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Familiennachzug für FlüchtlingeMütter dürfen, Zweitfrauen nicht

Pinneberg ließ die Zweitfrau eines Syrers einreisen – nun tobt ein Shitstorm gegen die Behörde. Doch die hat rechtskonform gehandelt.

Der Staat geht mit Doppelehen pragmatisch um – und achtet auf das Recht der Kinder Foto: dpa

NEUMÜNSTER taz | Er ist Syrer, hat acht Kinder und zwei Ehefrauen und kam im Jahr 2015 mit einer Frau und vier Kindern aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland. Später reisten die übrigen Kinder ein, nun schließlich die zweite Frau. Genehmigt hat diesen und einen ähnlichen Fall die Ausländerbehörde des Kreises Pinneberg in Schleswig-Holstein.

Nun erlebt die Kreisverwaltung einen Shitstorm: Die Behörde, so grollt es durch die sozialen Netze, fördere Bigamie. Dabei gehe es gar nicht um das Wohl der Zweitfrauen oder gar der Männer. „Wir haben nicht Ehefrauen, sondern Mütter ins Land geholt“, sagte Kreissprecher Oliver Carstens dem Hamburger Abendblatt.

Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein teilt diese Ansicht: „Das Recht liegt bei den Kindern, die den Nachzug der Mutter beantragt haben.“ Damit sei es auch „Quatsch“, dass ein Bundesland dieses Recht pauschal ablehne.

„Juristisch komplex“ sei die Frage, weil neben dem Ausländerrecht auch das Familienrecht betroffen sei, sagt Bernd Mesovic von der Bundesvereinigung Pro Asyl: „Hier muss die Ausländerbehörde abwägen.“ Entscheidungen dieser Art seien bundesweit selten, meint Mesovic: „Erstaunlich, dass es im Kreis Pinneberg gleich zwei gibt.“

In der Rechtssprechung wurde bisher vor allem der Fall behandelt, bei dem ein Mann mit zwei Frauen einreisen will – betroffen sind nicht nur Familien aus dem islamischen Kulturkreis, sondern auch christliche Sekten wie die Mormonen, die in den USA Vielehen eingehen dürfen. Das Schwierige: „Es liegt außerhalb unserer Möglichkeiten, auf Eherechte anderer Staaten einzuwirken“, so Behördensprecher Carstens.

Rechtlich gilt nur eine Frau als Gattin

Daher geht der Staat mit Doppelehen pragmatisch um: Rechtlich gilt nur eine der Frauen als Gattin und darf bei der Krankenkasse mitversichert werden. Sollte der Mann aber sterben, wird sein Erbe gleichmäßig verteilt. Auch beim Unterhaltsrecht wird nicht zwischen Frau eins und zwei unterschieden.

Für das Recht der Kinder auf ihre Mutter sei der Ehestatus irrelevant, heißt es im Kreis Pinneberg. „Für uns ist allein die Vater- und Mutter­eigenschaft entscheidend und nicht, ob es sich um eine Vielehe, eine uneheliche Beziehung oder eine ungültige Ehe handelt.“

Bekannt wurde der Fall durch eine Anfrage des Abgeordneten Burghard Schalhorn, der für die „Kreiswählergemeinschaft Pinneberg“ im Kreistag sitzt. Die freie Wählergruppe verspricht, „sachorientiert, parteienübergreifend, interessenneutral“ zu arbeiten, positioniert sich aber klar gegen die Aufnahme von Geflüchteten. Seit September 2016 sehen die Freien Wähler Gefahr für den landwirtschaftlich geprägten Kreis, in dem weniger als 500 Menschen pro Quadratkilometer leben. „Gewalt und Terror haben uns erreicht“, befand die Wählergemeinschaft düster.

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4 Kommentare

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  • Die Vielehe ist eine soziale Einrichtung, nicht nur im Islam, die ausschliesslich dem Schutz von zu alt gewordenen Ehefrauen dient, die durch jüngere oder schönere ersetzt werden.

     

    Geschiedene Frauen, die nicht mehr bei ihrer Familie leben, sind gesellschaftliche Aussenseiter und nicht mehr viel wert. Sie sind Freiwild, müssen niedere Arbeiten verrichten, schlechte Männer heiraten, die sie grün und blau prügeln oder ihren Körper verkaufen. In Deutschland bekommen Exfrauen zwar Alimente, werden damit aber vollkommen allein gelassen.

     

    In wachsenden Teilen der islamischen Welt dürfen alte Frauen, solange sie nicht vom Mann verstossen wurden, dagegen bei der Familie und ihren Kindern bleiben. In der Polygamie behalten sie ihren gesellschaftlichen Status, rücken nur in der Rangordnung etwas nach hinten und machen Platz für die neue Frau. Unter Tieren ist das ganz normal.

  • Lästige Faktenhuberei: Die Bigamie ist in allen Bundesstaaten der USA verboten, auch in Utah und Nevada, wo die meisten Mormonen ansässig sind. Unter gewissen Umständen wird das allerdings toleriert bzw. auf Strafen verzichtet. Einzelfälle und pragmatische Handhabe, sehr ähnlich dem aus Pinneberg berichteten. Zudem dürfte sich die Anzahl der in Deutschland Schutz suchenden LDS-Kirchenmitglieder ("Mormonen" ist eigentlich eine herabwürdigend intendierte Bezeichnung, die sich einfach gehalten hat) bei oder knapp über null bewegen. Also, was soll das?

     

    Außerdem: für die großen in Deutschland anerkannten Kirchen sind LDSer aufgrund erheblicher doktrinärer Abweichungen keine Christen im mehr oder weniger strengen Sinne.

     

    Abschließender Meinungsteil: Mündige Erwachsene sollten auch in einer Anzahl größer zwei Bedarfs- und Versorgungsgemeinschaften bilden dürfen, die der Staat dann steuerlich privilegiert oder halt auch nicht mehr. Der Begriff "Ehe" sollte einfach aus den rechtlichen Rahmenbedingungen verschwinden und nur noch kultischen Zwecken dienen.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Ich hätte jetzt schon erwartet, dass sich die taz etwas differenzierter mit dem Themenfeld "Bigamie" auseinandersetzt.

     

    Was ist denn bei dem Thema die "Blattline"?

    Wurde da -ein Extrem- bei der "Ehe für alle" zu kurz gesprungen und vergessen das auch mit freizugeben, oder wo sollen dann doch Grenzen gezogen werden?

     

    Obiger Artikel schein rein darauf abzuzielen, was im Kontext "Nachzug" zweckdienlich ist.

  • Deutschland ist mit der islamischen Polygamie immer sehr pragmatisch umgegangen, weil es keine Rolle gespielt hat. Für die Entwicklung der Kinder ist es besser, dass ihre Mutter hier lebt. Polygamie funktioniert m.M. nicht, aber das steht auf einem anderen Blatt. Mich würde es nicht wundern, wenn es noch zu massiven Problemen in dieser Familie kommt Wer zuhause ein oder zwei Kinder hat, der hat schon viel zu tun, wie soll ein Vater mit acht Kindern agieren? Das ist aber letztlich keine politische Frage oder Frage für das Ausländerrecht. Ich halte es für sehr wichtig, dass diese Kinder hier ihre familiären Bindungen haben. Außerdem könnte das Ganze instrumentalisiert werden.