Fernsehfilm „Nackt unter Wölfen“: Kind, Kapos, Kommunisten

Zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald legt die ARD den DDR-Klassiker neu auf. Mit dem Original hat diese Version nur wenig zu tun.

Während der Dreharbeiten in der zum KZ Buchenwald umgebauten Gedenkstätte Vojna Lesetice in Tschechien. Bild: Arno Burgi/dpa

„Wie spielt man einen SS-Schergen, Herr Tambrea?“ hat die Bild-Zeitung neulich gefragt. Das Boulevardblatt bringt hier die Sorge darüber zum Ausdruck, wie Sabin Tambrea mit dieser „schweren Rolle“ klargekommen ist. Der 30-Jährige gibt im ARD-Film „Nackt unter Wölfen“ den SS-Untersturmführer Hermann Reineboth, der im KZ Buchenwald die Folter kommunistischer Häftlinge befiehlt und beaufsichtigt. Der Subtext des Interviews ist bizarr: Die Nazis waren schlimme Gesellen, sogar deutsche Jungschauspieler müssen heute irgendwie unter ihren Verbrechen leiden.

„Nackt unter Wölfen“ ist die Neuinterpretation eines Stoffs, den in der DDR jedes Schulkind kannte. 1958 veröffentlichte der Buchenwald-Überlebende Bruno Apitz den gleichnamigen Roman, fünf Jahre später kam er als Film von Frank Beyer in die Kinos. Die Geschichte, die Philipp Kadelbach (Regie) und Stefan Kolditz (Drehbuch) nun im TV-Remake erzählen, konzentriert sich auf Mitglieder einer kommunistischen Widerstandsgruppe in den letzten Tagen vor der Befreiung des Lagers. Diese jährt sich am 11. April zum 70. Mal.

Die Ereignisse werden verknüpft mit der Geschichte eines dreijährigen jüdischen Jungen, der im Frühjahr von aus Auschwitz nach Buchenwald kommt. Die kommunistischen Häftlinge, die schon lange einen Aufstand vorbereiten, nehmen das Kind in ihre Obhut und retten es damit vor dem Tod – eine Entscheidung, die erst nach heftigem Streit fällt, weil einige von ihnen befürchten, dass ihre geheimen Organisationsstrukturen aufgedeckt werden könnten, wenn die SS erführe, dass sie einen jüdischen Jungen verstecken.

Als Produzent steht Nico Hofmann hinter der Neuverfilmung, dessen Name für perfide Gegenaufklärungswerke wie „Dresden“ und „Unsere Mütter, unsere Väter“ steht. Auch bei letzterem war bereits Kadelbach als Regisseur und Kolditz fürs Drehbuch verantwortlich. Sie widmen sich in dem Film vor allem dem Wirken der kommunistischen Kapos, die in Buchenwald vielen Menschen das Leben retteten. Sie spielten zwangsläufig eine zweischneidige Rolle, weil sie mit der SS kooperieren mussten. Diese Ambivalenz kommt in der neuen Version stärker zum Ausdruck.

„Nackt unter Wölfen“ läuft am Mittwoch, 1. April 2015, um 20.15 Uhr in der ARD.

Kleine Schnittmenge

Ein weiterer Unterschied: Im Original befreien die Häftlinge sich durch einen Aufstand selbst, in der realitätsnäheren Neufassung wird der Aufstand zwar ausgerufen, aber er erweist sich als überflüssig, weil die SS angesichts der anrückenden US-Armee aus dem Lager flieht. Produzent Hofmann sagt, zwischen Original und dem neuen Drehbuch gebe es eine „Schnittmenge“ von weniger als 30 Prozent. Susanne Hantke, die 2012 eine kritischen Neuausgabe von Apitz’ Roman herausgab, betont aber, auch in der Originalversion stehe „mehr drin, als zu DDR-Zeiten wahrgenommen wurde“.

Vorab haben Folterszenen, die den realen Qualen der Häftlinge nachempfunden sind, für Diskussionen gesorgt. Es sind drastische Bilder, ungewohnt für die Prime Time. Jens Bisky hat in der Süddeutschen Zeitung diesen blutigen „Pseudo-Realismus“ kritisiert: Frank Beyer packe dank seiner subtilen Herangehensweise die Zuschauer viel stärker als Remake-Regisseur Kadelbach. Andererseits gehören diese Szenen eher zu den stärkeren des Films. Hier erleben wir die SS-Leute als die Verbrecher, die sie waren. Sonst wirken sie im Film eher wie Pappkameraden.

Für einen Hofmann-Film ist „Nackt unter Wölfen“ nicht schlecht, was aber auch heißt, dass er weit davon entfernt ist, sehenswert zu sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.