Facebook sperrt Hamburger NGO: „Demokratischer Schaden“
Nachdem die NGO Goliathwatch Kritik an Facebook veröffentlicht hat, ist ihre Facebook-Seite gesperrt. Eine Handhabe dagegen gibt es nicht.

Goliathwatch berichtet über Wirtschaft und Menschenrechte und kommentiert aktuelle Entwicklungen. Das erklärte Ziel: mehr Demokratie anstelle der Macht von Großkonzernen. Einer der Goliaths, an denen der Verein sich neben Google abarbeitet, ist der Facebook-Nachfolgekonzern Meta Europe.
„Facebook nutzt ein Geschäftsmodell, dass mit demokratischen und menschenrechtskonformen Standards nicht übereinstimmt“, sagt Dürmeier. „Facebook stellt den Profit durch Werbemaßnahmen über einen fairen demokratischen Diskurs.“ Gründer Mark Zuckerberg behaupte, er wolle Menschen verbinden, spalte in Wahrheit aber. „Das ist paradox.“
Dürmeier meint, Goliathwatch habe sich auf Facebook vergleichsweise moderat geäußert. Die NGO hatte die Entwicklungen um die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin und Whistleblowerin Frances Haugen geteilt, auch die Facebook-Kritik von Jan Böhmermann war auf der Seite geteilt worden.
Thomas Fuchs, Datenschutzbeauftragter Hamburg
Böhmermann folgen auf Facebook eine Millionen Menschen, Goliathwatch knapp 500. Das könne ein Grund dafür sein, warum Böhmermann, anders als Goliathwatch, weiter kritisch seine Meinung äußern könne, meint Dürmeier. „Wir sind in diesem Falle David. Wäre der Account von Böhmermann dicht, würde das einen großen medialen Aufschrei nach sich ziehen.“
Kurz vor Weihnachten hatte Goliathwatch eine Protestaktion vor dem Facebook-Sitz in Hamburg initiiert und die Spaltung von Facebook gefordert. Das dürfte dem Konzern nicht geschmeckt haben. „Facebook will seine Kritiker und uns mundtot machen. Transparenz? Fehlanzeige. Nur weil wir uns für faire digitale Wahlwerbung eingesetzt haben und europaweit schärfere Kartellpolitik wie in den USA einfordern, werden wir verbannt“, meint Dürmeier. „Wir müssen den demokratischen Schäden und den Menschenrechtsverletzungen durch die Firmenpolitik von Mark Zuckerberg endlich wirksame gesetzliche Grenzen setzen.“
Auf den Widerspruch gegen die Sperrung hat Facebook bislang nicht reagiert. Goliathwatch erwägt, juristische Schritte einzuleiten. Die NGO steht dazu bereits im Austausch mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte, einem gemeinnützigen Verein mit Sitz in Berlin, der durch strategische Klagen Menschen- und Freiheitsrechte durchsetzen will.
„Der Gesetzgeber muss endlich eine unabhängige Beschwerdestelle einrichten“, fordert Dürmeier. Wie die freiwillige Beschwerdestelle von Facebook zusammengesetzt wurde, falle weit hinter Schutzstandards für freie Öffentlichkeit zurück.
Auch der Datenschutzbeauftragte der Stadt Hamburg, Thomas Fuchs, sieht die Praktiken des Meta-Konzerns äußerst kritisch. „Wir können zu dem konkreten Fall nichts sagen, da uns der Grund der Sperrung nicht bekannt ist“, so Fuchs zur taz.
Grundsätzlich gelte aber, dass Facebook als besonders marktstarkes soziales Netzwerk Betroffene vor einer Sperrung informieren und Gelegenheit zur Stellungnahme geben müsse. „Insgesamt ist die Transparenz von Facebook sowohl bei der Löschpraxis als auch beim Datenschutz unzureichend. Deswegen ist es gut, dass hier auf europäischer Ebene weitere Vorgaben für sehr große Online-Plattformen geplant sind.“
Eine Stellungnahme zu der Sperrung seitens Facebook erhielt die taz bis zum Redaktionsschluss trotz mehrfacher Nachfrage nicht.
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