Fachkräftemangel in der Gastronomie: Lieber Busfahrerin als Kellnerin
Trotz boomender Nachfrage laufen der Gastro-Branche die Angestellten weg, zeigt eine Gewerkschaftsstudie. Helfen könnte deutlich bessere Bezahlung.
Schlechte Bezahlung, zu viel Stress, zu wenig Wertschätzung: Immer mehr Beschäftigte kehren der Gastro-Branche den Rücken. Zu diesem Schluss kommt eine bundesweite Befragung von über 4.000 Beschäftigten in der Gastronomie und im Gastgewerbe, die die Gewerkschaft an Dienstagvormittag vorgestellt hat. Nur etwas über ein Drittel der Befragten können sich vorstellen, langfristig in der Branche zu bleiben.
Eine „alarmierende Zahl“ nennt der Vorsitzende des Bundesverbands, Guido Zeitler, die Ergebnisse. Die Pandemie habe den Fachkräftemangel noch verschärft. „Viele haben damals die Branche verlassen, weil sie vom Kurzarbeitsgeld nicht leben konnten“, erklärt Zeitler. Tausende Beschäftigte kehrten seit der Coronakrise auch in Berlin und Brandenburg der Gastronomie endgültig den Rücken und suchten Arbeit in Branchen mit besseren Arbeitsbedingungen.
Die Pandemie hätte die Schwächen in der Branche offenbart, sagt Zeitler. Denn einmal gab es einen sehr hohen Anteil an Minijobbern, die überhaupt keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld hatten. Außerdem fielen Einnahmen durch Trinkgelder ganz weg, da sie nicht durch die Sozialversicherung erfasst wurden.
Weniger Personal, mehr Stress
Unter den Folgen des Exodus haben vor allem die Beschäftigten zu leiden, die weiterhin in der Branche arbeiten. Um den Personalmangel auszugleichen, müssen sie immer öfter kurzfristig einspringen; Überstunden sind die Regel. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie den Personalmangel im Betrieb als Belastung empfinden. „Gerade in dünn besiedelten Gebieten Brandenburgs ist es schwierig, Ersatz zu finden“, ordnet Riesner ein.
Das Ergebnis ist „eine Abwärtsspirale“, die immer mehr Beschäftigte aus der Branche heraustreibt, fürchtet Zeitler. Durchbrochen werden könne diese nur durch ein radikales Umdenken der Arbeitgeber:innen. Neben besseren Arbeitsbedingungen sieht der Gewerkschaftsfunktionär dabei vor allem Lohnerhöhungen als wichtigste Stellschraube: „3.000 Euro pro Monat muss für Fachkräfte in Zukunft das Minimum sein“, fordert Zeitler.
Nach Angaben der Gewerkschaft verdient eine ausgelernte Fachkraft in Berlin derzeit im Schnitt 2.400 Euro brutto im Monat.Verschärft wird die Situation durch den Nachfrage-Boom, den die Branche nach dem Wegfall der Schutzmaßnahmen erlebt. „In Berlin mussten bereits viele Betriebe ihr Angebot einschränken“, berichtet Riesner. Ruhetage, abgesperrte Bereiche, verkleinerte Speisekarten seien keine Seltenheit. Und weniger selbst kochen: „Ich kenne Caterer, die vermehrt Fertigprodukte servieren, weil sie keine Köche mehr finden“, verdeutlicht Riesner.
Kaum Tarifbindung in der Branche
Auch bedingt durch die Erhöhung des Mindestlohns konnte die Gewerkschaft deutliche Lohnsteigerungen von bis zu 30 Prozent in den letzten Tarifverhandlungen durchsetzen. Diese kämen allerdings bei den wenigsten Beschäftigten an, erklärt Riesner. In Berlin gebe es nur in 10 Prozent der Betriebe eine Tarifbindung.
Der Branchenverband Dehoga teilt die Kritik der Gewerkschaft nur bedingt: „Die Masse der Betriebe zahlt deutlich über Tarif, sonst würden sie keine Mitarbeiter finden“, entgegnet Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Berliner Regionalverbands. Die Forderung nach höheren Löhnen käme zu einer Zeit, in der die Betriebe ohnehin schon mit einer Kostenexplosion von Lebensmittel- und Energiepreisen zu kämpfen hätten. „Für viele wird es langsam echt eng“, sagt Lengfelder. Für Riesner ist die Inflation kein Argument, auf Lohnerhöhungen für die Beschäftigten zu verzichten. „Wir fordern schon lange, dass die Gastro ihre Preise erhöht“, sagt er. Das derzeitige Preisniveau sei viel zu niedrig.
Dass es auch anders geht, will die NGG am Ende der Pressekonferenz an einem praktischen Beispiel zeigen. „Wir haben hier ein hervorragendes Catering“, weist Zeitler die Anwesenden auf mehrere auf einem Tresen liegende Schnittchenbleche hin, „vegan und tariflich bezahlt mit über 3.000 Euro Brutto im Monat.“
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