Facebook-Seite des Hamburger Senats: Tendenz zur Bürgerverblödung

Nicht nur Datenschutz spricht gegen eine Facebook-Seite des Senats. Sie verleitet die Mächtigen zur Selbstdarstellung mit seichten Themen.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher steht bei einer Ausstellungseröffnung neben dem Sesamstraßen-Krümelmonster.

Kein Facebook-Foto, aber eines, das es dort so ähnlich gibt: OB Tschentscher trifft Krümelmonster Foto: dpa/Marcus Brandt

Keine Frage, wenn Hamburgs oberster Datenschützer die Stadtregierung auffordert, ihre Facebook-Seiten vom Netz zu nehmen, dann sollte sie das auch tun und nicht arrogant einfach weitersenden. Aber auch dann, wenn die rein datenschutzrechtlichen Bedenken eines Tages geklärt wären, stellt sich die Frage, ob dieser Facebook-Auftritt politisch angemessen ist – oder auch ein bisschen Bürgerverblödung?

Zu sehen sind auf dem Senats-Facebook zum Beispiel bunte Plastikeier in Pastellfarben mit „Frohe Ostern“-Gruß. Oder Reden des Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) zu verschiedenen religiösen Festen. Oder wie der Bürgermeister mit König Charles auf dem Rathausbalkon steht, dramatisch untermalt mit romantischen Klavierklängen, die nur kurz von einem Jubelschrei unterbrochen werden, vom Volk, das unten auf dem Rathausmarkt steht.

Klar, das Internet bietet tolle Möglichkeiten der Kommunikation mit den BürgerInnen. Aber früher, bevor es diese Facebook-Seiten gab, hatte die eigentliche Homepage der Stadt, hamburg.de, einen höheren Nutzwert. Es gab zum Beispiel ein Diskussionsforum für Eltern. Das, was seit 2015 über diesen Facebook-Kanal auf die Endgeräte der Menschen gespielt wird, ist häufig Selbstdarstellung der Mächtigen zu seichten Themen.

Zu sehen ist der Bürgermeister in allen möglichen Posen, mal auf dem roten Teppich, mal mit Kindern in einer Schule, mal auf dem Bau. Es sind Wort- und Bilderbotschaften und teils auch Nachrichten, die via Soziale Medien direkt ans Volks gebracht werden, ohne die Zwischenschaltung von JournalistInnen, die kritische Fragen stellen, etwa zu den Konditionen des neuen 49- Euro-Tickets. Und es ist schon ein Unterschied, ob das festliche Foto des „Matthiae-Mahl 2023“ überschrieben ist mit: „Sicherheit in der Zeitenwende“. Oder mit: „Hat über 100.000 Euro gekostet“.

Eigenen Rundfunk darf der Staat nicht machen

Dass es hier eine „rechtliche Grauzone“ gibt, mahnte einst in einem verwandten Kontext die Rheinische Post an, als sie 2018 über Angela Merkels Youtube-Sendung „Die Kanzlerin direkt“ berichtete. Der Staat darf nämlich keinen eigenen Staatsfunk machen, das ist eine der Lehren aus Nationalsozialismus und wurde 1961 vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten ersten Rundfunk-Urteil entschieden. Der Unterschied vom Videopodcast zum Sender ist lediglich, dass Ersterer nicht live gesendet wird, sondern auf Abruf.

Zwar sind anders als 1961 heute dank Internet die Verbreitungswege vielfältig und Sendekanäle kein knappes Gut mehr. Aber die Aufmerksamkeit der Menschen ist ein kostbares Gut. Deshalb ist es schon eine politische Handlung, wenn sich der Staat mit weichgespülten Botschaften unter die Facebook-Freunde mischt. Er befördert damit die Verflachung der Kommunikation.

Darum sollte der Senat diese Facebook-Seite einstellen und stattdessen den BürgerInnen Information und Dialogforen auf einer städtischen Homepage anbieten. Dort könnte der Schutz der Daten beachtet werden, und kein Tech-Riese aus den USA würde sie abfischen. So eine Homepage könnten die Menschen aufrufen, wenn sie etwas wissen wollen. Und ja, so ein, zwei Fotos dort, um zu wissen, wie der Bürgermeister aussieht, wären auch okay.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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