Festival Meakusma in Eupen: Wo Bassboxen die Stars sind
Um froh zu sein, bedarf es wenig mehr als des Wummerns eines Soundsystems. Eindrücke vom Musikfestival Meakusma im belgischen Eupen.
Wie üblich werden sie beim Meakusma hochdivers angesteuert: Neben dem historischen Überblick des Berliner Dub-DJs Arthur spielt unter anderem der Brite Elijah Minelli einen sehr eigenwilligen Mix aus Dub und Volksmusiken. Später am Abend holt der Brüsseler DJ Le Motel wiederum Sounds aus der Anlage, die dem sogenannten Psy-Trance nahekommen.
Ausgangspunkt für diese umsichtige Programmierung ist die vehemente Behauptung des Meakusma Festivals, dass Musik etliche Formen bilden kann – und jede von ihnen ihre eigene Bedeutung annimmt. Mit dieser Bestimmtheit organisiert man ein Festival, dass für viele Jünger*innen randständiger und experimenteller Musiken zum fixen Termin im Kalender geworden ist.
Um auf dieses Level zu kommen, brauchte Meakusma je nach Zählweise 20 beziehungsweise 8 Jahre. 2004 gründete sich eine Graswurzelbewegung, ins Leben gerufen von Musiknerds, die im deutschsprachigen Landesteil Belgiens etwas auf die Beine stellen wollten. Auf erste Konzerte folgte ein Plattenlabel – und schließlich kam vor acht Jahren dann das Festival hinzu.
Verwandte Musiken
Dub ist wohlgemerkt nur eine von vielen Klangsignaturen, und nicht alle Veranstaltungen finden auf dem weiträumigen Gelände des Alten Schlachthofs statt. Das Festival wächst allmählich in die Kleinstadt hinein. Zum Beispiel in eine große Mall, dem Eupen Plaza, die schon seit Jahren leer steht. Der in Brüssel lebende Franzose Maxime Denuc und der Bühnenbildner Kris Verdonck installierten in einer im Rohbau befindlichen Halle im Inneren des Einkaufszentrums eine Klangskulptur.
Maxime Denuc lotet seit einiger Zeit die Verwandtschaft von Barockmusik des 16. Jahrhunderts mit dem zeitgenössischem Trance aus. In der Mall darf dann eine selbst gebaute Orgel in dem spärlich beleuchteten Raum leicht leiernde Klänge von sich geben, die durchaus an große Raves und ihre Sirenen erinnern – und für eine erstaunlich berührende Stimmung sorgt.
Von hier aus geht es einen Hügel hinauf zur Galerie Vorn und Oben, wo das Experimental-Label Dispari gastiert. Die Konzertinstallation der Schweizer Künstlerin Angela Anzi ist später das Bühnenbild für die Hamburger Künstlerin Tintin Patrone und ihr effektgeladenes Posaunenkonzert. Wieder am Schlachthof steht das internationale Publikum für die Münchner Diskurspopband F.S.K. an.
Die theoriegeladenen deutschsprachigen Texte aus der Feder von Thomas Meinecke sorgen bei Engländer*innen und Französ*innen zwar für Fragezeichen, der rumpelnde New-Wave- und Disco-Beat, der die meisten Stücke antreibt, steht aber im Mittelpunkt. Meinecke sagt: „It’s all about the music!“, aber hebt auch mal an, um auf Englisch über Theodor W. Adornos Lieblingsort Amorbach zu sprechen.
Geschult am Dilettantismus
Die Spielhaltung von F.S.K., die auch mal Fehler umarmt, ist geschult am Dilettantismus der frühen Achtziger und dürfte inzwischen eine Seltenheit sein. Viele der jüngeren Kolleg*innen klingen perfekter: Zahlreiche Sets – von Konzert wagt man kaum noch zu sprechen – kommen aus der Maschine. Die Ausdrucksweisen sind so mannigfaltig, wie es bei über 120 Auftretenden eben normal ist.
Das stetig gewachsene Festival-Programm führt derweil auch zu Zwickmühlen: Möchte man lieber bei landestypischen Pommes frites mit scharfem Senf Kraft tanken oder einfach noch eine künstlerische Darbietung anschauen? Wem kann man erzählen, wie abgebrüht die Amsterdamer Gruppe Devon Rexi Brücken schlägt zwischen Dub, Post-Punk à la ESG und heutiger Community-Radio-Kultur?
Oder darüber, wie herzerwärmend familiär das Live-Set des britischen Elektronikproduzenten Dan Nicholls wirkt, der am Samstagnachmittag seine Synthie-Sounds gluckern lässt, während seine kleine Tochter spontan Musik Zeichnungen auf einem Block anfertigt.
Genau dies macht den Charme des Meakusma Festivals doch aus: Jene, die von Programmpunkt zu Programmpunkt im Laufschritt wollen, können das machen. Andere chillen den ganzen Tag über am Soundsystem des 54Kolativ.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“