Festgenommene „Sächsische Separatisten“: Höcke posierte für Fotos mit mutmaßlichen Rechtsterroristen
Ein Foto zeigt Björn Höcke (AfD) mit mehreren der mutmaßlichen Rechtsterroristen „Sächsische Separatisten“. Sie hatten auch Verbindungen zum III. Weg.
Dass einige der Festgenommenen Mitglieder der AfD waren, war bereits bekannt: Drei von ihnen waren lokale Funktionsträger. Die AfD hat nach Bekanntwerden der Vorwürfe beschlossen, die drei Männer aus der Partei auszuschließen.
Die Fotos, die der taz nun vorliegen, zeigen, dass noch mehr der Festgenommenen Verbindungen zur AfD und deren Jugendorganisation „Junge Alternative“ hatten. Der taz liegen zudem Belege für weitere Verbindungen zur militanten Neonazi-Szene vor, darunter zur rechtsextremen Kleinpartei III.Weg und zu den Jungen Nationalisten (JN), der Nachwuchsorganisation der ehemaligen NPD.
Die Fotos der vier Rechtsterroristen mit Björn Höcke entstanden am 21. Mai 2022 in Grimma. Der Generalbundesanwalt geht davon aus, dass die Vereinigung „Sächsische Separatisten“ etwa eineinhalb Jahre zuvor, im November 2020, gegründet wurde. Die taz konnte mit dem freien Fotografen sprechen, der die Bilder aufnahm. Er tritt in den sozialen Medien unter dem Pseudonym „Vue Critique“ auf, sein Name ist der Redaktion bekannt. Demnach hatte die AfD anlässlich der Landratswahl ein Fest auf dem Marktplatz organisiert. Bis zu 150 Gäste hätten die Bierbänke gut gefüllt.
Beschuldigte posierten 2022 mit Höcke für Gruppenfoto
Höcke war damals der Hauptredner. Laut dem Fotografen gab es tosenden Applaus für seine Rede. Im Anschluss hätte sich eine Gruppe der „Jungen Alternative Sachsen“ (JA) für Fotos um ihn geschart. Auf einem der Bilder posieren über ein Dutzend junger Leute hinter einem Banner der JA Sachsen – mit Höcke mittendrin.
Fünf Männer aus der Gruppe um Höcke wurden am Dienstag dieser Woche wegen des Verdachts auf Rechtsterrorismus festgenommen: Auf dem Foto ist in der ersten Reihe der AfD-Lokalpoltiker Kurt Hättasch zu erkennen, hinter Höcke stehen Karl K., die Brüder Jörn und Jörg S., am rechten Rand des Bildes Hans-Georg Pförtsch.
Auf Anfrage der taz erklärt Höckes Büroleiter Robert Teske: „Björn Höcke kennt weder die entsprechenden Personen, noch steht er in irgendeiner Beziehung zu Ihnen.“
Bei der Festnahme fielen Schüsse
Die Polizei hatte am Dienstag bei einer Razzia gegen die mutmaßlichen Rechtsterroristen der „Säschische Separatisten“ Objekte in Deutschland, Polen und Österreich durchsucht. Bei der Festnahme von Hättasch fielen Schüsse, wie der taz aus Sicherheitskreisen bestätigt wurde. Demnach soll Hättasch eine Waffe gezogen haben, Polizisten hätten Warnschüsse abgegeben. Hättasch soll von einem Projektil am Kiefer verletzt worden sein und musste im Krankenhaus behandelt werden. Aus welcher Waffe die Kugel stammte, war bis Redaktionsschluss unklar.
Gegen sieben der acht Festgenommenen wurden mittlerweile Haftbefehle erlassen. Jörg S., der im polnischen Zgorzelec festenommen wurde, soll nach Deutschland ausgeliefert werden.
Den Sächsischen Separatisten wird vorgeworfen, sich militant auf einen von ihnen erwartete Kollaps der Gesellschaft, den Tag X, vorbereitet zu haben. Sie wollten danach ein Gesellschaftswesen nach nationalsozialistischen Vorbild durchsetzen und hätten „ethnische Säuberungen“ geplant. Die Rechtsterroristen sollen unter anderem für den Häuserkampf trainiert haben. Laut Spiegel wurden bei den Razzien mehrere unregistrierte scharfe Waffen und Munition, Schalldämpfer und Einzelteile von Kriegswaffen gefunden.
Mutmaßliche Rechtsterroristen in Uniformen des III. Weg
Nach Informationen der taz bestehen bei den Verdächtigen auch weitere Verbindungen in die militante rechtsextreme Szene. Fotos zeigen die Festgenommenen Norman T. und Hans-Georg Pförtsch gemeinsam auf einer Demonstration der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ 2019 in Plauen, ausgestattet mit T-Shirts der Partei.
Karl K. nahm 2020 am rechtsextremen Trauermarsch im Februar in Dresden teil. Ein Teil seiner Reisegruppe wurde auf der Rückreise von der später wegen gewaltsamer Übergriffe auf Neonazis verurteilten Gruppe um die Antifaschistin Lina E. angriffen. Beim Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden sagte K. laut Prozessbeobachter aus, er sei mit einem sächsischen Kader der „Jungen Nationalisten“ zum Trauermarsch gereist.
Der Dresdner Pförtsch war nach Recherchen der taz seit Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv und der Polizei bekannt. Er stand mehrfach in Leipzig vor Gericht. Im Herbst 2020 und 2021 in einem Verfahren wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, im April 2022 wegen Volksverhetzung. Beim ersten Verfahren wurde er freigesprochen, das zweite wurde eingestellt.
Zudem war er neben seinem früheren Engagement für die AfD im Leipziger Stadtbezirksrat Ost und seiner Teilnahme an dem Aufmarsch des III. Wegs auch bei diversen weiteren rechten Veranstaltungen dabei. Fotos, die der taz vorliegen, zeigen ihn ab 2015 auf rechtsextremen Demos in Leipzig, Chemnitz und Landkreis Zwickau, etwa beim „Tag der deutschen Zukunft“ und auf Demos von „Legida“, sowie auf Veranstaltungen des „Compact Magazins“, des „Institut für Staatspolitik“ und der „Identitären Bewegung“.
Zudem hatte er anscheinend auch internationale Kontakte – darunter mindestens zu einer weiteren terroristischen Organisation: Ein Foto von 2018 zeigt Pförtsch als Teil einer Abordnung des III. Wegs vor dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal gemeinsam mit Mitgliedern des schwedischen „Nordic Resistance Movement“, die das US-Außenministerium im Juni 2024 als Terrorgruppe einstufte.
Zwei der Festgenommenen bei Sonnenwendfeier in Strahwalde
Ende Juni hatte Hättasch an einer Sonnenwendfeier in Strahwalde teilgenommn, über die die taz berichtet hatte. Dort hatten sich AfD-Politiker und Mitglieder der Jungen Alternative mit teils militanten Neonazis getroffen und den Nationalsozialismus verherrlicht: Es wurden Lieder der Hitlerjugend gesungen und ein SS-Standartenführer geehrt.
Hättasch saß bislang im Vorstand des AfD-Kreisverbands im Landkreis Leipzig und wurde 2024 in den Stadtrat von Grimma gewählt. Erst Ende Oktober war er zum Schatzmeister der Jungen Alternative Sachsen gewählt worden. Zudem soll er für den sächsischen AfD-Landtagsabgeordneten Alexander Wiesner gearbeitet haben. Er war für die taz nicht zu erreichen.
Nach taz Recherchen war zudem mit Kevin R. auch ein weiterer der Festgenommenen bei der Sonnenwendfeier in Strahwalde anwesend. Kevin R. saß seit August 2024 für die AfD als stellvertretendes Mitglied sowohl im Sozialausschusses als auch im Beirat für Kultur, Jugend und Sport der Stadt Grimma.
Jörn S. war im Februar 2024 mutmaßlich anlässlich des „Tag der Ehre“ in Budapest, der seit Jahren als europaweites Vernetzungstreffen der rechtsextremen Szene fungiert. Das Hauptevent ist dabei eine Wanderung, die aus der Stadt hinaus führt, wobei viele der Teilnehmenden sich in Militäruniformen mit faschistischen Abzeichen schmücken und von der Budapester Burg bis zu 60 Kilometer weit durch die Budaer Berge marschieren. Jörn S. taucht 2024 auf einer Lister der Teilnehmenden der Wanderung auf.
Mitarbeit: Nils Lenthe
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