Festnahme von Julian Assange: Das Netz hat sich zugezogen
Julian Assange bleibt mindestens eine Woche in Haft. Der US-Verteidigungsminister Robert Gates nannte die Festnahme eine "gute Nachricht".
Nun hat sich das Netz um Julian Assange zugezogen: Der Kopf der Enthüllungsplattform Wikileaks wurde am Dienstagmorgen von der britischen Polizei verhaftet, als er zu einem vereinbarten Treffen auf einer Londoner Polizeistation erschien. Und schon wenige Stunden später wurde er einem Richter im Londoner Stadtteil Westminster vorgeführt. Dort soll über eine mögliche Auslieferung nach Schweden entschieden werden, wo dem 39-jährigen australischen Hacker ein sexuelles Vergehen vorgeworfen wird.
Assange erklärte dem Richter, dass er seine Auslieferung von Großbritannien nach Schweden anfechte. Sein Antrag, auf Kaution freigelassen zu werden, wurde vom Untersuchungsrichter jedoch abgelehnt. Das Magistratsgericht ordnete am Nachmittag an, dass er mindestens bis zur nächsten Anhörung am 14. Dezember in Polizeigewahrsam bleiben müsse.
Der Wikileaks-Mitgründer Assange weist alle Vorwürfe zurück und vermutet hinter dem Haftbefehl eine Kampagne der US-Regierung. Deren Zorn hatten er und seine Plattform auf sich gezogen, nachdem sie vor acht Tagen geheime US-Diplomatendepeschen veröffentlicht hatten. Entsprechend erfreut reagierte die US-amerikanische Regierung auf die Festnahme von Assange. Das klinge "nach einer guten Nachricht", sagte US-Verteidigungsminister Robert Gates am Rande eines Truppenbesuchs in Afghanistan.
Die Verhaftung von Assange erfolgte nach Angaben von Scotland Yard "gemäß einem europäischen Haftbefehl". Ausgestellt wird so ein Dokument von einem EU-Land, wenn die Festnahme und Übergabe des Gesuchten durch ein anderes Land erfolgen soll. Die schwedische Anklagebehörde hatte ihren am Freitag letzter Woche ergänzten Haftbefehl direkt nach London übermittelt. Es ist insoweit auch eine Zusammenarbeit über das Schengen-Informationssystem oder Interpol möglich.
Binnen 60 Tagen muss die vollstreckende britische Behörde nun eine endgültige Entscheidung über die Vollstreckung des Haftbefehls treffen. Assanges schwedischer Anwalt Björn Hurtig geht aufgrund der bisherigen Praxis der britischen Justiz bezüglich schwedischer Haftbefehle davon aus, dass Assanges Überstellung nach Schweden erfolgen wird. Bis dahin könne aber ein Monat vergehen.
Die Göteborger Staatsanwältin Marianne Ny sagte am Dienstag, wenn Assange mit der Auslieferung einverstanden sei, könne sie ihn binnen zehn Tagen auf schwedischem Boden verhören. Assanges britische Anwälte kündigten jedoch an, alle Versuche einer Auslieferung von Assange zu bekämpfen. Ob und wie es im Falle einer Auslieferung nach Schweden mit einem weiteren Auslieferungsantrag aus den USA weitergehen könnte, ist offenbar auch für Schwedens Justiz noch ein Rätsel. "Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit", sagte Ny der dpa.
Wikileaks kündigte nach Assanges Verhaftung auf Twitter an, wie auch in den vergangenen Tagen weitere US-Depeschen zu veröffentlichen. Dort hieß es: "Die heutige Aktion gegen unseren Chefredakteur Julian Assange wird keine Auswirkung auf unser Vorgehen haben." Der Sprecher von Wikileaks, Kristinn Hrafnsson, sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag, Assanges Verhaftung sei ein Angriff auf die Medienfreiheit, würde die Veröffentlichungen der Plattform aber nicht stoppen.
Nach der Veröffentlichung der US-Depeschen war auch Wikileaks an allen Fronten unter Druck geraten: Ihre Internetseiten sind massiven Cyberangriffen ausgesetzt. Und auch finanzielle Probleme drohen der spendenfinanzierten Plattform: Nachdem der Onlinebezahl-Dienst Paypal am Samstag ein Wikileaks-Spendenkonto gesperrt hatte, sollen Medienberichten zufolge nun auch Zahlungen per Visa und Mastercard nicht mehr möglich sein.
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