„Fensterdemo“-Reaktion auf Chemnitz: „Demokratie zurück auf die Straße“

Nach den Vorfällen in Chemnitz soll der demokratische Protest nachhaltig sein. Aktivist Bastian Buchs Idee: Deutschlandweite Transparente in den Fenstern.

Köpfe von einer Menge Demonstranten. Aus der Menge heraus ragt ein Schild mit der Aufschrift „Wir sind mehr“

Damit das Signal von Montag aus Chemnitz nicht verloren geht, hat Buch eine Fensterdemo initiiert Foto: imago/Hartenfelser

taz: Wie entstand die Idee zur Organisation einer „Fensterdemo“?

Bastian Buch: Tatsächlich ist diese Geschichte ganz unspektakulär. Ich überlegte mit einem Freund, ob wir zur #wirsindmehr-Demo nach Chemnitz fahren sollten. Da dies aus verschiedenen Gründen nur schwer zu organisieren war, entstand am Freitagnachmittag die Idee, dass wir versuchen so viele Menschen wie möglich davon zu überzeugen, in ihrer Nachbarschaft und ihren Büros Flagge zu zeigen: Die „Fensterdemo“ war geboren. Wir erstellten die Veranstaltung bei Facebook, riefen Freunde und Verwandte auf, zu teilen, haben ein paar eingängige Grafiken entworfen – und dann nahm es seinen Lauf. Wir wollten das Thema ins Lokale bringen – und mittlerweile haben sich mehr als 2.100 Leute zurückgemeldet.

Was haben Sie für die Veranstaltung organisiert und wen haben Sie ins Boot geholt?

Es haben sich einige gemeldet, die die Aktion unterstützen wollten, Privatpersonen und Organisationen. Mitinitiatoren haben auch Material für Schulen erstellt und über eine Onlineplattform für Lehrer verteilt. Wir haben unter anderem beschlossen, die Initiative „Lauter Leise e.V.“ mit ins Boot zu holen, um die Aktion auf breitere Schultern zu stellen. Wir freuen uns also darüber, wenn noch mehr Menschen, Vereine, Firmen und Organisationen mitmachen.

An welchen Orten findet die Fensterdemo statt – und wie bekommen Sie das mit?

Wir haben in den sozialen Medien eine Karte geteilt von den ersten Orten, die zugesagt hatten, und darunter kommentieren die Menschen jetzt weiter, wo die Fensterdemo alles stattfindet. Aus ganz Deutschland und aus allen Bundesländern (außer Thüringen und Brandenburg) sind Leute dabei. Natürlich gibt es keine Beschränkungen, keiner muss seine Aktion, seine Plakate im Netz veröffentlichen; wichtig ist die Nachbarschaft.

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Welche Botschaft soll die Aktion vermitteln?

Mir ist es wichtig, dass sich die Demo nicht gegen etwas richtet. Natürlich gibt es das auch – „gegen Nazis, gegen Rassismus, gegen Hass“ -, aber entscheidender ist, dass wir für etwas sind, für Toleranz, Vielfalt, Demokratie und Anstand; für ein buntes, friedliches Deutschland. Eines muss man sich vor Augen halten: Wir sind nicht im Widerstand gegen eine faschistische Diktatur, sondern wir sind in der großen Mehrheit und müssen einigen wenigen Schreihälsen zeigen, woran diese große Mehrheit glaubt.

Bastian Buch ist geboren und aufgewachsen in der Altmark in Sachsen-Anhalt. Er arbeitet in einem Berliner Technologie Unternehmen, „mit Menschen aus über 60 Nationen, Juden, Muslimen, Christen, Hindus“.

Welche Reaktionen habe Sie für die Veranstaltung schon bekommen?

Es gibt sehr viel Zustimmung. Ich habe das Gefühl, dass die Aktion wirklich eine Plattform werden kann, mindestens aber ein Anfang für etwas Größeres. Ein bisschen so, wie Maas kürzlich gesagt hat: Aufstehen und alle Demos zu besuchen ist schwierig, aber man kann seine Meinung eben auch mit Plakaten und Worten kundtun – wie mit Bannern im Fenster. Es gab dagegen kaum negatives Feedback, außer ein paar Kommentaren auf Facebook.

Was erhoffen Sie sich als Auswirkung der Fensterdemo?

Auf Demos ist es ja meistens so, dass die Menschen schon der gleichen Meinung sind. Unser Ziel ist aber das Lokale und die Nachbarschaft. Nur hier können Diskussionen außerhalb von Filterblasen entstehen. Hier muss man sich damit auseinandersetzen: Wer sind meine Nachbarn, die Freunde der Kinder, die lokalen Geschäfte? Man muss sich nur mal vorstellen, wie stark es wäre, wenn die einzige Bäckerei einer kleinen Ortschaft offen für Toleranz und Vielfalt werben würde. Ich hoffe, die Aktion kann die Demokratie zurück auf die Straße, in die Nachbarschaften bringen. Das Netz ist Mittel zur Verbreitung, aber nicht der Ort der Diskurses.

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