Faesers Pläne für Abschiebungen: Freiheitsentzug leicht gemacht
Innenministerin Nancy Faeser will Abschiebungen erleichtern. Der Union geht das nicht weit genug, Grüne und Linke befürchten Grundrechtsverstöße.
Am Mittwochnachmittag legte Faeser zwei Diskussionsentwürfe vor, in denen es unter anderem um die „Verbesserung der Rückführungen“ gehen soll – also mehr Abschiebungen. Man setze damit die Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern nach dem Gipfel mit der Ministerin im Februar sowie dem Spitzentreffen mit dem Bundeskanzler im Mai um.
Demnach soll der Ausreisegewahrsam von höchstens 10 auf künftig bis zu 28 Tage ausgeweitet werden, damit Behörden mehr Möglichkeiten haben, eine Abschiebung vorzubereiten. Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sollen ein eigenständiger Haftgrund werden. Auch sollen unter „engen rechtsstaatlichen Voraussetzungen“ Behördenvertreter*innen in Gemeinschaftsunterkünften nicht nur das Zimmer von Abzuschiebenden, sondern auch Gemeinschaftsräume oder die Räume Dritter betreten dürfen.
Gleichzeitig soll der Aufenthaltstitel für Menschen mit subsidiärem Schutz von einem Jahr auf drei Jahre ausgeweitet werden, um die Behörden zu entlasten. Die Vorschläge sollen nun mit den Ländern und Kommunen diskutiert werden. Anschließend würden die Referentenentwürfe erstellt, so das Innenministerium.
Immer wieder ist von Abschiebehaft die Rede. Hinter diesem Oberbegriff stecken verschiedene Instrumente. Die vier wichtigsten im Überblick:
Vorbereitungshaft kann verhängt werden, wenn die Behörden die Ausweisung oder Abschiebeanordnung einer Person vorbereiten, darüber aber nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne Haft „wesentlich erschwert oder vereitelt“ wird. Sie muss richterlich angeordnet werden und soll maximal sechs Wochen andauern.
Eine abzuschiebende Person kann für bis zu sechs Monate in Sicherungshaft genommen werden, wenn Fluchtgefahr besteht, Grund der Ausreisepflicht eine unerlaubte Einreise ist oder sie sich der Abschiebung entzieht. Auch hier braucht es eine richterliche Anordnung.
Eine Ingewahrsamnahme erfolgt ohne richterliche Anordnung. Diese ist nur zulässig, wenn der dringende Verdacht besteht, dass Sicherungshaft angeordnet werden könnte, aber vorher keine richterliche Entscheidung mehr eingeholt werden konnte und der Verdacht besteht, dass die Person sich der Sicherungshaft entziehen will. Betroffene müssen „unverzüglich“ eine*m/r Richter*in vorgeführt werden.
Ausreisegewahrsam: Auch ohne die für Sicherungshaft nötigen Haftgründe können Ausreisepflichtige für bis zu zehn Tage eingesperrt werden: zum Beispiel wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und die Person ihre Mitwirkungspflichten verletzt oder über ihre Identität getäuscht hat. Es braucht eine richterliche Anordnung. Fluchtgefahr muss nicht bestehen. (dir)
Schon jetzt ist klar, dass es im parlamentarischen Verfahren hoch hergehen dürfte. Denn nicht einmal die Ampelfraktionen stehen geschlossen hinter den Vorschlägen. Die FDP befürwortet die Pläne. Noch immer scheiterten viel zu viele Abschiebungen, sagte deren Parlamentarischer Geschäftsführer Stephan Thomae der dpa. Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese erklärte, er begrüße, „dass die Ampelkoalition die Ordnung des Migrationsgeschehen weiter pragmatisch, zielgerichtet und mit Augenmaß anpasst“.
Die Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat hingegen kritisierte die Vorschläge scharf. „Der Ausreisegewahrsam ist aufgrund des massiven Eingriffs in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht grundsätzlich abzulehnen“, erklärte sie. In ihrer Rede zum Unionsantrag im Mai hatte Polat erklärt, es sei „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“, einem Menschen für fast einen Monat die Freiheit zu entziehen, um organisatorische Abläufe zu vereinfachen.
Die Linke nannte die Ausweitung des Sicherheitsgewahrsams, für den nicht mal Fluchtgefahr vorliegen muss, einen „neuen Tiefpunkt“ in der Migrationspolitik der Ampel. „Statt die Politik von Union und AfD zu betreiben, sollte die Bundesregierung lieber ihren Koalitionsvertrag umsetzen“, sagte Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Fraktion. Dort stünden „einige gute Vorhaben“, auf deren Umsetzung Verbände, NGOs und Betroffene seit Langem drängten – etwa Erleichterungen beim Familiennachzug oder die Identitätsklärung per eidesstattlicher Versicherung.
Der Union kommen Faesers Vorschläge zu spät und sie gehen nicht weit genug: „Dass die Ministerin in der angespannten Lage nach drei Monaten nicht einmal einen fertigen Regierungsentwurf vorlegt, grenzt an Arbeitsverweigerung“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) der dpa.
Pro Asyl kritisierte die Pläne. Diese würden zu „einem noch härteren Umgang mit Geflüchteten führen“, sagte der taz Tareq Alaows, fluchtpolitischer Sprecher der NGO. Die Vorschläge beinhalteten tiefe Eingriffe in die Grundrechte von Menschen. „Ich habe große Zweifel, ob das verfassungskonform ist“, so Alaows.
Diese Zweifel hat auch der auf Abschiebehaft spezialisierte Rechtsanwalt Peter Fahlbusch. Den Ausreisegewahrsam auf vier Wochen zu verlängern, halte er für „nicht verfassungskonform“, sagte er der taz. „Wir reden hier von Menschen, die keinerlei Versuch unternommen haben, sich zu entziehen“, so Fahlbusch.
Schon die bestehenden Regeln würden nicht rechtskonform umgesetzt. Mehr als die Hälfte der inzwischen 2.416 Menschen, die er in den vergangenen Jahren in entsprechenden Fällen vertreten habe, sei zu Unrecht in Haft gewesen. „Wir reden zusammengenommen über 32.362 rechtswidrige Hafttage, also gut 88 Jahre rechtswidrige Haft“, so Fahlbusch. „Dieser Missstand wird sich mit weiteren Verschärfungen keineswegs verbessern – ganz im Gegenteil.“
Dieser Text wurde am 04.08.2023 um 9.53 Uhr aktualisiert. d.R.
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