org/%E2%80%9C:über 20.000 aktive Nutzer im Netz. Das Programm, dass von Forscher an der Universität Delft entwickelt wurde, kommt ohne zentrale Server aus und soll daher jeglichen Zensurversuchen standhalten. Der Nachrichtendienst Torrentfreak //torrentfreak.com/tribler-makes-bittorrent-impossible-to-shut-down-120208/%E2%80%9C:zitiert einen Entwickler gar mit dem Satz: „Der einzige Weg es abzuschalten, ist es, das gesamte Internet abzuschalten“.

Klein ist unattraktiv

Kernproblem der neuen dezentralen Systeme: Sind sie zu klein, sind sie unattraktiv. Wer nur mit seinen engsten Freunden tauscht, kann naturgemäß auch nur auf eine sehr begrenzte Bandbreite an Inhalten zugreifen und nur dann, wenn sich die Freunde gerade eingeloggt haben. So sind bei Tribler trotz des derzeitigen Nutzeransturms kaum Dateien zu finden: ein paar Folgen von US-Fernsehserien, eine Handvoll Filme, kaum Musik.

Werden die Netze hingegen zu groß, sind sie für Sabotage und Abhörattacken anfällig. Routinemäßig loggen sich Privatermittler der Medienindustrie in die Tauschnetzwerke ein, laden unlizensierte Inhalte herunter und protokollieren, wer die Daten geliefert hat. Wer mit unbekannten Nutzern tauscht, kann also fast immer entdeckt werden. Manche Nutzer versuchen dies über Anonymisierungsdienste zu verhindern – doch das verlangsamt die Downloads beträchtlich.

Hinzu kommt das Problem der Datenverteilung: Ohne zentrale Server müssen alle Informationen von Teilnehmer zu Teilnehmer weitergereicht werden. So litt schon das komplett verschlüsselte „Freenet“ unter der schlechten Datenausbeute. Wer Freenet benutzte, war kaum ausfindig zu machen, musste aber dafür sehr lange warten, um selbst kleinste Dateien aus dem Netz zu laden, während ständig verschlüsselte Dateien für andere Nutzer auf den eigenen Rechner geschaufelt wurden.

Dass die Nutzer in Massen zu den neuen Techniken wechseln, ist vorerst nicht zu erwarten. Bekannte Bittorrent-Programme wie Vuze oder Bitcomet werden nach und nach um neue Funktionen wie Magnet-Links und verschlüsselte Verbindungen erweitert. Letzteres ist besonders praktisch, wenn die Provider wie in Frankreich oder künftig in den USA in ihren Netzen nach illegalem Dateitausch suchen. Doch auch die Filehoster-Szene hat sich nach dem kurzen //taz.de/Pirate-Bay-Revisionsantrag-abgelehnt/%2186848/:Schock nach der Abschaltung von Megaupload erholt. Auf den einschlägigen Portalen sind nach wie vor mehr Filme, Serien und Musik verlinkt, als man jemals konsumieren kann.

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