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Fahndung nach „RAF-Rentnern“Die Suche geht weiter

Der Ex-RAF-Terrorist Garweg könnte ins Ausland geflüchtet sein, vermuten die Fahnder. In Klettes Wohnung findet die Polizei Waffen und Gold.

Fahndungsplakat am Amtsgericht von Verden, Niedersachsen Foto: Sina Schuldt/dpa

Hannover dpa/afp | Der gesuchte Ex-RAF Terrorist Burkhard Garweg ist möglicherweise ins europäische Ausland geflüchtet. Das niedersächsische Landeskriminalamts gehe neuen Hinweisen nach, die darauf hindeuteten, sagte LKA- Präsident Friedo de Vries dem „Spiegel“. Sicher sei, dass er sich mehrere Jahre auf einem Bauwagengelände in Berlin-Friedrichshain aufgehalten haben dürfte – „vermutlich mindestens bis zur Festnahme Klettes“.

Am 26. Februar war die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette (65) in Berlin-Kreuzberg festgenommen worden. Zusammen mit Garweg und Ernst-Volker Wilhelm Staub (69) war sie vor über 30 Jahren untergetaucht. Alle drei gehörten der sogenannten dritten Generation der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion an, die bis 1991 zahlreiche Anschläge verübte und Menschen tötete. 1998 erklärte die RAF sich für aufgelöst.

In den vergangenen Tagen kam es zu mehreren Durchsuchungen in Berlin. In der Wohnung von Klette stieß die Polizei auf aktuelle Fotos von Garweg. De Vries betonte, die Ermittler glaubten, in Berlin noch Erkenntnisse gewinnen zu können. „Inzwischen haben wir seine Wohnsituation und sein privates Umfeld in Teilen aufklären können und arbeiten weiter Spuren ab.“ Bei den Bewohnern auf dem Platz scheint Garweg beliebt gewesen zu sein.“ Er sei als freundlicher Mann beschrieben worden, der Hunde liebe, engagiert und hilfsbereit sei. „Diese Beschreibungen passen nicht zu dem Menschen, der laut unseren Ermittlungen brutale Raubüberfälle beging und mutmaßlich auf Menschen geschossen hat.“

Keine bürgerliche Existenz

Garweg und Klette lebten offensichtlich beide in einer „sozial prekären Umgebung, wo keine Fragen gestellt wurden nach Lebensweg, Beruf oder Familie“, sagte de Vries. „Die Möbel in Garwegs Bauwagen und Klettes Wohnung waren zusammengesucht und abgenutzt.“ Eine bürgerliche Existenz hätten beide nicht gehabt. „Vor dem Hintergrund der vorgeworfenen Taten kann von einem „netten Typen“ nicht die Rede sein.“ Es sei nicht ausgeschlossen, dass Garweg bewaffnet sei.

Auch Staub könne aus Berlin geflüchtet sein. „Es gibt bislang allerdings keine relevanten Fahndungshinweise, die uns konkret auf seine Spur gebracht hätten“, sagte de Vries. Man gehe derzeit allen Hinweisen nach. „Ob sie am Ende zu einer Festnahme führen, wird sich zeigen.“

Als Klette verhaftet wurde, sei die Reaktion der Ermittler „eher ungläubig“ gewesen, sagte der LKA-Chef. „Es war aber auch gleich klar, dass wir noch lange nicht fertig sind mit unserer Arbeit.“ Die Fahnder arbeiteten auch mit KI-Programmen beim Vergleich von Fotos mit Fahndungsfotos. „Das Internet aber einfach so nach Personengleichheit zu „durchforschen“, ist für die Polizei rechtlich nicht möglich“, betonte er. Perspektivisch müsse darüber diskutiert werden, welche digitalen Werkzeuge den Sicherheitsbehörden an die Hand gegeben würden.

Neuer Haftbefehl wegen versuchten Mordes

Klette sitzt in Niedersachsen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Verden wirft ihr und ihren weiteren flüchtigen mutmaßlichen Komplizen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg bewaffnete Raubüberfälle vor, die sie zwischen 1999 und 2016 begangen haben sollen, um ihr Leben im Untergrund zu finanzieren.

Am Donnerstag wurde Klette außerdem ein seit sechs Jahren bestehender Haftbefehl der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe eröffnet. Demnach ist sie des zweifachen versuchten Mordes und der versuchten und vollendeten Sprengstoffexplosion in Mittäterschaft dringend verdächtig.

Dabei geht es um einen gescheiterten Anschlag auf ein Gebäude der Deutschen Bank im hessischen Eschborn 1990, einen Schusswaffenanschlag auf die US-Botschaft in Bonn 1991 und einen Sprengstoffanschlag auf einen Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt 1993.

Störsender, Sturmhaube und Ausweise

Klette soll dem Spiegel zufolge 1,2 Kilogramm Gold in ihrer Berliner Wohnung gehortet haben. Die Polizei habe dort überdies 40.000 Euro Bargeld und eine Pistole mit zwei gefüllten Magazinen gefunden, berichtete das Magazin am Freitag. Das Geld und die Pistole seien in der Einzimmerwohnung in einem Holzschrank mit doppeltem Boden versteckt gewesen, berichtete der „Spiegel“.

In zwei Koffern seien außerdem ein Störsender, zahlreiche Handys und Ausweise, eine Sturmhaube und Unterlagen mit Bezug zur RAF gefunden worden. Auf einem italienischen Ausweis trug Klette demnach den Namen „Claudia Bernadi“. Im Kleiderschrank habe ein Schnellfeuergewehr und in Tupperdosen verpackte scharfe Munition gelagert. Zudem habe die Polizei eine Panzerfaust samt Gefechtskopf gefunden.

Mindestens eine in der Wohnung versteckte Waffe soll dem Bericht zufolge aus einem RAF-Überfall auf ein Waffengeschäft im rheinland-pfälzischen Maxdorf im Jahr 1984 stammen. Die Ermittler seien 40 Jahre lang auf der Suche nach der Pistole gewesen, berichtete das Magazin.

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11 Kommentare

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  • „sozial prekären Umgebung, wo keine Fragen gestellt wurden nach Lebensweg, Beruf oder Familie“



    Was ist an dem Wunsch, keine Fragen zu seinem Lebensweg zu beantworten sozial prekär?



    Und warum reiht sich die taz mit dem Wiedergeben solcher Zitate in den voyeuristischen Kanon der Schmierenpresse ein?

    • @hallo was?:

      "Und warum reiht sich die taz mit dem Wiedergeben solcher Zitate in den voyeuristischen Kanon der Schmierenpresse ein?"



      Nennt sich Berichterstattung! Das Wiedergeben von Äußerungen Dritter bedeutet doch nicht das man diese auch automatisch gutheißt.

  • --Zitat aus dem Artikel: „Die Möbel in Garwegs Bauwagen und Klettes Wohnung waren zusammengesucht und abgenutzt.“ Eine bürgerliche Existenz hätten beide nicht gehabt. --



    So ergeht es auch millionen anderer Bürger_innen in der BRD (auch in meinem Familien- und Freundeskreis). Das ist der falsche Maßstab, zumal die demokratische Ordnung der BRD ja auf einer Einkommens- und Vermögensschere fundiert.



    --Zitat aus dem Artikel:



    „Das Internet aber einfach so nach Personengleichheit zu „durchforschen“, ist für die Polizei rechtlich nicht möglich“, betonte er. --



    Es ist sogar schlimmer geraten als in der Big Brother Fiktion, da nun die Öffentlichkeit selber die Ermittlungsarbeit der Behörden aufgreift. Nationale u. globale Überwachungsarbeit wird ein crowd sourcing. Welch Effizienz.



    Sicherlich gibt es dergleichen andernorts längst als Dienstleistung, private investigators (outsourced natürlich an Niedriglöhner_innen) mit Bildschirmaufträgen. Rentabel wird's allemal angesichts der z.T. schwindelerregend hohen Prämien zu Hinweisen "aus der Bevölkerung".

  • Ein Kilo Gold, ein Haufen Bargeld, Ausweise, langsam bekommt die Geschichte doch noch etwas Glamour.

  • Also ich weiß gar nicht was die Leute immer haben. 1,2 Kilogramm Gold, € 40.000, ein Störsender, zahlreiche Handys gefälschte Ausweise, eine Sturmhaube 'n Schnellfeuergewehr samt Munition (in Tupperdose) sowie . . eine Panzerfaust samt Gefechtskopf. Das sind doch ganz normale Utensilien um - wie nannte es neulich ein scharfsinniger taz-Korrespondent: ". . vermutlich nur ein ganz bürgerliches Leben (zu) führen" Und die "Straftaten, die sie dann noch verübt haben sollen, dienten dem Lebensunterhalt". Ja , Mundraub halt, Was sollen sie auch anderes tun, die so arg Verfolgten in ihrem so furchtbar prekären Untergrund.

    • @Isandlwana:

      Deswegen gibt’s heute ja auch ne Soli-Demo in Berlin. Weil der gemeine Staat diesen armen, geschundenen Senioren jetzt auch noch den Lebensabend versauen will.

  • Warum diese obsessive Jage nach 'Terroristen', die ihren 'Kampf' schon 1998 aufgegeben haben? Weil Sie eine 'Gefahr für die BürgerInnen' darstellen? Also ich habe mich von keiner Generation der RAF oder anderen Terroristen bedroht gesehen. Und obwohl ich in (Bürger-)Kriegsgebieten gearbeitet habe und Ziel von Angriffen wurde, habe ich mehr Angst, wenn ich mich in den deutschen Straßenverkehr begebe.

    Die Faszination für die Terroristen im 'Ruhestand' hat wahrscheinlich zwei Gründe: (i) Die RAF hat in ihren Statements das, was offiziell als freiheitliche Demokratie gilt, als Form eines repressiven und imperialistischen Kapitalismus angegriffen. Den Vertretern der freiheitlichen Demokratie ist es bis heute nicht gelungen, die Kritik der RAF zur Gänze zu entkräften. Die Logik von der Gewalt der RAF und der Gegengewalt des Staates ist ein Mittel, um inhaltliche Diskussionen abzuwürgen und andere Meinungen zu diskreditieren. (ii) Für die Medien ist die 'unendliche' Geschichte der RAF ein gefundenes Fressen: Suspense, Thriller, Gut gegen Böse und menschliche (Opfer-)Schicksale sind immer gut für eine Story mit Schlagzeile.

    • @Stoersender:

      "Den Vertretern der freiheitlichen Demokratie ist es bis heute nicht gelungen, die Kritik der RAF zur Gänze zu entkräften." schreiben Sie. Was hat Kritik denn für einen Nutzen, wenn sie nicht gleichzeitig ganz konkrete Lösungsvorschläge anbietet, welche über die eigene soziale Blase hinaus die Menschen begeistern? So eine Kritik hat fast gar keinen Nutzen! So eine Kritik ist nur ein destruktiver Störsender ohne konstruktiven Nutzen!

    • @Stoersender:

      Wir stellen heute auch noch Leute vor Gericht, die ihre Verbrechenskarriere 1945 aufgegeben haben und die mit Rollstuhl in den Gerichtssaal gefahren werden. Sollen wir damit auch aufhören?

      Und ganz nebenbei: Die RAF wurde nicht wegen ihrer Kritik am Staat oder am Kapitalismus verfolgt, sondern weil sie Menschen töteten.

    • @Stoersender:

      “ Die Logik von der Gewalt der RAF und der Gegengewalt des Staates ist ein Mittel…”

      …dass die RAF dem Staat mit ihren Morden selbst in die Hand gegeben hat.

      Dass Du persönlich dich nicht von der RAF bedroht fühlst, ist völlig egal. Ich persönlich habe mich auch nie vom NSU, dem Kannibalen von Rotenburg oder Thomas Drach bedroht gefühlt. Und?

    • 4G
      47351 (Profil gelöscht)
      @Stoersender:

      Sie wurde nicht primär gesucht, weil sie eine Bedrohung darstellt. Sondern für vergangene Taten, die noch nicht abgeurteilt sind.