Falsche Behauptung der Agrarministerin: Ist Klöckner die deutsche Trump?
Die Agrarministerin habe im Streit über ihre Pestizidpolitik die Unwahrheit gesagt, so Umweltschützer. Für einen Widerruf fehle ihr der Anstand.
Die taz und in einem eigenen Report die Organisation Corporate Europe Observatory hatten berichtet, dass sich Klöckner für neue Regeln eingesetzt hat, die die Genehmigung von Lebensmitteleinfuhren mit bestimmten Pestiziden ermöglichen könnten. Diese Wirkstoffe dürfen in der EU nicht gespritzt werden, weil sie Krebs verursachen, das Erbgut schädigen, die Fortpflanzung beeinträchtigen oder das Hormonsystem stören.
Die Ministerin dementierte, dass sie dafür gekämpft habe, Einfuhren mit solchen Pestiziden zu ermöglichen. Das wollte sie vor allem mit der Behauptung belegen, dass die Behörden Anträge auf Einfuhrgenehmigungen für solche Waren bereits prüften, aber immer abgelehnt hätten. Den taz-Artikel nannte Klöckner „tendenziös“. Renate Künast warf sie vor, Nährboden für „Hate Speech“ zu bereiten, weil die Grünen-Politikerin den Artikel verbreitet hatte.
Eine Antwort der EU-Kommission auf eine Anfrage von Global 2000 zeigt nun aber, dass bislang kein einziger Antrag für Importe von Lebensmitteln mit den betroffenen Pestiziden auf ihre Risiken geprüft worden ist. Demnach wurden bis jetzt auch nur sehr wenige Wirkstoffe wegen der Gesundheitsgefahren verboten: „Bisher ist die Zulassung von 5 Wirkstoffen nicht erneuert worden, weil sie die gesundheitsbezogenen Ausschlusskriterien der EU-Verordnung (zur Pestizidzulassung) Nummer 1107/2009 erfüllten: Linuron, Iprodion, Propiconazol, Chlorothalonil und Thiacloprid“, teilte die zuständige Generaldirektion Gesundheit mit.
EU-Kommission widerspricht Klöckner
Auf die Frage, für wie viele dieser Wirkstoffe nach deren Verbot eine Risikoprüfung zur Festlegung eines Grenzwertes für Importe stattfand, antwortete die Behörde: „Für keinen. Keine solche Anträge wurden gestellt, oder sie wurden vom Antragsteller zurückgezogen.“
Das Agrarministerium hatte nach einem weiteren Bericht der taz bereits eingeräumt, dass Importtoleranzen „auf EU-Ebene“ weder abgelehnt noch festgesetzt worden seien. Ebenfalls „auf EU-Ebene“ wären solche Anträge nicht genehmigungsfähig. Aber dieses Statement, das nicht „Korrektur“, sondern „Ergänzende Fakten“ betitelt war, ließ offen, ob vielleicht ein Mitgliedstaat einen solchen Antrag geprüft hat. Mit der Auskunft der EU-Kommission ist auch das ausgeschlossen.
„Alternative Fakten“
„Die Auskunft der EU-Kommission zeigt, dass Frau Klöckner beziehungsweise ihr Ministerium die Unwahrheit gesagt haben“, erklärte Umweltschützer Burtscher-Schaden. Er kritisierte, dass das Ministerium sein altes Statement nicht widerrufen hat. Das müsse jeder tun, wenn er eine falsche Information verbreitet und „noch einen Funken Anstand“ habe. „Die haben aber gesagt: ergänzende Fakten. Das sind Zustände, wie sie leider in den USA politische Realität sind, seit der Trump an der Macht ist, aber wie man sie eigentlich in Deutschland nicht gerne hat. Es ist schlimm zu sehen, wie rasch diese politische Kultur auch Europa ansteckt“, so der Umweltschützer.
Dennoch ließ Klöckners Ministerium seine Stellungnahme unverändert: Es habe ja schon „deutlich gemacht, dass eine ursprünglich getroffene Aussage so nicht zutreffend ist“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern