Fatma Aydemir Mitarbeiterin der Woche: Dagmar Rosenfeld
Es war eine Reaktion auf den seltsamen Fokus, den Talkshows im Vorfeld der Bundestagswahl vermehrt setzten, wann immer Christian Lindner zu Gast war: Statt den FDP-Chef während des Wahlkampfs für die Inhalte seiner Partei in die Mangel zu nehmen, kreisten Diskussionen immer wieder um Aussehen, Attraktivität und Stilbewusstsein Lindners. Dagmar Rosenfeld, Vize-Chefredakteurin der Tageszeitung Die Welt, nahm dies zum Anlass, um den Spitzenkandidaten der kleinen Parteien, inklusive Lindner, in einem glossenartigen Artikel Stylingtipps zu geben.
Der Presserat hat dem Springer-Blatt nun, drei Monate später, eine Missbilligung erteilt, weil der Artikel das „Ansehen der Presse nach Ziffer 1 Pressekodex“ in Gefahr bringe. Der Grund: Dagmar Rosenfeld heißt mit bürgerlichem Namen Rosenfeld-Lindner. Die Welt-Vizechefin ist seit 2011 mit dem FDP-Chef verheiratet.
Die 1972 in Köln geborene Journalistin hat beim Berliner Tagesspiegel volontiert, bevor sie dort erst im Wirtschafts- und später im Politikressort als Redakteurin tätig war. 2009 wechselte Rosenfeld zum Hauptstadtbüro der Zeit. Ihr letzter Artikel in der Wochenzeitung, bevor sie als Vizechefin zur Welt wechselte, erschien im April 2016. Der Titel: „Journalismus und Politik – Unter einer Decke“.
Darin beschreibt Rosenfeld, wie sie als Journalistin regelmäßig auf ihr Ehefrauendasein reduziert wird, weil Leser*innen und Kolleg*innen in ihren Artikeln FDP-Positionen wittern und sie der Befangenheit bezichtigen. Rosenfeld empfindet dies nicht nur als ein seltsames Verständnis von Journalismus, sondern auch von der Ehe: „Als streife sich die Frau mit dem Ehering zugleich die Meinung des Ehemannes über.“
Tatsächlich ist es mehr als problematisch, die Arbeit einer Journalistin nur danach zu bewerten, welchen Beruf und Status ihr Ehemann besitzt. Gleichzeitig aber kann es nicht im Sinne der Pressefreiheit sein, wenn Politiker*innen und Journalist*innen zumindest im übertragenen Sinne „unter einer Decke“ stecken. Deshalb entschied Rosenfeld auch klugerweise, eben nicht mehr über die FDP und ihre Akteure zu berichten, nachdem sie und Christian Lindner ein Paar wurden. Ob sie diesen Vorsatz nun zugunsten digitaler Empörung und damit einhergehenden Klickzahlen oder zugunsten von Lindners Wahlkampf gebrochen hat, bleibt offen. So oder so: Diese mäßig witzige Glosse ausgerechnet mitten im Wahlkampf zu publizieren, zeugt nicht von besonders gutem Stil.
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