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Fast Fashion ruiniert AltkleidermarktViele Textilsammler vor dem Aus

Die ohnehin gebeutelte Alttextil-Branche fürchtet sich vor dem überarbeiteten Kreislaufwirtschaftsgesetz. Sie fürchtet neue Konkurrenz.

Die Billigware lässt sich nicht einmal mehr zu Putzlumpen verarbeiten Foto: dpa

Berlin taz | Der Vorwurf der Rosinenpickerei ist sattsam bekannt aus dem jahrelangen Streit ums Altpapier. Die Kommunen warfen den gewerblichen Sammlern vor, den Sekundärrohstoff nur an lukrativen Orten sammeln zu wollen und den gammeligen Rest den Kommunen zu hinterlassen. Nun sehen die Altkleidersammler einen ähnlichen Konflikt heraufziehen.

Im generalüberholten Kreislaufwirtschaftsgesetz, das demnächst verabschiedet werden soll, wird die Produktverantwortung ausgeweitet. Unternehmen dürfen künftig auch Waren zurücknehmen, die sie nicht selbst hergestellt oder vertrieben haben, wenn sie dies den Behörden anzeigen. Die Bundesregierung verspricht sich durch die Möglichkeiten „freiwilliger Rücknahme“ weniger Abfall, weil Produkte wieder- und damit länger verwendet werden können. „So können auch Alttextilien einer hochwertigen Sammlung zugeführt werden, die sonst eventuell über den Restmüll entsorgt werden“, sagt eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums.

Dieses Ziel werde verfehlt, sagt Jörg Lacher, Sprecher des Recyclingverbandes bvse. Es sei davon auszugehen, dass „insbesondere die höherwertigen Materialien den herstellereigenen Rücknahmesystemen zugeführt werden“, beklagt Lacher. Und gerade diese würden damit den gewerblichen, gemeinnützigen und öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern entzogen. Die für den Verbraucher kostenlose Sammlung aller Alttextilien werde durch dieses Rosinenpicken unwirtschaftlich und langfristig in seinem Bestand gefährdet, befürchtet der Verband.

Auch der Dachverband der caritativen Sammler, Fairwertung, sieht das Gesetz kritisch. „Wir beobachten mit Sorge, dass sich der klassische Handel zunehmend für gebrauchte Textilien interessiert“, sagt Ulrich Müller, Verbandsvorsitzender und Geschäftsführer der Deutschen Kleiderstiftung, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Helmstedt. „Jedes gute Stück, das durch neue Geschäftsaktivitäten gemeinnützigen Unternehmen entzogen wird, schränkt deren Handlungsfähigkeit ein.“

Hochwertiges Recycling ist in Gefahr

Der Gesetzgeber sieht diese Befürchtungen allerdings gelassen. Vielfach bestehe gar kein eigenes Interesse der Unternehmen, Abfälle zu bewirtschaften, heißt es im Gesetzentwurf. Daher werde angenommen, dass nur wenige Firmen künftig freiwillig Waren zurücknehmen würden, die sie nicht selbst hergestellt oder verkauft haben. Dass die Alttextilbranche Alarm schlägt, hängt sicher auch mit ihrer augenblicklichen Lage zusammen. In seinem aktuellen Bericht „Bedarf, Konsum und Wiederverwendung von Bekleidung und Textilien in Deutschland“ sieht der bvse das hochwertige Recycling von Alttextilien in Gefahr.

Aus Sicht der Textilrecycler sei eine Fortführung des bis heute praktizierten Systems nicht zukunftsfähig, heißt es in dem Bericht. So steigen die Mengen weggeworfener Kleidung stetig an, von rund 1 Million Tonnen alter Textilien im Jahr 2013 bis auf 1,3 Millionen Tonnen 2018. Im Schnitt kauft jedeR Deutsche jährlich 18 Kilogramm Kleidung. Bei der letzten Erhebung des Verbandes 2013 waren es noch 12 Kilogramm. Dazu kommen 3,5 Kilogramm andere Textilien wie Bettwäsche, Tischdecken oder Handtücher.

Billige Materialien

Die Qualität der Textilien nimmt dabei laut Verband immer weiter ab, was sich unter anderem darin zeigt, dass immer mehr alte Kleider verbrannt werden. Wurden 2013 noch 8 Prozent der gesammelten Kleider verbrannt, waren es fünf Jahre später schon 12 Prozent – mit steigender Tendenz. „Seit 1996 ist Bekleidung im Vergleich zum Standardwarenkorb um 36 Prozent billiger geworden“, sagt Hennig Wilts, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut, „weil immer billigere Materialien verwendet werden.“ Von sinnvoll geschlossenen Kreisläufen sei kaum ein Sektor so weit entfernt wie der Textilsektor.

„Wenn die Hersteller die Kleidung so produzieren, dass sie nur sechs bis sieben Maschinenwäschen halten“, sagt Müller von Fairwertung, „dann können sie die auch nicht mehr ordentlich Second Hand gebrauchen.“ Nicht mal mehr zu Putzlumpen können viele alte Klamotten verarbeitet werden – ihr Kunststoffanteil ist zu hoch. „Damit ein Putzlappen saugfähig ist, benötigt man schon einen gewissen Baumwollanteil“, erklärt Müller. „Die Modeketten sollten für die Kosten der Nachnutzung selber aufkommen müssen“, sagt Wilts. Die bvse-Unternehmen könnten dann zu etwas werden wie der Grüne Punkt für Verpackungen und sich ihre Arbeit von den H&Ms und Zalandos dieser Welt bezahlen lassen.

Zu der strukturellen Misere kommen nun noch die Auswirkungen der Pandemie. Seit dem Lockdown gelangen Mengen von Textilien auf den Altkleidermarkt, die in den Putz- und Aufräumaktionen der Menschen während des Lockdowns entsorgt wurden. Laut der Zeitschrift Textilwirtschaft schätzt der Branchendienst Cycle 8 den Warenwert wegen Corona unverkaufter Textilien in Europa auf 136 Milliarden Euro.

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1 Kommentar

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Für Kleider, die wir hier zu Billigstpreisen kaufen können, zahlt immer jemand den Preis: z.B. die Näherinnen in Bangladesch, die so schlechte Löhne erhalten, dass sie nicht davon leben können. Die Arbeitsbedingungen sind bekanntermaßen noch schlechter. Das Wohl der Näherinnen kümmert niemanden. Wir können nicht nur dann schreien, wenn in einer Fabrik wieder mal Leute verbrennen.



    Auch die Altkleidersammler sollten den Ball flach halten. Ihre Wohltaten sind begrenzt und fair wäre etwas anderes. Riesige Mengen dieser Altkleider werden seit langem etwa nach Afrika verkauft, wo sie die einheimischen Kleidermanufakturen und -industrien ruiniert haben; zusammen mit den riesigen Mengen an chinesischen Produkt-Fälschungen von minderwertiger Qualität.



    Die afrikanische Textilindustrien stellten hochwertige, traditionelle, mehrfarbige Baumwollkleidung mit aufwendigen Mustern, Jeans oder andere internationale Kleidungsstücke für den afrikanischen Geschmack und Markt her. Sie waren Leitindustrien gewisser afrikanischer Staaten, wie z.B. Nigeria.



    Die afrikanische Textilindustrie konnte jedoch im Preis nicht mithalten und verschwand weitgehend.



    Das gleiche passiert eben mit der afrikanischen Landwirtschaft, die vorwiegend aus Kleinbetrieben besteht. Europa verkauft hoch subventioniertes Gemüse und Hähnchenfleisch aus industrieller Produktion zu Billigstpreisen übers Mittelmeer, ruiniert damit die afrikanischen Kleinbauern, will aber keinen Zusammenhang sehen, zwischen Migration und diesen miesen Geschäften, genannt Freihandel.



    Die Chinesen fangen übrigens an, ihre eigene Billigkleiderindustrie in afrikanische Länder auszulagern, weil die Produktion in China zu teuer geworden ist. Afrikanische Löhne sind unschlagbar tief.



    Man sollte an all dies denken, wenn man das nächste mal zur Altkleidersammelstelle pilgert.