Fifa wegen WM 2022 weiter unter Druck: Neue Vorwürfe gegen Katar
Ex-Funktionär Mohamed bin Hammam soll weitere 1,7 Millionen Dollar für Stimmen aus Asien bezahlt haben. Auch um Franz Beckenbauers Gunst soll er geworben haben.
LONDON dpa | Die Causa Katar bringt den Fußball-Weltverband immer mehr in Bedrängnis und dürfte die Vorfreude von FIFA-Boss Sepp Blatter auf die WM-Endrunde in Brasilien gehörig trüben. Vier Tage vor dem Anpfiff in São Paulo sind neue Korruptionsvorwürfe rund um die Vergabe der Fußball-WM 2022 publik geworden – womöglich ein Vorgeschmack auf weitere Enthüllungen zur „besten Sendezeit“ während der WM.
Wie die englische Zeitung Sunday Times am Sonntag berichtet, soll der frühere katarische Spitzenfunktionär Mohamed bin Hammam weitere 1,7 Millionen Dollar für Stimmen aus Asien bezahlt haben. Außerdem habe er Gespräche auf Regierungsebene mit Thailand für einen Gas-Deal eingefädelt, um sich die Stimme von Exekutivmitglied Worawi Makudi zu sichern.
Bin Hammam soll im Vorfeld der erfolgreichen WM-Kandidatur nach Angaben der Sunday Times auch um die Gunst von Franz Beckenbauer und UEFA-Präsident Michel Platini geworben haben. Nur ein paar Monate nach dem Zuschlag für Katar als WM-Gastgeber sei Beckenbauer im Juni 2011 auf Einladung von bin Hammam zusammen mit Vorständen der unter anderem im Reedereigeschäft tätigen E.R. Capital Holding in Katar gewesen sein.
Beckenbauers Management wollte sich am Sonntag zu Details der Enthüllungen nicht äußern und verwies auf eine Stellungnahme des 68-Jährigen von vergangener Woche. „Ich habe nie für Katar oder für bin Hammam gearbeitet“, hatte die deutsche Fußball-Legende gesagt. Ein Sprecher des Beckenbauer-Managements bestätigte, Beckenbauer habe vom 1. April 2011 bis Ende März 2014 als Berater und Botschafter für die E.R. Capital Holding gearbeitet.
Ein Sprecher des Unternehmens erklärte der Sunday Times, das Treffen habe sich um eine mögliche Zusammenarbeit mit katarischen Investoren im Schifffahrtssektor gedreht. Ein Vertrag sei dabei nicht zustande gekommen. Beckenbauer, bei der WM-Vergabe im Dezember 2010 Mitglied der FIFA-Exekutive, hat bisher nicht offenbart, welchem Kandidaten er seine Stimme gegeben hat.
Auch einen persönlichen Termin des katarischen WM-Bewerbungskomitees bei UEFA-Präsident Platini im Oktober 2010 in Nyon habe bin Hammam arrangiert, schrieb die Sunday Times. Diese Behauptung wies der Boss der Europäischen Fußball-Union (UEFA) zurück. Bin Hammam sei nicht persönlich bei ihm gewesen und habe auch nicht um ihn geworben, versicherte Platini.
Der Elektronikkonzern Sony hat als erster großer Sponsor des Fußballverbands Fifa eine Aufklärung der Korruptionsvorwürfe um die geplante Weltmeisterschaft 2022 in Katar gefordert. „Als Fifa-Partner erwarten wir, dass diese Vorwürfe angemessen untersucht werden“, zitierte die Londoner Zeitung Sunday Times aus einer Erklärung des japanischen Elektronikkonzerns. Sony erwarte von dem Verband, dass er sich in allen Bereichen an seine Prinzipien von Integrität, ethischem Verhalten und Fairness halte.
Die Fifa hat nach den Schmiergeldvorwürfen angekündigt, die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar auf Korruption zu prüfen. Ein Bericht dazu soll im Juli vorliegen – nach dem Finale der in wenigen Tagen beginnenden WM 2014 in Brasilien. Besonders umstritten ist die Vergabe an das finanzkräftige Emirat Katar. Wegen der extremen Hitze im Sommer muss das Turnier dort möglicherweise zu einer anderen Jahreszeit gespielt werden, was die Terminpläne der Profiklubs durcheinander bringen würde.
Der internationale Fußball ist ein Milliardengeschäft. Im vergangenen Jahr hat die Fifa rund 1,4 Milliarden Dollar eingenommen, umgerechnet gut eine Milliarde Euro. 600 Millionen Dollar stammten aus Übertragungsrechten, 400 Millionen von Sponsoren und Partnerfirmen, zu denen neben Sony auch Adidas, Coca-Cola, Emirates, Hyundai und Visa gehören. (rtr)
Die Zeitung hat nach eigenen Angaben Zugang zu einer Millionen geheimer Dokumente. Sollten diese tatsächlich die Bestechung von FIFA-Exekutivmitglieder beweisen und FIFA-Chefermittler Michael Garcia bei seiner Untersuchung zum gleichen Schluss kommen, könnte es für den Golfstaat eng werden.
Am Montag will Garcia seine Ermittlungen abschließen und sechs Wochen später – also kurz nach der WM – seinen Bericht an die Rechtskammern weiterleiten. In der Sunday Times ist auch von einem Treffen mit russischen Vertretern einen Monat vor der umstrittenen Abstimmung am 2. Dezember 2010 die Rede. Dabei soll es um „bilaterale Beziehungen“ zwischen den beiden Ländern im Sport gegangen sein. Pikanterweise erhielten beide Länder den Zuschlag für die WM-Endrunden 2018 und 2022.
Fehlverhalten zurückgewiesen
Die FIFA wollte sich nach einer Sitzung des Exekutivkomitees zu den Vorwürfen nicht äußern. Man werde vor einer Stellungnahme die Arbeit des Ethikkomitees abwarten. Das WM-OK von Katar hatte zuletzt jegliches Fehlverhalten zurückgewiesen und betont, dass Bin Hammam im Bewerbungsverfahren keine Rolle gespielt habe. Erst in der vergangenen Woche hatte das englische Blatt berichtet, dass Bin Hammam fünf Millionen Dollar an Offizielle für die Unterstützung von Katars WM-Bewerbung gezahlt habe.
Außerdem soll er dem ehemaligen Exekutivmitglied Reynald Temarii aus Tahiti 305.000 Euro für Anwaltskosten gezahlt haben. Unter dem Titel „Gas-Deal erhitzt die WM“ berichtet die Zeitung nun vor allem über die Verbindung zwischen Bin Hammam und Makudi, die zusammen in der FIFA-Exekutive saßen. Der Thailänder taucht nicht das erste Mal in Verbindung mit Korruptionsvorwürfen auf.
Bereits wenige Monate nach der WM-Vergabe hatte der frühere englische Verbandschef David Triesmann ein FIFA-Quartett um Makudi beschuldigt, unlautere Forderungen vor der Abstimmung gestellt zu haben. Konsequenzen waren damals ausgeblieben. Bin Hammam soll zwei Treffen von Verantwortlichen aus Thailand mit der katarischen Königsfamilie arrangiert haben, um einen lukrativen Vertrag für Gaslieferungen auszuhandeln.
Anti-Blatter-Fraktion
Makudi bestritt indes, dass er persönliche Vorteile erlangt habe. So oder so dürfte es für Blatter beim FIFA-Kongress am Dienstag und Mittwoch ungemütlich werden. Im Machtkampf um die Funktionärs-Vorherrschaft im Weltfußball hat nun DFB-Präsident Wolfgang Niersbach eine zentrale Rolle in der Anti-Blatter-Fraktion eingenommen.
„Für uns beim DFB gilt wie für alle Europäer nach wie vor, was Joseph Blatter beim UEFA-Kongress 2011 in Paris offiziell gesagt hat. Damals hat er erklärt, dass die laufende Amtszeit definitiv seine letzte sein wird. Dass er jetzt scheinbar andere Überlegungen hat, haben wir bisher nur den Medien entnehmen können“, sagte Niersbach in einem Interview.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!