Feilschen um die Artenschutzparagrafen: Tod den Klammern!

Um Arten zu schützen, muss die UN-Konferenz die eckigen Klammern jagen, die die offenen Fragen markieren.

Abgeholzter Regenwald auf Sumatra. Bild: ap

BONN taz Auf dem Papier gibt es für Fortschritte beim internationalen Artenschutz ein klares Kriterium: die Zahl der eckigen Klammern. Sie umgeben alle strittigen Formulierungen. Je weniger eckige Klammern sich in einem UN-Dokument finden, desto größer ist die Einigkeit. Satz für Satz gehen die Delegierten aus 190 Ländern bei der großen Artenschutzkonferenz in Bonn die jeweils neuesten Kompromissformulierungen durch.

Beim Thema Biosprit gibt es am späten Donnerstagabend einen ersten Erfolg: Während einige Staaten zunächst komplett dagegen waren, dass sich die UN-Konvention zur biologischen Vielfalt überhaupt mit diesem Thema beschäftigt, gibt es nun Einigkeit, dass die Herstellung von Biosprit nachhaltig sein soll.

Umweltminister Sigmar Gabriel ließ sich von Einzelfragen dieser Art nicht aufhalten. "An einem einzelnen Absatz entscheidet sich die Zukunft des Artenschutzes nicht", sagte der Minister der taz. "Gemessen an den Voraussetzungen war die Konferenz ein riesiger Erfolg." Seine Erfolgskriterien sind andere: Sowohl national wie international habe es bisher ungekannte Aufmerksamkeit für biologische Vielfalt gegeben - und anders als sonst habe es in vielen Fragen immerhin Bewegung gegeben.

"Es ist frustrierend, zu sehen, wie einzelne Staaten wichtige Fragen blockieren können", klagt hingegen Martin Kaiser, der für Greenpeace die Verhandlungen zum Waldschutz verfolgt hat. Entscheidende Punkte seien auf diese Weise gestrichen oder erneut vertagt worden. In einigen Punkten, etwa bei Schutzgebieten auf hoher See, wurde hingegen mehr erreicht als erwartet.

Auf einer anderen Ebene sind aber auch die Verbände zufrieden: Ihre Mitwirkungsmöglichkeiten waren in Bonn so gut wie nie zuvor. "Wir konnten bei fast allen Sitzungen dabei sein, und unsere Argumente sind gehört worden", berichtet Susan Brown, die die Delegation des World Wide Fund for Nature (WWF) koordiniert hat. "Allein 60 Minister aus aller Welt haben in Bonn den WWF-Aufruf unterzeichnet, die Entwaldung bis 2020 weltweit zu stoppen." Der Versuch, diese Forderung ins Abschlussdokument der Konferenz zu übernehmen, stieß hingegen auf Widerstand.

Während die formalen Entscheidungen zum Thema Waldschutz mager ausfielen, gab es zumindest am Rande des offiziellen Geschehens einige Bewegung. Brasiliens neuer Umweltminister Carlos Minc kam eigens für wenige Stunden nach Bonn, um neue Urwaldschutzpläne zu präsentieren (siehe Kasten). Noch bevor er sie in seiner Heimat politisch durchgesetzt hat, wollte er sich auf diese Weise die Unterstützung der Weltgemeinschaft sichern. Auch die Republik Kongo kündigte die Einrichtung neuer Schutzgebiete an.

Ohnehin fanden die Fortschritte nach Einschätzung von Teilnehmer oft am Rande des offiziellen Geschehens statt. Auf dem großen Ausstellungs- und Veranstaltungsgelände, zentral gelegen zwischen den einzelnen Verhandlungsorten, traf die versammelte umwelt- und entwicklungspolitische Szene auf Politiker. Bei Empfängen oder Grillabenden kamen Diplomaten und Politiker zusammen, die sonst eher wenig Kontakt haben.

So verständigten sich die verfeindeten Balkanstaaten Albanien, Bosnien, Kroatien, Montenegro, Serbien und Slowenien in Bonn, gemeinsam grenzüberschreitende Naturschutzgebiete auszuweisen. Auf diese Weise soll Tieren wie Kaiseradler, Wolf, Luchs, Goldschakal und Braunbären das Überleben in der Region ermöglicht werden.

Ebenfalls am Rande der eigentlichen Konferenz tagten die Minister und Regierungschefs aus mehr als 120 Staaten. Der Plan von Umweltminister Gabriel, dass diese sich bei unlösbaren Konflikten direkt in die Verhandlungen einschalten, ging zumindest teilweise auf. Die Erwartung, dass die deutsche Finanzzusage zu Beginn andere Staaten unter Druck setzen würde, nachzuziehen, erfüllte sich dagegen nicht.

Dass keine weiteren Geldzusagen eingingen, nahm Greenpeace zum Anlass, die übrigen G-8-Staaten mit der "Goldenen Kettensäge" für mangelndes Engagement im Urwaldschutz auszuzeichnen. Gabriel blieb auch hier optimistisch. Bis zum G-8-Gipfel, der im Juli in Japan stattfindet, könnte es noch Bewegung geben. Und im September soll erstmals über das Thema Artenschutz im Rahmen der UN-Versammlung auf Ebene von Staatschefs verhandelt werden - und den Tod der letzten eckigen Klammern.

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