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Fachtag der Bremer SozialbehördeEs gibt institutionellen Rassismus

Institutioneller Rassismus ist in Behörden noch immer oft Tabuthema. In Bremen veranstaltete die Sozialbehörde nun einen Fachtag zu dem Thema.

Racial Profiling ist verboten, passiert aber trotzdem, weil Rassismus institutionell verankert ist Foto: Bodo Marks/dpa

BREMEN taz | Sind Bremer Behörden strukturell rassistisch? Nein, hieß es in der Vergangenheit. Zum Beispiel vor zwei Jahren, als die taz bei der Sprecherin des Innensenators Ulrich Mäurer (SPD) nachgefragt hat, ob die Behörde beim Standesamt strukturellen Rassismus sehe. „Nein. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden fortlaufend in interkultureller Kommunikation geschult, da sie regelmäßig mit Menschen aus über 100 Nationen zu tun haben“, lautete damals die Antwort.

Anlass war der Streit zwischen dem Standesamt und Müttern, die Geburtsurkunden für ihre Kinder forderten. Sie warfen dem Amt vor, Vaterschaftsanerkennungen von Männern mit deutschem Pass nicht zu akzeptieren, weil es den Schwarzen Frauen unterstelle, bereits mit Männern ohne deutschen Pass verheiratet zu sein – dann nämlich ist der Ehemann automatisch offizieller Vater eines Kindes. Und die Mütter im schlimmsten Fall von Umverteilung oder Abschiebung bedroht.

Heute steht die Frage nicht mehr zur Debatte. „Wir sprechen nicht darüber, ob es institutionellen Rassismus gibt“ sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) am Dienstag im vollbesetzten Olbers-Saal im Bremer Haus der Wissenschaft. „In aller Deutlichkeit: Institutionellen Rassismus gibt es im Land Bremen und bundesweit. Sie findet sich wieder auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, im Bildungs-, Ausbildungs-, Sozial-, Gesundheits- und Justizsystem.“

Die Senatorin eröffnete damit einen Fachtag zum Thema Institutioneller Rassismus. Ausgerichtet wurde dieser vom Demokratiezentrum, das in ihrer Behörde für Soziales und Integration angesiedelt ist. Vor Ort und online nahmen rund 476 Menschen teil.

Teilnehmende aus ganz Deutschland

Es habe Anmeldungen aus allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung in Bremen und bundesweit gegeben, sagte ein Sprecher der taz vorab; darunter Innenbehörden, Sozialämter, kommunale Baugesellschaften, Wissenschaftsbehörden, Ver­tre­te­r*in­nen von Personalräten. Mit der Veranstaltung wollte man „für die institutionellen und strukturellen Dimensionen von Rassismus in öffentlicher Verwaltung sensibilisieren“, so stand es in der Einladung.

Ferda Ataman, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, sagte in ihrer Rede, dass institutioneller Rassismus viel schwerer zu erkennen sei als direkter Rassismus. Als „riesen Fortschritt“ bezeichnete sie, dass in einer Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung die Hälfte der Befragten anerkenne, dass es institutionellen Rassismus gibt.

Amir Saedi vom Demokratiezentrum Bremen wies darauf hin, dass man sich rassistisch verhalten könne, ohne „der typische Rassist“ zu sein, da rassistische Strukturen in uns allen verankert seien. Er rief die Teilnehmenden auf: „Bauen Sie Kontakte auf, lernen Sie sich kennen, verbünden Sie sich.“

Die Berliner Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung, Saraya Gomis, kritisierte, dass in einem bürgerlichen Verständnis von Rassismusbekämpfung immer von Sensibilisierung gesprochen werde. Dabei sei eine Erhöhung der emotionalen Sensibilität, so pflichtet ihr Miriam Camara bei, nicht das Ziel – zumal das alleine keine Handlungsstrategien mit sich bringe. Camara ist Beraterin für rassismuskritische Organisationsentwicklung. Es gehe bei Rassismus in Behörden nicht um Meinung oder Haltung. Gomis sagte weiter, es sei ihr „relativ egal“, ob die Mitarbeiterin einer Behörde sich zuhause rassistisch äußere. „Aber ich verlange Professionalisierung, wenn sie die Behörde betritt.“

Camara zählte anschließend die verschiedenen gesetzlichen Grundlagen auf allen politischen Ebenen auf, die rassistische und andere Diskriminierung verbieten. Ob eine Institution sich mit Rassismus beschäftigen müsse, stehe also gar nicht zur Debatte. „Wir haben genügend rechtliche Grundlagen, um zu rechtfertigen, dass wir uns bewegen müssen.“

Kritik an Diversity-Konzept der Bremer Verwaltung

Gleichzeitig sagte sie, dass nicht jegliche Diskriminierung verboten sei. So sei das Wahlrecht an die Staatsbürgerschaft gekoppelt – und somit ein Drittel der Berliner*in­nen von der Wahl zum Abgeordnetenhaus ausgeschlossen gewesen. Camara appellierte an die Politik, die entsprechenden Gesetze zu ändern.

Auch am Bremer Diversity Management Konzept, gerichtet an die Verwaltung, äußerte Camara Kritik. Das Wort Rassismus werde vermieden. Zudem werde von „Menschen mit Migrationsbiografie“ gesprochen. Bei einer Empowerment-Maßnahme gehe es dann aber doch wieder um „Schwarze Menschen“ und „Personen of Colour“. Das impliziere, dass Migrationshintergrund – also die Tatsache, dass Elternteile migriert sind – und Rassismuserfahrung das gleiche sind, was jedoch nicht stimmt.

Einen Mitschnitt des Fachtages wird es online geben. Doch was passiert mit den Ergebnissen? Der Fachtag sei ein „Start und ein Angebot, gemeinsam in die Diskussion zu gehen“ sagte Stahmann. Er solle „Mut machen, dieses schwierige Thema öffentlich anzugehen“.

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