: Farbschmierer immer dreister – Täter ermittelt
■ Kunstwerk an der Manteuffel- Ecke Oranienstraße am hellichten Tag übermalt
Pünktlich gegen 12 Uhr mittags schlug gestern eine neue Farbschmiererbande an der Manteuffel- Ecke Oranienstraße in Kreuzberg zu. Wohlvorbereitet, führte sie auf einem extra angemieteten Fahrzeug eine Drehleiter mit, um die schwer zugängliche Brandmauer zu erreichen. Diese beschmierte sie nun an einer ganz bestimmten Stelle mit weißer Farbe. Dort hatten sich Porträts von Goebbels, F.J. Strauß und Klaus Landowsky sowie die Jahreszahlen 1933, 1980 und 1997 befunden. Darunter hatte, deutlich als Zitat gekennzeichnet, der berühmte Ausspruch des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus gestanden: „Es ist nun mal so, daß dort, wo Müll ist, Ratten sind und daß dort, wo Verwahrlosung herrscht, Gesindel ist. Das muß in der Stadt beseitigt werden!“ Am unteren Gemälderand hatte die Parole „Ratten aller Länder, vereinigt euch!“ geleuchtet.
Die umliegenden Straßen wurden mit Fahrzeugen weiträumig abgesperrt. Laut Augenzeugen waren alle Autos mit einem grünweißen Tarnanstrich versehen und hatten nicht identifizierbare Geheimzeichen aus je einem Buchstaben und einer Zahl aufgeklebt. Nach getaner Arbeit entfernten sich die Täter genauso schnell, wie sie gekommen waren.
Nachfragen der „taz“ bei der Hausverwaltung und der Besitzerin, der „Luisenstadt-Genossenschaft“, ergaben, daß diese auf keinen Fall die Malermeister gerufen hatten. Nun überlegen sie sich, ob sie nicht Anzeige „wegen Vernichtung von Kunstwerken“ erstatten sollen.
Als eine weitere heiße Spur wurde von Augenzeugen die Kampagne „Sauberes Berlin“ gehandelt. Bei einem sofort durchgeführten Anruf bestritt diese jede Beteiligung; jedoch konnte sie den entscheidenden Hinweis auf die Täter geben. Es habe sich gar nicht um ein Kunstwerk, sondern um ein „festgeklebtes Transparent“ gehandelt, sogar um eins mit „strafbarem Inhalt“. Deshalb komme nur die Polizei als Täter in Frage.
Flugs dort angerufen. Diese bestritt auch gar nicht, für das Übermalen verantwortlich zu sein. Vielmehr sei „von Amts wegen“ Anzeige wegen „Verleumdung und Beleidigung mit politischem Hintergrund“ gestellt worden, und daraufhin wurde zur Tat gestritten. Der überraschte Ausruf am Telefon: „Oh, wird jetzt gegen Herrn Landowsky ermittelt?“ wurde enttäuscht. „Nein, nein, das verstehen Sie falsch. Gegen Unbekannt wird ermittelt, weil durch die Aneinanderreihung der Jahreszahlen und der Porträts von Goebbels, Franz Josef Strauß und Herrn Landowsky eine Verleumdung und Beleidigung gegen Herrn Landowsky vorliegt.“ chv
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