Vergewaltigungsvorwurf gegen Assange: Nein heißt Nein

Der Vergewaltigungsvorwurf gegen Wikileaks-Mann Julian Assange ist juristisch nicht abwegig. Und nein, ein geplatztes Kondom gilt auch in Schweden nicht als Vergewaltigung.

Julian Assange soll keine Kondome mögen. Andere Menschen mögen keinen Sex ohne. Bild: froschperspektive / photocase.com

Ein bekannter Mann wird der Vergewaltigung beschuldigt, bestreitet die Tat und wirft seinerseits den mutmaßlichen Opfern vor, die Anschuldigung erfunden zu haben. Die Konstellation im Fall Julian Assange erinnert spontan an den Prozess des Wettermoderators Jörg Kachelmann. In beiden Fällen steht Aussage gegen Aussage, und die Öffentlichkeit ist unsicher, wem sie glauben soll.

Doch während das öffentliche Interesse an der Causa Kachelmann vor allem aus Voyeurismus und Sensationslust gespeist ist, hat das Verfahren gegen Assange eine enorme politische Dimension. Es ist ja kein Zufall, dass schon seit Wochen Vorwürfe kursieren, die CIA stecke hinter den Anschuldigungen. Wenn just in dem Moment Vergewaltigungsvorwürfe auftauchen, in dem Assanges Projekt Wikileaks die USA immer wieder neu bloßstellt, ist die Frage nach einem Komplott naheliegend.

Peinlich sind jedoch die Versuche, das mögliche Geschehen von vornherein zu verharmlosen. Viele Blogger machen sich jetzt über die schwedische Rechtslage lustig und finden es abwegig, dass in Schweden angeblich ungeschützter Geschlechtsverkehr oder das Platzen eines Kondoms als Vergewaltigung gewertet werde. Das ist natürlich Unsinn. Solche Paragrafen gibt es nicht. Eine Vergewaltigung ist auch in Schweden der mit Gewalt oder Drohung erzwungene Geschlechtsverkehr.

Es kommt also auch in Schweden darauf an, dass sich der Mann über die erkennbare Ablehnung der Frau hinwegsetzt und diese zum Sex zwingt. Auf das Motiv der Frau für ihre Ablehnung kommt es dabei nicht an. Ob sie den Mann nicht mag, zu müde ist oder sich mit dem Partner nicht über die Verwendung von Kondomen einigen kann, immer gilt: "No means No". Wenn ein Kondom platzt, wie es angeblich bei Assange passiert ist, ist das natürlich noch kein strafrechtliches Delikt. Wenn der Mann die Frau dann aber gegen ihren erkennbaren Willen zwingt, den Sex ungeschützt fortzusetzen, dann ist das sehr wohl eine Vergewaltigung. Das deutsche und das schwedische Recht unterscheiden sich da nur in Nuancen.

Auf einem anderen Blatt steht, ob die Anschuldigungen auch der Wahrheit entsprechen. Dabei ist weniger an eine CIA-Verschwörung als einen privaten Racheakt zu denken. Die beiden Frauen, die Assange anschuldigen, sind wohl kaum Agentinnen, sondern haben eine authentische Geschichte in der schwedischen Linken. Sie waren politische Fans von Assange, auch persönlich von ihm fasziniert. Selbst nach den angeblichen Vorfällen zeigten sie sich noch freundschaftlich mit Assange. Anna A. soll zunächst auch noch stolze Twitter-Nachrichten veröffentlicht und erst später wieder gelöscht haben. Ein CIA-Konstrukt würde wohl anders aussehen.

Plausibler ist die Annahme, dass die Frauen sauer wurden, als sie feststellten, dass Assange mit beiden geschlafen hatte. Nach unbestätigten Medienberichten beklagte sich die eine Frau bei der anderen, weil sich Assange nicht mehr bei ihr meldete.

Doch auch dann könnte strafrechtlich eine Vergewaltigung vorliegen, wenn Assange eine Frau tatsächlich zum ungeschützten Sex zwang. Dass sie ihm das in einer möglichen ersten Verliebtheit verziehen hat, schließt nicht aus, dass sie Assanges Verhalten wenige Tage später realistisch einschätzte. Da Assange aber jedenfalls nicht gewalttätig wurde, sondern "nur" ungerührt den Geschlechtsverkehr fortgesetzt haben soll, könnte ein minder schwerer Fall der Vergewaltigung vorliegen.

So lautet nach einer Meldung von Zeit.de inzwischen auch der zentrale Vorwurf. Die anderen genannten Delikte – sexuelle Belästigung und Nötigung – fallen gegenüber einer Vergewaltigung weniger ins Gewicht. Es kommt also ganz auf die Aufklärung des Sachverhalts an. Bis dahin gilt für Assange zwar die Unschuldsvermutung, die bei einem ernsten Tatverdacht und Fluchtgefahr aber auch eine U-Haft nicht ausschließt.

Ungewöhnlich erscheint aber das Engagement, mit dem Assange jetzt in England aufgestöbert wurde, nachdem man ihn zunächst ohne Vernehmung aus Schweden ausreisen ließ. Dies könnte nun wirklich etwas mit dem jüngsten Coup von Wikileaks zu tun haben.

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