Fernzüge der Bahn: Doch dann ist es zu spät
Seit über 20 Jahren war die Bahn nicht mehr so unpünktlich wie 2024. Ein Drittel aller Halte erreichten IC und ICE verspätet. Andere Züge machen es besser.
Der Konzern stellte auf Anfrage Zahlen bis zurück ins Jahr 2003 zur Verfügung. Bislang lag der Pünktlichkeits-Tiefstwert demnach bei 64 Prozent im Jahr 2023 nach 65,2 Prozent im Jahr zuvor. Jetzt sind es also noch weniger. Der Bestwert waren 84,3 Prozent im Jahr 2004.
„80 Prozent aller Verspätungen im Fernverkehr sind auf die veraltete und störanfällige sowie überlastete Infrastruktur zurückzuführen“, sagte der Sprecher.
Bessere Regios?
Ein Halt wird laut Definition pünktlich erreicht, wenn der Zug weniger als 6 Minuten Verspätung hat. Im Regionalverkehr war das bei 90,3 Prozent der Züge der Fall – im Vergleich zu 91,0 Prozent im Jahr 2023. Im Jahr 2020 wurden noch 95,6 Prozent der Halte im Regionalverkehr und 81,8 Prozent im Fernverkehr rechtzeitig angefahren
Zugleich wies der Sprecher auf das aktuelle Sanierungsprogramm der Bahn hin. Bis 2030 will der Konzern 41 vielbefahrene Korridore grundlegend sanieren. Den Anfang machte die Bahn 2024 mit dem Abschnitt zwischen Frankfurt und Mannheim – der sogenannten Riedbahn. Die Generalsanierungen sollen auch für pünktlichere Züge sorgen. „Bis Ende 2027 will die DB die Pünktlichkeit der ICE- und IC-Züge auf 75 bis 80 Prozent steigern“, sagte der Sprecher.
Bahn-Manager dämpft Erwartung an schnelle Besserung
Die Hoffnung der Fahrgäste auf eine schnelle und breite Wirkung der Riedbahn-Sanierung im Fernverkehr hatte der zuständige Manager der Deutschen Bahn, Philipp Nagl, zuletzt jedoch gedämpft. Der Effekt auf den Nahverkehr werde zwar merklich sein. Mit Blick auf die Fernverkehrszüge und die 10.000 Schienenkilometer, die sie befahren, sagte er jedoch: „Da werden die 70 Kilometer natürlich jetzt nicht die Welt verändern. Aber sie sorgen für eine gute Portion Stabilität im System.“
Die Deutsche Bahn habe 2024 knapp 17 Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bahn-Infrastrukturgesellschaft InfraGo. Das sei so viel wie seit Jahren nicht. „Wenn wir jetzt die nächsten zwei, drei Jahre auf diesem Niveau weiter investieren, dann wird man im ganzen Netz in der Breite spüren, dass die Störanfälligkeit der Infrastruktur sinkt und die Qualität des Zugverkehrs zunimmt.“
Zumindest über die Weihnachtsfeiertage lief der Bahnverkehr dem Unternehmen zufolge weitgehend stabil, reibungslos – und überraschend pünktlich. Am 24. und 25. Dezember lag die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr früheren DB-Angaben zufolge bei mehr als 80 Prozent. Die Züge waren also deutlich pünktlicher als im Jahresmittel.
Bahn musste Entschädigungen in dreistelliger Millionenhöhe zahlen
Grund dafür dürfte vor allem das geringere Baugeschehen während der Feiertage sowie weniger Güterverkehr gewesen sein, mit dem sich die Fernzüge die Gleise teilen. Zudem konnte die Bahn aufgrund neuer Züge in diesem Jahr ihr Sitzplatzangebot im Fernverkehr ausbauen.
Die ständigen Verspätungen im Fernverkehr gehen vielen Kundinnen und Kunden nicht nur auf die Nerven, sondern kosten der Deutschen Bahn auch viel Geld. Bahn-Chef Richard Lutz sagte dem „Tagesspiegel“ kürzlich, für Entschädigungen an Fahrgäste werde 2024 „ein deutlich dreistelliger Millionenbetrag“ fällig.
Während der EM spottete man im Ausland zum Teil über die DB
Besonders unpünktlich war die DB im Juni. In dem Monat war fast jeder zweite Zug verspätet. Die Pünktlichkeitsquote lag bei 52,9 Prozent.
Weil in diesem Monat auch die Fußball-Europameisterschaft begann, wurde die Deutsche Bahn im Ausland zum Teil zum Gespött. Die Unzuverlässigkeit der Bahn bekamen sowohl Fans als auch Teams zu spüren.
Die niederländische Mannschaft etwa musste wegen einer mehr als zweistündigen Verspätung kurzfristig statt mit dem Zug per Flieger zum Halbfinale reisen. Zu Beginn des Turniers strandeten zeitweise Hunderte österreichische Fans in Bayern, weil eine Baustelle anders als geplant nicht rechtzeitig fertig wurde. Turnierchef Philipp Lahm verpasste in der Gruppenphase wegen Bahn-Problemen den Anpfiff einer Partie.
Als Grund für den schwachen Auftritt im Juni nannte die Bahn, dass es gleich in mehreren Regionen zu Überflutungen, Dammschäden und Hangrutschen gekommen sei, die sich auch auf den Bahnverkehr auswirkten.
Baustellen führen zu Umleitungen und längeren Fahrten
Bevor wieder deutlich mehr Züge der Deutschen Bahn pünktlich halten, dauert es noch eine Weile. Zunächst müssen die Fahrgäste wegen der vielen Bauarbeiten Umleitungen in Kauf nehmen.
Ab August wird für die Generalsanierung die wichtige Fernverkehrsstrecke zwischen Berlin und Hamburg für neun Monate gesperrt. Die Umleitung über Uelzen (Niedersachsen) und Salzwedel (Sachsen-Anhalt) verlängert die Fahrzeit um mindestens 45 Minuten.
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