Feuerwerk-Legalisierung stagniert: Das Pyro-Problem
Die Strafen für das Abbrennen von Pyrotechnik treffen den HSV empfindlich. Sein Ansatz, das Feuerwerk zu legalisieren, stößt auf wenig Gegenliebe.
Wegen des Fehlverhaltens seiner Fans musste der HSV in der vergangenen Saison neun, in der davor drei Strafen zahlen. Die Gesamtkosten: über eine halbe Million Euro. Geht ja noch, werden diejenigen sagen, die den HSV wegen seiner jährlichen Trainer- oder Sportchefentlassungen mitsamt Millionen-Abfindungen verspotten. Im Vergleich dazu ist eine halbe Million nicht viel Geld.
Allerdings sind die fetten Jahre, als Investor Klaus-Michael Kühne zig Millionen für durchschnittliche Transfers in den Verein pumpte, vorbei. Auch die Fernseh- und Werbeeinnahmen sind wegen des Abstieges in die Zweite Liga gesunken. Ein paar hunderttausend Euro treffen den Klub inzwischen deutlich härter als noch vor Jahren. Die letzte Strafe tut es ganz besonders: 250.000 Euro steht auf einer Rechnung, die der DFB dem HSV wegen der Vorfälle beim letzten Stadtderby gegen den FC St. Pauli übermittelte. Dabei geht es dem Verband längst nicht mehr nur um die Intensität oder die Beeinträchtigung des Spiels durch das Feuerwerk, sondern auch um die Regelmäßigkeit: Da die HSV-Fans Wiederholungstäter sind, wird die Strafe von Mal zu Mal höher. Die Verantwortlichen haben Einspruch eingelegt und hoffen, dass die Sportrichter ein milderes Urteil sprechen. Aber wie soll das Problem in Zukunft gelöst werden?
Der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV, Bernd Hoffmann, will es mit Diplomatie versuchen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Heribert Bruchhagen geht er auf die Krawallmacher zu, anstatt ihnen mit Ausgrenzung und Stadionverboten zu drohen.
Die Idee vom kontrollierten Abbrennen
Hoffmann hat recht, wenn er sagt, dass Sanktionen allein keine Lösung des Problems sind. Selbst mit verschärften Personenkontrollen beim Einlass ins Stadion lässt sich das Schmuggeln der gefährlichen Pyro-Technik nicht gänzlich verhindern. Und auch die Video-Aufzeichnungen während eines Spiels können nur in seltenen Fällen zweifelsfrei belegen, wer die Pyros im Block tatsächlich gezündet hat. Unter den Ultras gilt ohnehin das ungeschriebene Gesetz, dass niemand bei der Polizei oder beim Verein verpfiffen wird.
Deshalb verfolgt Hoffmann einen anderen Ansatz: Er will in Zusammenarbeit mit den Fan-Gruppen, dem DFB und dem Ligaverband DFL ein Konzept auf die Beine stellen, um das kontrollierte Abbrennen von Pyrotechnik möglich zu machen. Bevorzugt sogenannte „kalte Pyro“, die nur etwa 200 statt 2000 Grad Celsius heiß wird und in Dänemark bereits zur Anwendung kommt.
Einen ersten Versuch beim HSV gab es bereits Anfang des Jahres. Mit Zustimmung der Feuerwehr und der Hamburger Innenbehörde hat der Club den Einsatz von Pyro unter kontrollierten Bedingungen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit getestet. Die Verantwortlichen hatten sich auch schon vom DFB und der DFL die notwendigen Genehmigungen geholt, um Pyro während eines Spieltages einzusetzen, wegen der sportlichen Entwicklung allerdings davon abgesehen. Ende Februar 2020 wollte der HSV einen zweiten Anlauf starten, stößt damit aber nun auf Granit beim Verband.
Der hat gerade andere Sorgen: Kürzlich stimmten 32 von 34 Klubs bei der DFL-Vollversammlung gegen die solidarische Aufteilung von zusätzlichen Polizeikosten bei Hochrisikospielen, die das Bundesland Bremen der DFL in Rechnung stellt. Die Gemeinschaft der Profiklubs will sich daran aber nicht beteiligen. Werder Bremen soll die Kosten alleine tragen, hat aber schon angekündigt, das nicht zu tun. Eine zusätzliche öffentliche Debatte zum Thema Pyrotechnik käme im Moment ungelegen.
Aber nicht nur bei der DFL und beim DFB stehen Hoffmann und dem HSV zähe Gespräche bevor. In den eigenen Reihen stößt die Idee ebenfalls nicht überall auf Zustimmung. Auf der Jahreshauptversammlung im Januar wollen einige Mitglieder Hoffmanns Vorhaben zur Diskussion stellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste