Feministischer Protest in Argentinien: Gegen Femizide, gegen Milei

Tausende Menschen haben gegen Gewalt gegen Frauen demonstriert. Im Fokus des Protests stand dieses Jahr die antifeministische Politik des Präsidenten.

eine Menschenmenge

„Ni Una Menos“: Protestierende am Montag in Buenos Aires

BUENOS AIRES taz | Tausende von Menschen haben am Montag in Argentinien gegen geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen demonstriert und Gerechtigkeit für die Opfer von Femiziden gefordert. Vor allem in Buenos Aires zogen zahlreiche, vor allem junge Frauen vor das Kongressgebäude im Zentrum der Hauptstadt.

Der Protest richtet sich auch gegen die rigorose Sparpolitik von Präsident Javier Milei. „Angesichts des Hasses und der Grausamkeit dieser Regierung organisieren wir uns und bauen Netzwerke auf, die uns tragen. Wie schon vor neun Jahren sagen wir auch an diesem 3. Juni: Nicht eine weniger“, heißt es in der Abschlusserklärung.

„Ni Una Menos 2024“ war die neunte Auflage des Protests an einem 3. Juni. Dazu aufgerufen hatte ein breites Bündnis aus feministischen und LGBT+-Organisationen, sozialen Basisorganisationen und Nachbarschaftsversammlungen.

Am 3. Juni 2015 waren zum ersten Mal Hunderttausende auf die Straßen gegangen. Damals brachte die Ermordung der 14-jährigen Chiara Páez das Fass zum Überlaufen. Weil das schwangere Mädchen nicht abtreiben wollte, erschlug ihr drei Jahre älterer Freund sie und verscharrte ihre Leiche mithilfe seiner Familie im Garten des Hauses. Der Fall löste Wut und Entsetzen aus und in den sozialen Netzwerken lief die Kampagne „Ni Una Menos – Nicht eine weniger“ an.

Milei hat das Frauenministerium abgeschafft

Die Wut und das Entsetzen haben jedoch kaum nachgelassen. Im Gegenteil: Anfang Mai wurden drei lesbische Frauen bei einem Brandanschlag in Buenos Aires getötet. Der mutmaßliche Täter hatte sie zuvor mehrfach bedroht und warf schließlich einen Brandsatz in ihre Unterkunft in einem Familienhotel. Nach Angaben der Beobachtungsstelle für Femizide „Adriana Marisel Zambrano“ gab es in den ersten fünf Monaten des Jahres bereits 127 Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter 114 Femizide, drei Lesbizide, einen Transvestitizid.

„Neun Jahre, in denen die Statistiken nicht sinken, und jetzt mit einem abwesenden Staat, der kein Interesse an Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt hat, und mit einem Unterstaatssekretariat für den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, das keine Stimme zu haben scheint“, heißt es in einer Erklärung der Beobachtungsstelle. Noch immer ist die Unterstaatssekretärin für den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, Claudia Barcia, eine unbekannte Person. Interviews gibt sie nicht.

Der libertäre Präsident Javier Milei hatte unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Dezember das Ministerium für Frauen, Geschlechterfragen und Diversität abgeschafft und das jetzt zuständige Unterstaatssekretariat für den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt dem Justizministerium unterstellt. Dies wird nicht nur von der Beobachtungsstelle für Femizide kritisiert.

Die Übertragung an das Justizministerium „sendet die Botschaft, dass die Regierung geschlechtsspezifische Gewalt auf ein strafrechtliches Problem reduziert und ihren strukturellen und multikausalen Charakter ignoriert“, warnt Mariela Belsky, Direktorin von Amnesty International Argentinien.

Militärs statt Frauen

Doch das Aus des Frauenministeriums ist nicht alles. Inzwischen hat Milei auch das Nationale Institut gegen Diskriminierung, Xenophobie und Rassismus aufgelöst und den Gebrauch der integrativen Sprache und die Geschlechterperspektive in der gesamten öffentlichen Verwaltung und in staatlichen Einrichtungen verboten.

Zu alldem kommen die Kürzungen durch die rigorose Sparpolitik.„Es ist eine erhebliche Unterfinanzierung von Maßnahmen zur Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt zu beobachten“, so das Fazit der unabhängigen Asociación Civil por la Igualdad y la Justicia, die die Ausgaben beim Staatshaushalt in den ersten vier Monaten der Jahre 2023 und 2024 aus der Geschlechterperspektive verglichen hat.

Sein Credo in Sachen Frauenbewegung verkündete Milei im Januar vor einem internationalen Publikum: „Das Einzige, was die Agenda des radikalen Feminismus erreicht hat, ist mehr staatliche Intervention, um den Wirtschaftsprozess zu behindern, um Bürokraten zu beschäftigen, die nichts zur Gesellschaft beitragen, sei es in Form von Frauenministerien oder internationalen Organisationen“, sagte Milei auf dem Wirtschaftsforum in Davos.

Wie tief verwurzelt seine Ablehnung von allem ist, was auch nur den geringsten Anflug von Unterstützung für Frauen oder Feminismus haben könnte, zeigte sich am Internationalen Frauentag. Am 8. März wurde der Salón de las Mujeres (Saal der Frauen) im Präsidentenpalast in Salón de los Próceres (Saal der Helden) umbenannt. Die Porträts wichtiger Frauen der argentinischen Geschichte wurden durch Porträts von Männern, zumeist Militärs, ausgetauscht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.