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Fachkräftemangel in Deutschland500 Milliarden für Bildung

Unternehmensberater fordern, nach der Finanz- nun auch die Bildungskrise in großem Stil anzugehen. Sonst drohen der Wirtschaft Verluste von einer Billion Euro.

Ausbildung ist ein Fass ohne Boden: Auch Küfer leiden unter Nachwuchsmangel. Bild: dpa

BERLIN taz Die Forderung ist fast frech: Wenige Tage nach dem Beschluss der Regierung, eine halbe Billion Euro zur Rettung der Banken bereitzuhalten, fordern Wirtschaftsvertreter, die gleiche Summe in Bildung und Qualifizierung zu stecken. Um den Fachkräftemangel abzuwenden, müssten in den nächsten 12 Jahren 500 Milliarden Euro investiert werden, rechnete die Unternehmensberatung McKinsey am Mittwoch vor. Sonst sei die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährdet.

"Der Unterschied zwischen der Finanzkrise und der Bildungskrise ist nur, dass die eine plötzlich über uns hereinbricht, die andere aber schleichend voranschreitet", sagte Nelson Killius von McKinsey. Die Folgen seien bei beiden Krisen gravierend. Die Unternehmensberater stützen sich auf eine Studie der Robert-Bosch-Stiftung. Die Stiftung ist Haupteigentümer des weltweit größten Automobilzulieferers, der Robert-Bosch GmbH, und damit selbst Arbeitgeber und Betroffener des Fachkräftemangels.

Der Studie nach werden bis zum Jahre 2020 rund 2,5 Millionen Menschen in den Unternehmen fehlen, und zwar hauptsächlich Facharbeiter und Akademiker. Sollte diese Lücke binnen zwölf Jahren nicht geschlossen werden, drohen der Volkswirtschaft Verluste von 1,2 Billionen Euro, warnen die Autoren. Die Verluste summieren sich aus stockendem Wirtschaftswachstum, fehlenden Sozialbeiträgen, niedrigeren Löhnen und entgangenen Steuereinnahmen.

Die Wirtschaft schlägt eine konzertierte Aktion im arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Bereich vor. So könnte die Altersteilzeit in eine Bildungsteilzeit umgewandelt werden, damit sich Fachkräfte neben der Arbeit zu Akademikern weiterqualifizieren können. "Acht Prozent der Facharbeiter müssten studieren, wenn wir mit anderen Ländern Schritt halten wollen", sagte Killian. Derzeit liege die Quote bei unter einem Prozent. Gleichzeitig sollte künftig die Hälfte der Schüler eines Jahrgangs zum Abitur und zum Studium geführt werden. Zurzeit schreibt sich kaum mehr als ein Drittel der Schulabgänger an einer Hochschule ein.

Die Kosten für diese Fachkräfteoffensive sollen nach Vorstellungen von Bosch und McKinsey vor allem die Steuerzahler übernehmen. Die Wirtschaft könnte von den 500 Milliarden Euro 100 Millionen übernehmen, schlagen beide großzügig vor - schlappe 0,2 Prozent also. Damit könnte man laut McKinsey zum Beispiel einen bundesweiten Bildungsfonds der Arbeitgeber finanzieren, aus dem Studierende zinsgünstige Kredite erhalten. Bisher haben sich die Arbeitgebervereinigungen stets gegen einen bundesweiten Stipendientopf und Zusagen gesperrt.

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1 Kommentar

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  • TS
    Tobias Speicher

    ... man könnte ja doch die Managergehälter fixieren/einfrieren und zudem einen Großteil des auf dem Rücken der arbeitenden und steuerzahlenden Bevölkerung erbeuteten Kapitals bis zu einem angemessenen Maß enteignen.... Was angemessen ist und was nicht würde in diesem Prozeß jedoch die Bevölkerung bestimmen - nicht nach Kapitalanteilen (wie so oft in den Lobbyetagen der Politik) sondern pro Kopf! Der dem es nicht passt kann das Land verlassen (ohne Geld und Grundbesitz) - Geld für Bildung und Mangagernachwuchs wäre dann genug da und profitiren würde endlich wieder jeder!

     

    Vielleicht muss es dazu jedoch gar nicht kommen - Vorraussetzung: Die Eliten und die Wirtschaft unseres Landes beteiligen sich endlich zu einem angemessenen! Teil an den Kosten für Bildung und somit der eigenen Zukunft. Denn - ohne Bildung - und zwar von Grund auf - fehlt es nicht nur an Fachkräften für die Zukunft --> Die Sicherheit für die Oberschicht und auch deren Kapital wird dann nicht mehr durch Börsenchrashs bedroht sein, nein - die persönliche Sicherheit der Oberschicht wird dann nicht mehr zu schützen sein. Nach dem Motto: "Die fetten Jahre sind vorbei".

     

    Grüße aus der Stadt der Banken, Frankfurt am Main