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Feuersbrunst in AustralienVögel fallen vom Himmel

Die Buschfeuerkrise hält an. In der Bevölkerung wächst der Unmut über die Klimapolitik der Regierung unter Premierminister Scott Morrison.

Ein Opfer der Brandkatastrophe: toter Papagei am Strand von Mallacoota Foto: Louis Boyle-Bryant

Sydney taz | Die Hitze der Feuerwalze war so intensiv, dass die Aluminiumfelgen der Autos in die versengte Erde schmolzen, wie Quecksilber aus einem zerbrochenen Fieberthermometer. Cobargo am Mittwoch, eine kleine Siedlung im bewaldeten Hinterland der Südküste des Bundesstaates New South Wales, südlich von Sydney. Die Ruinen abgebrannter Häuser stehen im orangen Licht der vom Rauch verdunkelten Sonne. Ausgeglühte Fahrzeuge, in denen sich die Windschutzscheibe in den Flammen verflüssigt hat und das Steuerrad bedecken, wie Zuckerguss einen verbrannten Geburtstagskuchen.

Und dann die Menschen. Traumatisiert, fassungslos. Wie Gespenster wandeln sie zwischen den Ruinen ihrer Existenz und suchen nach Erinnerungen. Manchmal ist es nur eine Tasse, die sie finden, oder ein Teelöffel. Wie Barbara und Dave Rugendyke. Zehn Jahre lang hätten sie hier gelebt, erzählen sie den Journalisten, als Pensionierte. Sie bauten sich ihr Paradies, ihr stilles Glück. Ein Haus, ein paar Nebengebäude. Sogar ein Baumhaus für die Kinder, und natürlich eine Werkstatt für Dave. Am Neujahrstag wurde alles zu Asche.

Die Rugendykes sind nur zwei von Tausenden von Menschen, die über die Silvestertage alles verloren haben, was sie hatten, was sie sich ein Leben lang aufgebaut hatten. Brände, die sich von New South Wales in die Ferienregion Gippsland in Victoria bis nach Südaustralien und sogar der Insel Tasmanien ziehen, haben Zerstörungen angerichtet, deren Ausmaß bisher noch nicht einmal abzuschätzen ist. Die Zahl der Toten stieg inzwischen auf 17, und mehrere Menschen werden noch vermisst.

Die Region um Cobargo gleicht mehr der Kulisse eines Katastrophenfilms als dem Traumferienort für tausende von Bewohnern Sydneys, die über Weihnachten und Neujahr die ländliche Stille suchen und das Meer. Die Telefonverbindungen waren am Mittwochabend weiterhin unterbrochen, Stromausfälle und ein Mangel an Treibstoff an den Tankstellen wurden zur Geduldsprobe für Tausende. An einigen Orten bildeten die Wohnwagen und Zelte gestrandeter Touristen Ad-Hock-Siedlungen. Im von Rauch und Ruß verschmutzten Licht erinnerten sie an Flüchtlingslager in der afrikanischen Wüste.

Ein Ende ist nicht in Sicht

In Mallacoota, einem kleinen Ort im Nordosten des Bundesstaates Victoria hatten sich am Silvestertag rund 4.000 Menschen vor den näherrückenden Flammen an den Strand gerettet. Der Rauch von den Bränden verdunkelte am Dienstag den Himmel über dem Ort, Asche regnete herab. Die Feuerbrunst und der Rauch waren so gewaltig, dass sogar Vögel tot vom Himmel fielen.

Der für das Transportwesen in New South Wales zuständige Minister, Andrew Constance, der selbst im Gebiet wohnt und sein Haus gegen die Flammen verteidigen musste, strahlte wenig Optimismus aus, was die kommenden Tage angeht. „Wir sind noch immer in der Mitte dieses Notfalls“, meinte er am Mittwoch. Nachdem wichtige Straßen wieder befahren werden konnten, rief er Touristen auf, sich sofort auf den Heimweg zu machen. „Verschwinden Sie von hier, noch vor dem Wochenende“.

Dieselbe Warnung gilt für die Region Gippsland in Victoria und das Gebiet südöstlich von Melbourne. Am Dienstag mussten gegen 4.000 Menschen an den Strand fliehen, um der von hohen Temperaturen und starken Winden angetriebenen Feuerwalze zu entkommen. Nichts, so das Wetteramt, deute darauf hin, dass sich die Katastrophen der letzten Tage nicht bald wiederholen könnten.

Nach einer leichten Abkühlung am Neujahrstag sollen die Extremtemperaturen der letzten Tage wieder zurückkehren – bis zu 42 Grad an einzelnen Orten, so die Prognostiker. Dazu drohten erneut starke, orkanartige Winde. Sie wirken wie ein gigantischer Blasebalg für die Flammen.

Am Mittwochabend Ortszeit brannten alleine im Bundesstaat New South Wales noch 131 Feuer. Ihre Ausdehnung und Intensität lassen die Kritik an der Regierung von Premierminister Scott Morrison immer lauter werden. Selbst in konservativen Medien zeigt sich in den Leserbriefspalten der Unmut. „Leben denn diese Leute [Politiker] auf einem anderen Planeten?“, fragt die 34jährige Sophie, „sehen die denn nicht, dass wir endlich etwas gegen die Grundursache tun müssen: Klimawandel“.

Die Frau ist typisch für eine wachsende Zahl von Bürgern, die vor der jüngsten Feuersaison dem Thema gegenüber noch uninteressiert gegenüberstanden, oder sogar skeptisch. Wissenschaftler warnen seit Jahren vor einer Intensivierung und Häufigkeit der Feuersbrünste. Die Durchschnittstemperatur in Australien ist seit 1910 um ein Grad Celsius gestiegen. Diese höheren Temperaturen seien wesentlich dafür verantwortlich, dass die Vegetation trockener ist als in früheren Jahren, so Experten. Dadurch würden die Feuer aggressiver und schwieriger zu bekämpfen, meint der ehemalige Feuerwehrkommandant Greg Mullins.

Morrison aber weigert sich seit Jahren, den Zusammenhang zwischen der Erderwärmung und Bränden als bedeutungsvoll anzuerkennen. Stattdessen konzentrierte sich der frühere Marketing-Manager auch in seiner Neujahrsansprache auf patriotische Plattitüden. „Eine Sache, die wir in Australien immer feiern können, ist, dass wir im fantastischsten Land der Welt leben und der wunderbare „Aussie-Geist“, der bedeutet, dass wir immer alle Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, meistern, dass wir immer optimistisch in unsere Zukunft blicken.“

Die Klimaziele Australiens sind im internationalen Vergleich bescheiden: das Land will die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 nur um 26 Prozent reduzieren. Gemäß der unabhängigen Wissenschaftswebseite „Climate Action Tracker“ sei dies „unzureichend“ und nicht mit dem Pariser Ziel vereinbar, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten. Australien wurde auch in der jährlichen Analyse des „Climate Change Policy Index“ der 57 weltweit größten Emissionsnationen konsequent nach unten platziert. In der jüngsten Analyse wurde Australien als das sechstschlechteste Land in Bezug auf den Klimawandel insgesamt eingestuft.

Am Strand von Mallacoota Foto: Louis Boyle-Bryant

Kritiker sehen in der engen Verflechtung zwischen der einflussreichen Kohleindustrie und den führenden politischen Parteien den Grund für die Standhaftigkeit der konservativen Regierung, selbst während der Brandkatastrophe an ihrem Standpunkt festzuhalten. Mehrere der einflussreichsten Mitglieder des Regierungskabinetts bezeichnen sich selbst als „Klimaskeptiker“.

Als Reaktion auf die wachsende Kritik aus der Bevölkerung holte die Regierung in den letzten Tagen zu einer propagandistischen Gegenoffensive aus. Australien – pro Kopf einer der größten Verursacher von Klimagasen auf dem Globus – würde „genügend“ zum Klimaschutz beitragen, schrieb Energieminister Angus Taylor in der regierungsnahen Zeitung The Australian. Die Bürger hätten allen Grund, „stolz“ zu sein. Der Politiker wiederholte Behauptungen, die von Experten schon länger relativiert oder als halb wahr enttarnt worden waren.

Frank Jotzo, Direktor des Zentrums für Klima- und Energiepolitik an der australischen Nationaluniversität, reagierte in der Zeitung The Guardian höflich vernichtend. „Ich würde [Taylors Artikel] als eine selektive Verwendung von Statistiken charakterisieren, die Australiens Emissionskurs gut aussehen lassen, während er in Wirklichkeit überhaupt nicht gut aussieht.“, so der führende Klimapolitikexperte Australiens.

So behauptet Taylor etwa, Australien sei „nur für 1,3 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich, so dass wir ohne die Zusammenarbeit mit den größten Emittenten wie China und den USA nicht im Alleingang einen sinnvollen Einfluss ausüben können“. Diese Zahl nimmt nicht Rücksicht auf die Tatsache, dass das Land ein global führender Exporteur von Kohle ist. Wenn dieser Brennstoff und exportiertes Gas berücksichtigt würden, so eine Analyse, wäre Australien für fast fünf Prozent des globalen Kohlenstoff-Fußabdrucks aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe verantwortlich.

Am Strand von Mallacoota Foto: Louis Boyle-Bryant

Der Melbourner Sozialwissenschaftler Binoy Kampmark schreibt dazu am Mittwoch: „Die Behauptung der Regierung, dass Australien nicht dafür verantwortlich gemacht werden könne, was andere mit der von ihr zur Verfügung gestellten ‚Beute der Erde‘ tun, ist die eines Waffenexporteurs mit einem amoralischen Kompass und einem Sinn für das Selektive“. Taylor hatte sich bei der jüngsten Klimakonferenz in Madrid gemeinsam mit den Vertretern von Saudi-Arabien und Brasilien aktiv gegen wirksame globale Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung eingesetzt.

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