Feldbesetzungen zur Aussaat-Saison: Neuer Schwung für Gentech-Gegner
Zwei Feldbesetzungen in Gießen und bei Nürtingen dauern an. Gentechnik-Gegner erwarten eine erfolgreiche Protestsaison – auch dank Horst Seehofer.
BERLIN taz Pünktlich zur Aussaat von Mais, Gerste und anderen Nutzpflanzen gehen nicht nur die Bauern wieder auf ihre Felder, sondern auch die Gentechnik-Kritiker. In Gießen und bei Nürtingen halten zwei Gruppen seit Tagen Flächen besetzt, auf denen genmanipulierte Pflanzen angebaut werden sollten. „Feldbesetzungen gab es seit Mitte der 90er-Jahre nicht mehr“, sagt Jutta Sundermann von der Initiative „Gendreck weg“. Sie kann zufrieden sein, denn nicht nur in Gießen und Esslingen zeichnen sich Erfolge für die Gentechnik-Gegner ab. Auch anderswo spüren sie Rückenwind.
Jeweils rund 20 Personen haben in Gießen und bei Nürtingen ihre Lager auf Feldern errichtet, um die Aussaat von genetisch veränderten Pflanzen zu verhindern. An beiden Orten haben sie Zelte aufgeschlagen und aus Baumstämmen Türme errichtet, an denen sich in mehreren Metern Höhe Menschen festgekettet haben. In Esslingen versuchen sie mit Vorträgen, Konzerten und einem improvisierten Feldimbiss, in Gießen mit einem Demonstrationszug durch die Innenstadt zum besetzten Feld, für ihr Anliegen zu werben.
Und sie feiern erste Erfolge. „Trotz Kälte und Nässe haben uns seit Freitag schon mehr als 100 Menschen besucht. Und die Bauern aus dem Umkreis spenden großzügig Lebensmittel“, sagte ein Sprecher der Esslinger Feldbesetzer der taz.
Selbst die Gegenseite zeigt sich gesprächsbereit. Ein Agrarwissenschaftler der Fachhochschule Nürtingen-Geislingen möchte auf dem Feld eigentlich den genetisch manipulierten Mais Mon 810 aussäen. Doch ein Hochschulsprecher sagte der taz, dass die FH das Feld zunächst nicht räumen lasse, sondern auf Gespräche setze. Die Feldbesetzer glauben inzwischen sogar, „dass die FH wohl selbst froh wäre, wenn sie den Versuch eines einzelnen Wissenschaftlers nicht mehr durchsetzen müsste, denn das schadet ihrem Image in der gesamten Region“.
In Gießen hat die Universität zwar Anzeigen gegen die Feldbesetzer gestellt, doch mit einer Räumung müssen auch sie nach Uni-Angaben zunächst nicht rechnen. Und ihr wichtigstes Ziel scheint ohnehin schon vor der Aktion erreicht: Uni-Präsident Stefan Hormuth sagte der taz, dass anders als in den Vorjahren, als auf der Fläche genmanipulierte Gerste spross und mehrfach Ziel von Gentechnik-Kritikern wurde, die Aussaat in diesem Jahr „wissenschaftlich nicht erforderlich ist“.
Die Erfolge der Gießener und Esslinger Feldbesetzer sind kein Zufall. Die Bewegung der Gentechnik-Kritiker hat sich während mehrerer großer Treffen seit 2005 deutschlandweit vernetzt. Auch die Gießener und Nürtinger Feldlagerer stehen miteinander in Kontakt. In den Medien findet das Anliegen der Gentechnik-Gegner ein immer stärkeres positives Echo. Und der prominente kanadische Anti-Gentechnik-Aktivist und Träger des alternativen Nobelpreises Percy Schmeiser trat bei seiner Vortragsreise quer durch Deutschland im Januar dieses Jahres durchweg vor großem Publikum auf. „Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie gerade jetzt etwas bewegen können“, glaubt Jutta Sundermann von „Gendreck weg“ deshalb.
Den größten Gefallen hat den Aktivisten wohl ausgerechnet Agrarminister Horst Seehofer getan: Er hob im Dezember das zwischenzeitlich geltende Verbot des Gen-Maises Mon 810 wieder auf. Gleich fünf EU-Staaten verbieten den Anbau des umstrittenen Monsanto-Produkts jedoch nach wie vor. Und begründen das gegenüber den Brüsseler Bürokraten mit schweren Gesundheits- und Umweltrisiken.
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