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■ Fast sieben Jahre Haft für den Baulöwen und Bankrotteur SchneiderGaukler der freien Marktwirtschaft

Die Karriere eines deutschen Bauspekulanten ist beendet. Jürgen Schneider wurde gestern vom Landgericht in Frankfurt am Main zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Strafmaß ist in seiner Höhe konsequent. Schneider hatte sich seiner Festnahme durch eine spektakuläre Flucht in die USA entzogen und damit ein vorab ein Schuldeingeständnis geliefert. Vor allem aber hatte er in seinen Tagebuchaufzeichnungen den Betrug akribisch festgehalten.

Wird dieses Urteil irgendeine abschreckende Wirkung haben? Wohl kaum. In der Baubranche wird bekanntlich mit harten Bandagen gekämpft. Schneider war nur ein Unfall, allerdings einer, der einen erhellenden Einblick in die Welt der Banker-Etagen erlaubte. Er hatte die Regeln begriffen, mit denen die Gegenseite getäuscht werden konnte, weil sie sich so gerne täuschen ließ. Jahrelang reichte ihm ein guter Ruf, ein entsprechend seriöses Auftreten, um die Banken um immer neue Kredite zu erleichtern. Sie taten es gerne und mit einem Hang zur unbürokratischen Lässigkeit, nach der sich viele kleinere Unternehmen sehnen.

Das Verhalten der Banken geriet im Verlaufe des Prozesses ein wenig in den Hintergrund. Ihre Sprecher räumten ein, was nicht mehr auszuräumen war. Immerhin: Der laxe Umgang der Kreditgeber wurde im gestrigen Urteil berücksichtigt. Ihre Rolle, so der Vorsitzende Richter, mindere die Schuld des Angeklagten.

Auf seine Art war Schneider lange Zeit ein perfekter Gaukler der freien Marktwirtschaft, die ohne ein gerütteltes Maß an Selbstinszenierung nicht auskommt. Seine Tricksereien verstand er mit feiner Attitüde zu überspielen. Die Manager in den Banketagen nahmen ihm die Rolle ab, weil sie dahinter gar keine vermuteten. Sie entsprach ja schließlich der ihrigen und paßte zu ihrem Weltbild. Da war ein dynamischer, investitionsfreudiger Unternehmer, ein personalisiertes Anlageobjekt, das sich irgendwann einmal auszahlen würde.

Für viele Manager war Schneider die perfekte Mischung aus deutschem Traditionsbewußtsein und amerikanischem Wagemut, ein Mann, der zugleich in Leipzig die Mädler-Passage aufs allerfeinste sanierte und ständig nach neuen Projekten gierte. Kurzum: Schneider war jener Typus Unternehmer, der hierzulande allwöchentlich auf den Seiten der Wirtschaftsmagazine hoch und runter gefeiert wird. Severin Weiland

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