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Falsche Bilder vom SterbenDer Joint am Abend

Was wir alle brauchen, um einen guten Tod zu haben, sind Spezialisten für Lebensqualität. Und Überraschung: Im Hospiz gibt es sie.

Gegen jedes Klischee: Patientenzimmer des Vivantes Hospiz im Wenckebach-Klinikum in Berlin Foto: Lars Reimann/imago

N eulich sagte der Palliativmediziner Prof. Sven Gottschling im Interview, dass die meisten Leute sich unter einem Hospiz ein schwarzes Haus ohne Fenster vorstellen, das man nur verlässt, wenn man ein Zettelchen am Fuß hat. Ich dachte, er übertreibt. Letzte Woche habe ich dann einen Film gesehen, in dem ein junger Mann ins Hospiz kam – und musste meine Meinung revidieren. Das Haus hatte zwar Fenster, aber durch die kam sehr wenig Licht. Und die Wände waren tatsächlich schwarz gestrichen. Vielleicht anthrazit.

Macht aber nichts, weil der junge Mann kaum mehr bei Bewusstsein war, als er dorthin kam, und am nächsten Morgen war er auch schon tot. Ein Freund des Verstorbenen, der zu spät kam, um sich noch einmal zu verabschieden, wurde von einer Nonne in einen weiß gekachelten Raum geführt, wo sie salbungsvoll ein Tuch über dem Toten zurückschlug.

Manchmal vergesse ich wirklich, dass es solche medial vermittelten Bilder sind, die in unserer Gesellschaft herumgeistern. Sie sind nicht nur falsch, sie verhindern auch Aufklärung – darüber, was Sterben wirklich bedeutet. Und welche Möglichkeiten es heutzutage gibt. Todkranke sind in unterschiedlicher körperlicher Verfassung. Nicht jeder, der ins Hospiz kommt, stirbt am nächsten Tag. Es stirbt sich nicht schneller im Hospiz, aber definitiv besser.

Ich arbeite ehrenamtlich für einen ambulanten Hospizdienst. Das heißt, wir begleiten Schwerstkranke, die zu Hause sterben, manchmal auch im Pflegeheim oder im Krankenhaus. Stationäre Hospize habe ich einige gesehen, aber keins von ihnen hatte schwarze Wände. Im Gegenteil. Im Neuköllner Ricam Hospiz stand ich mal auf einer Dachterrasse mit Blick über Berlin, die einem Luxushotel alle Ehre gemacht hätte.

Der Hund am Fußende des Bettes

Weiß gekachelte Wände, zurückgeschlagene Tücher? Fehlanzeige. Und ob Sie’s glauben oder nicht: Im Hospiz arbeiten ganz normale Menschen. Sie sind das Beste, was Ihnen am Lebensende passieren kann. Sie sind nämlich keine Spezialisten für den Tod. Sie sind, wie Prof. Gottschling so schön sagte, Spezialisten für Lebensqualität.

Sie hören Ihnen zu. Lindern Schmerzen und Symptome. Halten Ihre überforderten Angehörigen in Schach und nehmen Ihnen schwierige Gespräche ab. Sie machen fast alles möglich, um Ihnen gute Momente in den letzten Wochen Ihres Lebens zu bescheren. Sie bringen Sie an den einen Ort, den sie noch mal sehen wollen vor Ihrem Tod. Lassen Ihnen Ihren Joint am Abend. Machen kleine Eiswürfel aus Ihrem liebsten Riesling, wenn Sie alleine nicht mehr trinken können. Lassen Ihre engsten Freun­d*in­nen im Zimmer campieren und Ihren Hund am Fußende des Bettes schlafen. Sie bleiben da, wenn es schwer wird, halten Unaushaltbares mit Ihnen aus.

Dass wir sterben, können wir nicht verhindern. Aber wir können entscheiden, wie wir sterben wollen. Dafür müssen wir uns informieren – und uns von den Bildern im Fernsehen nicht abschrecken lassen.

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Caroline Kraft
Caroline Kraft schreibt als freie Autorin u.a. für Zeit Online und das Missy Magazine. Ihre Kolumne "Schluss jetzt" erscheint alle drei Wochen in der taz. Sie ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin und chronische Bestatterpraktikantin. Zusammen mit Susann Brückner betreibt sie den Podcast "endlich. Wir reden über den Tod". Ihr gemeinsames Buch “endlich. Über Trauer reden" ist 2022 im Goldmann Verlag erschienen.
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5 Kommentare

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  • Kleine Handreichung:

    Um diesen Beitrag neben den kommune Anmerkungen so richtig einschätzen zu können - bietet es sich an - die früheren Elaborate der jungen Dame sich zu Gemüte zu nehmen & auf sich wirken zu lassen! Gellewelle&Wollnichwoll



    Ganz vorn normal - der Schenkelklopfer



    “ Podcast zum Thema Sterben



    „Gespräche über den Tod sind ein Partyknaller“



    Susann Brückner und Caroline Kraft haben mit Endlich einen Podcast über das Lebensende gestartet. Wir sprachen mit den Berlinerinnen über persönliche Schicksalsschläge, Begräbnis-­Soundtracks, „Teenage Angst“ und das Lachen über das große schwarze Nichts“



    www.tip-berlin.de/...-ein-partyknaller/

    taz.de/Trauer-als-Schulfach/!5727163/



    &



    taz.de/Familien-und-Trauer/!5722298/



    &



    taz.de/Begleitproz...&s=Caroline+Kraft/



    Die Beiträge jeweils in der e-kommune sprechen eine deutliche Sprache.



    Bizarr ist die erkennbare Indolenz der Autorin - was bei solch einem Thema erstaunt - aber leider nicht wirklich verwundert - wa!

    Gern&Dannichfür - servíce -

  • ... Es stirbt sich nicht schneller im Hospiz, aber definitiv besser...

    Ich habe die Erfahrung mit meiner Mutter in einem großen Thüringer Klinikum gemacht.



    Diese Erfahrung war" nicht schlecht".



    Am Anfang bin ich über den Flur geschlichen. Dann habe ich wüßte Schlagermusik(kein Blues!) aus dem Nachbarzimmer gehört.



    Gut! Im Nachhinein!



    Das sind schon Erfahrungen, wenn ich durch die Klinik gelatscht bin, funktionierend irgendwie, Luft holen, Mimik, Tür auf.



    Irgendwie irrational.



    In der Caffeteria gab's den Rhabarberkuchen für die lieben Patienten.



    Wir haben im Kafferaum gesessen, Sterbende(die sitzen konnten), Lebende, Kinder(Enkel), da viel mir wieder die Uroma ein, wenn ich als Kind, auf den Friedhof(Gießen) mit mußte.Oh, wie langweilig!



    Mögen die Spezialisten für Lebensqualität auch für die Menschen ihre ganze Kraft einbringen, die sich das nicht" leisten" können.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - legt nach:





    "schreiben sie an ihrem Buch “endlich. Über Trauer reden"," - noch'n Buch. Bei den Holzpreisen. Aber der Trend geht zum Billigsarg - wg. Einäscherung. Die ist dann allerdings nicht CO2-neutral.







    btw.: In Osnabrück gibt es einen Kreißsaal mit den Farben des örtlichen Bundesliga-Fußballvereins. Diese Farben erinnern ziemlich stark an Kirche, und bei diesem Club Trainer*in zu sein, ist eh ein "Himmelfahrtskommando". Ob es im Hospiz was entsprechendes gibt, weiß ich nicht. Wäre doch eine Überlegung wert. Dann wissen Hinscheidenden nicht, wem sie ein Legat vermachen... “

    kurz - Da is was dran.



    & Die Zeit -



    “ Caroline Kraft war die vergangenen zehn Jahre in der Verlagsbranche tätig – in London, Frankfurt und Berlin, wo sie heute lebt und als PR- und Kommunikationsberaterin arbeitet. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8".“



    Vllt erklärt das so manches. Newahr.



    Normal Schonn.

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - meint:

      “ "Vllt erklärt das so manches. Newahr." - Das erklärt vieles: Mut zur (Markt)Lücke.“

  • Mit Interesse gelesen. Danke.

    unterm——-



    Als in freigeistiger Tradition aufgewachsen:



    Kann es sein - daß da bei den rheiländisch üblichen



    Katolschen noch gut Luft nach oben ist?



    Klaus Huber (Ars Vitalis) & Frank Köllges starben kurioserweise am selben Tag.



    Als die Freundin von Frank - gut dreißigjährige Klarinettistin sich nicht mehr zu helfen wußte brachte sie ihn in ein Hospiz.



    “Na - Sie sind ja wohl nicht die Ehefrau!“ & zu gingen die Türen!



    Ab da war sie auf die allgemeinen Besuchszeiten verwiesen!



    Welches von den zweien in Neuss das war - weiß ich nicht.



    NRW - ein klerikales Land •