FPÖ-Einfluss auf Österreichs Medien: „Optimale“ Objektivität
Mit dem Regierungswechsel befürchten viele, dass der ORF auf Linie gebracht werden soll. Eine Moderatorin kündigte bereits – wegen FPÖ-Hetze.
Ein Spruch des neuen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) macht die Runde im Österreichischen Rundfunk (ORF): „Auch im ORF wollen wir Optimierungen vornehmen, was die Objektivität betrifft.“
„Klingt interessant“, twitterte darauf Armin Wolf, der mächtigste Anchorman des ORF und löste mit seinem sarkastischen Kommentar eine Debatte über die Optimierbarkeit von Objektivität aus. Redakteurssprecher Dieter Bornemann meint, „wenn diejenigen, über die wir Journalisten berichten, nach mehr Objektivität rufen, meinen sie meist Parteilichkeit in ihrem Sinne. Der Maßstab für Objektivität ist schwer zu definieren – vor allem, wenn man selbst im Mittelpunkt der Berichterstattung steht.“
In den Redaktionen erinnert man sich mit Gruseln an die von der Schwarz-blauen Regierung unter Wolfgang Schüssel (ÖVP) installierte Generaldirektorin Monika Lindner und deren Chefredakteur Werner Mück, die den ORF politisch auf Linie brachten. Legendär ist auch das „Moltophon“, die Anrufe von Exvizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP), der unverhohlen zu intervenieren trachtete, wenn ihm ein Beitrag nicht passte.
In den wesentlichen Punkten sind die Pläne der neuen Regierung noch zu wenig konkret, um in den Redaktionen am Wiener Küniglberg Alarmstimmung auszulösen. Im Stiftungsrat, dem Aufsichtsgremium des ORF, ändern sich aber durch die Wahl vom 15. Oktober die Mehrheitsverhältnisse. Der Vorsitz wird vermutlich von der SPÖ zur FPÖ wechseln. Insgesamt werden ÖVP und FPÖ über Ländervertreter und Regierungsdelegierte eine satte Mehrheit haben.
Privatisierung? Technisch nicht einfach
Einzelne Kolleginnen und Kollegen bemerken auch, dass der eine oder die andere bereits in vorauseilendem Gehorsam kritische Anmerkungen zu den neuen Machthabern unterdrücken oder sich offen als zuverlässige Ansprechpartner anbiedern. Das Klima könnte aber rauer werden. Ingrid Thurnher hat die Moderation der sonntäglichen Diskussionssendung „Im Zentrum“ abgegeben, weil sie in den FPÖ-Medien und sozialen Medien aufs Wüsteste beschimpft und sexistisch heruntergemacht wurde, wenn sie einen FPÖ-Politiker zu kritisch befragte.
Norbert Steger, einst Vizekanzler einer SPÖ-geführten Regierung in den 1980er Jahren, war als Stiftungsrat der FPÖ in die Regierungsverhandlungen eingebunden. Er gilt als moderat und Heinz Lederer, der Leiter der SPÖ-Fraktion im Stiftungsrat, ist überzeugt, dass er imstande sei, auf extremere Kräfte in der FPÖ einzuwirken. Das Medienkapitel des Koalitionsabkommens sieht den befürchteten Kahlschlag im ORF jedenfalls nicht vor. Auch die Ablöse des SPÖ-nahen Generaldirektors Alexander Wrabetz dürfte nicht auf der unmittelbaren Prioritätenliste stehen.
Während des Wahlkampfs ventilierte Pläne, Teile des größten Mediums, namentlich den TV-Kanal ORF1 und den populären Radiosender Ö3, zu privatisieren, sind dezidiert vom Tisch. In den Regierungsparteien dürfte man eingesehen haben, dass das technisch gar nicht so einfach ist. Außerdem ist Ö3 die cash cow des Rundfunks, auf deren Werbeeinnahmen zu verzichten schlicht unklug wäre. Begrüßt wird im ORF auch der Plan, die Rundfunkgebühr auch auf die Streamingdienste auszuweiten. Bisher wird nur der Empfang über Fernsehgeräte besteuert.
ORF als Verbündeter
Markus Breitenecker, Chef der privaten ProSiebenSat.1-Puls-4-Gruppe, die vor einigen Monaten auch den ehemaligen Konkurrenten ATV geschluckt hat, sieht den ORF als Verbündeten. „Initiativen, die den ORF dort schwächen, halte ich für kontraproduktiv“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „NEWS“: „Wir müssen den ORF, das öffentlich-rechtliche System, neu denken, neu erfinden, weil wir es brauchen, um einen gemeinsamen Abwehrkampf gegen die Silicon-Valley-Medien zu führen“.
Interpretationsbedürftig ist der im Regierungsprogramm festgeschriebene Auftrag: „Neben österreichischen Inhalten sind auch die Leistungen österreichischer Künstler, Sportler und Produzenten für die nachhaltige Identitätssicherung entsprechend im öffentlich-rechtlichen Auftrag als Schwerpunkt zu verankern. Österreichische Künstler sind in den Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstärkt und nachhaltig zu fördern.“
Vorerst ein Scherz ist wohl, was jemand auf Twitter mutmaßte: Wahrscheinlich werde der rechte Lederhosenrocker Andreas Gabalier häufiger vorkommen.
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