Fanmeile in Berlin: Deutschland-Fans hinter Gittern
Ein „G-8-Zaun“ soll die Menschen auf der Fanmeile im Zaum halten. Zudem gibt es erste Proteste gegen die WM: Scheiben eines Adidas-Geschäftes werden eingeworfen.
Der WM-Wahnsinn bekommt ein Gehege – mit neuer Umzäunung. Auf der Straße des 17. Juni wird derzeit die Fanmeile aufgebaut, eröffnet werden soll sie zum ersten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft der Männer am Montag.
Die Fanmeile, die bei der Europameisterschaft 2012 nach Angaben der Veranstalter etwa 2,5 Millionen Besucher angezogen hatte, ist 700 Meter lang und reicht vom Brandenburger Tor bis kurz hinter die Yitzhak-Rabin-Straße. An 13 Tagen werden Spiele – darunter alle Spiele der deutschen Mannschaft – auf einem 60 Quadratmeter großen und acht kleineren Bildschirmen übertragen. Aufhalten können sich gleichzeitig maximal 100.000 Menschen auf dem Gelände. Die Eingänge stehen von 13 Uhr bis 1 Uhr offen, der Zugang ist kostenlos.
Um Fanmeile und Teile des Tiergartens führt ein acht Kilometer langer Zaun, um den im Vorfeld Streit entbrannt war: Noch vor einem Jahr hatte Mittes Bezirksstadtrat Carsten Spallek (CDU) betont, die bisher verwendeten Bauzäune zur Sicherung des Geländes seien zu unsicher. Nur mit einem fest installierten Zaun um den Tiergarten werde es eine Fanmeile geben.
Kletterer ohne Chance
Nun jedoch sichert vorübergehend ein „G-8-Zaun“ die jubelnden Massen, wie ihn Veranstalter Willy Kausch am Donnerstag beschrieb. Er könne weder umgeworfen noch überklettert werden. Er sei wesentlich sicherer als die bisher verwendeten Bauzäune, so Kausch. Das 2,20 Meter hohe Gerüst biete nicht nur mehr Stoßwiderstand gegen die drängelnde Menschenmenge. Er sei zudem engmaschiger und dadurch gewappnet gegen waghalsige Kletterer.
300 Ordner sollen an den Eingängen Taschen kontrollieren und für Sicherheit sorgen, bei den Deutschlandspielen sollen es bis zu 450 sein. Die Kosten für den wieder abbaubaren Zaun trägt der Veranstalter.
Bezirksstadtrat Spallek wollte das monatelange Gezerre um den Zaun nicht kommentieren. Das Straßen- und Grünflächenamt Mitte sei nicht in die Entscheidung über die Genehmigung der Fanmeile eingebunden worden. Senatssprecher Richard Meng sagte, da die Positionen zum Zaun zwischenzeitlich unklar gewesen seien, habe man die Kommunikation für diese WM übernommen. Die Diskussion sei jedoch noch nicht beendet. Auf lange Sicht müsse man sehen, ob sich das derzeitige Konzept bewähre.
Im Vorfeld war allerdings nicht nur Streit um den Zaun der Fanmeile entbrannt – auch die WM selbst führt zu Protesten in der Stadt. In der Nacht zu Donnerstag warfen Unbekannte die Scheiben des Adidas-Geschäfts in der Münzstraße ein und sprühten dort den Schriftzug „Boykott WM“. In einem auf der linken Internetplattform Indymedia veröffentlichten Schreiben bekannten sich „einige autonome Gruppen“ zu der Tat gegen die Filiale des Sportartikelherstellers, der ein Hauptsponsor der WM ist. Sie möchten ihre Aktion als Solidaritätserklärung an „alle Kämpfenden in Brasilien“ verstanden wissen und richten sich gegen die Kommerzialisierung des Fußballs. Vor einem Monat waren bereits Scheiben der brasilianischen Botschaft eingeworfen worden, hier ermittelt der Staatsschutz.
Auch jenseits dieser Aktionen laufen in Berlin Vorbereitungen für Informations- und Protestveranstaltungen zur WM. So hat sich mit dem „Anti-WM-Kollektiv“ eine deutsch-brasilianische Gruppe gegründet, die vor allem Aufklärungsarbeit machen will. „Wir veranstalten eine Filmreihe am Gecekondu am Kottbusser Tor zu den Protesten in Brasilien“, sagt Anna Lehnert von der etwa 15 Personen großen Gruppe. Auch werde sie versuchen, an Public Viewing Orten kurz vor den Spielen Dokufilme zur Situation in Brasilien zu zeigen.
Insgesamt sind die Protestveranstaltungen in Berlin zumindest momentan noch eher vereinzelt – größere Demonstrationen, wie sie etwa in Frankfurt oder Leipzig stattfinden sollen, sind hier bisher nicht geplant. Dafür gibt es verschiedene Veranstaltungen wie etwa am 27. Juni im Stadtteilladen Zielona Gora in Friedrichshain, bei der ein Aktivist aus Brasilien von der dortigen Situation berichten wird.
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