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Faeser und der FrauenfußballEine spaßige Niederlage

Bundessportministerin Nancy Faeser beklatscht auf Twitter die Niederlage der Deutschen gegen Kolumbien. Echt jetzt?

Am Puls der Zeit: Sportministerin Nancy Faeser (SPD) Foto: Boris Rössler/dpa

A uf Twitter wird ja viel parodiert. Und so sollte man immer zweimal schauen, ob dieses oder jenes Statement verfremdet wurde oder echt ist. Aber der Account von Innenministerin Nancy Faeser scheint authentisch zu sein. Nach der Niederlage des DFB-Teams gegen Kolumbien twitterte die SPD-Politikerin: „Was für ein packendes Spiel gegen diese starken Gegnerinnen. Es macht so viel Spaß euch zuzuschauen, @DFB_Frauen – ich bin mir sicher: ihr schafft es ins Achtelfinale!“

Okay, das Spiel war packend. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Elf ins Achtelfinale einzieht. Aber warum macht es der Sportministerin Spaß, ihr Team verlieren zu sehen? Werden hier andere Maßstäbe angelegt? Gilt das Leistungsprinzip nur halb? Das alles wäre absurd, da im Frauenfußball der Anverwandlung an die Usancen des großen Leistungssports das Wort geredet wird.

Gleichheit wird großgeschrieben. Gleiches Gehalt, gleiche Ansprüche, gleicher Fokus, gleiche Medienaufmerksamkeit. Faesers Tweet ist kon­traproduktiv, weil er impliziert: Frauenfußball ist nicht gleich; Popp und Co fliegen schon die Herzen zu, wenn sie ein paar hübsche Chancen herausspielen.

Schmeißt die Kritikmaschine an!

Vergessen wir nicht: Die DFB-Elf hat den Anspruch, Weltmeister zu werden. Wie die Männer in Katar. Als die Mannschaft von Hansi Flick Anzeichen von Schwäche in der Vorrunde zeigte, wurde die gute alte Kritikmaschine angeworfen – und knatterte alsbald auf Hochtouren. Nach der 1:2-Niederlage gegen Japan wäre niemand auf die Idee gekommen, das nette Spiel der Nationalmannschaft zu preisen. Mit dem Motto „Passt schon Jungs, weiter so!“ hätte man sich lächerlich gemacht.

Was der Frauenfußball nicht braucht: Betulichkeit, falsches Wohlwollen und eine Öffentlichkeit, die beim Sortieren der Leistungsparameter die Samthandschuhe anzieht. Wer den Fußball der Frauen ernst nimmt, der legt die harte Elle der unerbittlichen Analyse an seine Protagonistinnen, der sagt, was ist. Das Spiel gegen Kolumbien können nur Fans „spaßig“ gefunden haben, die lull und lall sind.

Die Ministerin könnte zu ihrer Verteidigung anführen, die Werte im Frauenfußball seien nachhaltiger: Hier werden Niederlagen auch mal verziehen, Engagement stehe überm Resultat. Aber das sind Sinnsprüche, die vorm Kita-Sportfest angemessen sind, nicht aber in Arenen, in denen 22 Kickerinnen auftreten, die Millionen begeistern und verdienen wollen.

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Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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17 Kommentare

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  • Fußball auf der Ebene ist Leistungssport, und da geht es ums Besserwerden und Gewinnen. Die deutschen Damen könnten allerdings auch absolut unterirdisch spielen - Frau Faeser würde immer den gleichen Text aufsagen. Zum einen erkennt sie den Unterschied nicht, zum anderen spult sie einfach ihr vermeintlich öffentlichkeitswirksames Programm ab.

  • By the way: Die Männer haben vor ein paar Wochen gegen Kolumbien mit 1:2 verloren.

    Ich finde, die DFB-Frauen sollten sich den Männern nicht zu sehr anpassen.

    Scherz beiseite: Nancy fand das Spiel unterhaltsam, trotz Niederlage. Und sie glaubt fest an ein Weiterkommen im Turnier.

    1954 hat es auch geklappt bei den Männern. Erst 3:7 verloren in der Vorrunde, dann später Weltmeister. Übrigens, beides mal gegen den gleichen Gegner (Ungarn).

  • Unpassende Bemerkungen zum Frauenfußball haben nicht unbedingt was mit dem Frauenfußball zu tun.



    sondern mit den beschränkten intellektuellen Fähigkeiten der Urheberin solcher Bemerkungen.

  • Was der (Frauen-)fußball auch nicht braucht: Diese eklige 80-Millionen-Bundestrainer-Mentalität. Den Chauvinismus, nach dem man gegen Frankreich und Brasilien verlieren darf, gegen Kolumbien _standesgemäß_ aber nicht. Die Vorstellung, der Sport mache nur Spaß, wenn man gewinnt.

    Wie auch in anderen Bereichen ist das zentrale Missverständnis dieses Kommentars, dass Gleichstellung bedeute, Frauen so zu behandeln, wie man bisher Männer behandelt hat. Dass vielleicht auch schon die Praxisformen bei den Männern das Problem sind, bleibt außenvor.

    Generell sollte sich Journalisten wie Markus Völker mal vor Augen führen, dass sich aus dem Spielmodus der WM ergibt, dass es 31 Verlierer und einen Gewinner gibt. Wenn alle besser spielen, ändert sich daran: Nichts.

    • @Wonko the Sane:

      Absolut richtig und sportlich progressiv. Gewinnen ist eben nicht alles. Oder muss es zumindest nicht sein. Es ist doch letztlich nur Spaß, gemeinsam den Körper an seine Grenzen zu führen.

      Und den Gedanken, nicht alles Miese aus der männerdominierten Welt einfach den Frauen überzustülpen, sondern die gesamte Sache mal zu überdenken und weiterzuentwickeln, finde ich auch sehr schlau und unterstützenswert. Danke!

    • 4G
      48798 (Profil gelöscht)
      @Wonko the Sane:

      Das ist aber ganz genau das, was der Autor zu Recht bemängelt:



      Normalerweise macht gewinnen doch deutlich mehr Spaß als verlieren.



      Was soll daran bitte chauvinistisch sein?



      Chauvinistisch finde ich, wenn der Frauenfußball nicht den Anspruch haben sollte, den die Männer haben: Gewinnen!

  • Gott bewahre uns Hessinnen vor dieser Frau!!!

    • @Altgrüne:

      Ich habe ja schon oft die SPD gewählt. Nancy bekommt meine Stimme aus dem schönen Taunus nicht. Sie macht sich zum Affen, wie ich finde.

  • Ist der Kommentar jetzt ernst gemeint?

    • @mlevi:

      Kaum, außer es geht irgendwo schon die Angst um, dass die SPD in Hessen das schwarz-grün "bürgerliche" Vorzeige-Projekt gefährden könnte, was wohl arg verfrüht wäre. Dem geXten von Faeser trau ich es zu. Das kann man auch als allgemeines Statement verstehen, also eher motivierend (Kopf hoch), vielleicht guckt sie sogar häufiger. Jedenfalls dieses hat sie - bei den Anstoßzeiten! - offenbar wirklich verfolgt, wenigstens in Teilen, und daher auch gesehen, dass die Deutschen ja keinesfalls schlecht waren. Im Gegenteil, da war deutlich mehr Leistung gefragt und abgerufen als beim tollen Auftakt. Also was sollte man da schreiben? Erst recht mit den Ausfällen. Wer fehlte bei den Männern in Katar?

  • Sie mag eben guten Fußball sehen, und Kolumbien hat den geboten! ;-)

    • @miri:

      Ja genau.

      Nennt sich auch Sportsgeist, fair play (im Gegensatz zu 'Krieg mit anderen Mitteln', Handschlag verweigern, nationale Selbstbestätigung und so)

      Mögen die Besseren gewinnen + Spaß am Spiel - der Rest kann weg!

      P.s. "...und Kolumbien hat den geboten" - eben im (Zusammen)-Spiel mit Deutschland...

  • Vielleicht sollte generell die Art der Kritik in der Sportberichterstattung überdacht werden. Ich empfinde sie schon seit langem völlig überzogen. Zum Sport gehört auch das Verlieren. Oft treten Sportkommentatoren noch nach (z.B. Männerfußball) oder es wird erst gar nicht über die Sportart berichtet (Badminton, Tischtennis, Volleyball, usw.usf.)



    Auch interessiert mich bei internationalen Wettkämpfen nicht nur, wie deutsche Sportler abgeschnitten haben, sondern der Sport als solches und möchte wissen, wer letztlich gewonnen hat (wenn nicht deutsch, wird oft nicht mal der Name genannt - respektlos!).



    Der Medaillenspiegel bei Olymp. Spielen ist auch ein rotes Tuch für mich. Da kompensiert Deutschland wohl irgendwelche Überlegenheitswünsche, abstoßend. Auch ein 8. Platz kann für einen Olympioniken ein großer Erfolg sein. Aber die Geschichten hinter den Sportlern, ihre vielleicht steinigen Wege zählen nicht.



    Es könnte besser laufen in der Sportberichterstattung.

  • Was hat sie denn nach dem Japanspiel der Herrenmannschaft getwittert? Es wuerde mich nicht wundern, wenn das nicht aehnlich mitreissend fuer ihre 150 Tausend Twitter Follower war. Ein schoenes Profilbild hat sie immerhin.

    Kommentar gekürzt. Bitte achten Sie auf unsere Netiquette.

    Die Moderation

  • Ich verstehe das als eine erfrischende Überwindung von Nationaldenken. Ich schaue selten sportliche Großereignisse, aber wenn, dann freue ich mich über sportliche Leistungen von Individuen oder Teams. Nicht über Nationalfarben. Anscheinend ist dieses Verständnis eher denkbar bei der Fussball-Weltmeisterschaft der Frauen. Der feministische Kampf im Sport sollte sich nicht darauf beschränken, es den mackerigen, hauptsache-gewinnen, wir-gegen-die Männern gleichzutun.

    • @Malte Schaper:

      Nur ist es so, dass es in aller Regel alle Fans aller Nationalmannschaften aller Länder der Welt anders halten.

      • @Jim Hawkins:

        Das ist die Ventilfunktion des Sports, nationalistischer Überdruck kann so relativ gefahrlos abgelassen werden.

        In Friedenszeiten.

        In Kriegs- und Krisenzeiten hingegen lässt sich auch auf so einem Spielfeld - abseits der Schlachtfelder - herausfinden, was beispielsweise mit einem Fußball, im Team, machbar ist.

        Und dass es dazu die Gegner*innen braucht.

        Für's nächste Spiel (das wieder anders ausgehen kann) auch - was einem etwaigen Vernichtungswillen Einhalt gebietet - wan schüttelt sich die Hände, bedankt sich sogar vielleicht...