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FDPler über Deutschlandstipendium„Privates Geld hat kein Geschmäckle“

Andreas Pinkwart verteidigt seine Idee, die Wirtschaft an dem neuen Stipendium zu beteiligen. Endlich würden auch mit privatem Geld Begabte gefördert.

Hat er ein Deutschlandstipendium? Gar Aussichten auf einen Job in der Spenderfirma? Bild: dpa
Bernd Kramer
Bernd Kramer
Interview von Bernd Kramer und Bernd Kramer

taz: Nur 0,5 Prozent aller Studierenden bekommen ein Deutschlandstipendium, halb so viele wie geplant. Das Projekt, das Sie einst miterfunden haben, ist eine Totgeburt. Was spräche dagegen, dass die neue Bildungsministerin Johanna Wanka es beerdigen würde?

Andreas Pinkwart: Na ja, „Totgeburt“, das ist Ihre Interpretation. Sehen Sie es einmal so: 2005 hatten wir in Deutschland 16.500 staatlich geförderte Stipendien, jetzt haben wir 44.000. Das liegt nicht zuletzt daran, dass mit dem Deutschlandstipendium endlich auch privates Geld für die Begabtenförderung mobilisiert werden konnte.

Dafür müssen die Unis ihren Geldgebern aber auch jeden Wunsch erfüllen.

Sie suggerieren, eine private Beteiligung habe immer irgendein Geschmäckle. Ich erlebe das anders. 50 Prozent der Stipendienzusagen sind ungebunden, also nicht an eine Fachrichtung gekoppelt. Und es sind nicht nur Unternehmen, die fördern, sondern oft kirchliche oder karitative Vereine, Privatpersonen und Ehemalige einer Hochschule. Das Engagement ist sehr breit und wird in hohem Maße von ideellen Motiven bestimmt. Die Förderer wollen einfach ihre Hochschulen unterstützen.

Der Stifterverband wirbt in einer Broschüre explizit mit den Mitbestimmungsmöglichkeiten.

Ich kann nicht erkennen, dass es Einflussnahmen gibt. Ein Anreiz mag sicher darin liegen, dass man als Förderer mit dem Stipendiaten in Kontakt treten kann. Aber weder für die Hochschule noch für den Stipendiaten gibt es irgendeine Verpflichtung, sich gefällig zu zeigen.

Bild: ap
Im Interview: Andreas Pinkwart

52, FDP, war von 2005 bis 2010 Wissenschaftsminister in Nordrhein-Westfalen. Seit 2011 ist er Rektor der privaten Handelshochschule Leipzig. Das von ihm initiierte NRW-Stipendium gilt als Vorläufer des Deutschlandstipendiums.

Die Konstruktion des Deutschlandstipendiums verhindert allerdings auch keine Gefälligkeiten.

Sehen Sie es einmal positiv. Das private Engagement im Bildungsbereich ist in Deutschland traditionell unterentwickelt. Hier kann das Deutschlandstipendium einen Beitrag leisten.

Ist es denn richtig, mit Steuergeldern die Personalpolitik von Unternehmen zu subventionieren?

Das Deutschlandstipendium ist kein Instrument der Personalauswahl.

Aber viele Unternehmen sehen darin ein vorgelagertes Assessment Center. Die erhoffen sich explizit Kontakte zu qualifizierten Nachwuchskräften.

Wir würdigen Spitzenleistungen zu wenig. Wenn wir dieses Defizit abbauen, hilft das natürlich Unternehmen. Aber vor allem hilft es uns als Gesellschaft.

Ein Hartz-IV-Empfänger muss seine Verhältnisse offenlegen. Ein Stipendiat bekommt 300 Euro ohne Prüfung seiner Bedürftigkeit. Ist das richtig?

Ihre Frage zeigt doch, dass Sie von der falschen Denke ausgehen. Eine Begabtenförderung ist nicht dazu da, den Lebensunterhalt zu sichern. Dafür haben wir das Bafög.

Aber als kleine Anerkennung sind 300 Euro eine Menge Geld.

Finden Sie? Für 300 Euro können Sie sich heute vielleicht drei oder vier Fachbücher kaufen.

Die müssen sich auch die Studierenden kaufen, die kein Stipendium bekommen.

Bei einem Stipendium geht es um eine zusätzliche Förderung für besonders begabte Studenten. 300 Euro sind angemessen und unseres Landes würdig.

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8 Kommentare

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  • HA
    Herbert A. Eberth

    Wer glaubt denn noch, dass die FDP ein Stipendienmodell befürwortet, das nicht in irgendwie und vor allem ihrem Wählerklientel zugute kommt? Und warum sollte ein Unternehmen einen Stipendiaten fördern, wenn es sich nichts davon verspricht? Das wird unter den gegebenen Systembedingungen wahrscheinlich als "normal" betrachtet. Ob es sich mit dem hehren Anspruch der "Unabhängigkeit der Wissenschaft" vereinbaren lässt, ist eine andere Frage, die unter den bereits angesprochenen Systembedingungen in den Reihen des FDP-Klientels kaum gestellt werden dürfte.

  • M
    Mensch

    Diese Stipendien sind abzulehnen, weil sie Teil der Totalökonomisierung unserer Gesellschaft sind: Alle Bereiche der Gesellschaft, einschließlich der Universitäten werden durch ökonomische Interessen verseucht. Und offensichtlich sind weder Politik, noch die Gesellschaft bereit, diesem vulgären Treiben Einhalt zu gebieten. Anstatt Universitäten Studenten und akademisches Personal finanziell angemessen auszustatten, werden diese immer stärker dem Einfluss der Wirtschaftsideologen ausgesetzt. Anstatt Stipendien für Einzelfälle zu finanzieren, sollten die betroffenen Unternehmen angemessene Steuern zahlen, eine zweckgebundene "Bildungsabgabe" leisten.

  • G
    glabglab

    "Denke" > Gibt es das Wort "Denkweise" nicht mehr? Schade.

  • A
    anke

    Bernd Kramer braucht gar nichts zu "suggerieren". Dass private Beteiligung im Sinne eines persönlichen Engagements immer mit Erwartungen verbunden ist, weiß jeder taz-Leser aus eigener Erfahrung. Das "Geschmäckle", von dem Andreas Pinkwart redet, haben wir alle auf der Zunge. Es ist dies eine Frage der Gerechtigkeit. Wie du mir, so ich dir. Viel mehr "ideelle Motive" braucht im 21. Jahrhundert kein Mensch. Schließlich haben kluge, einflussreiche Menschen wie Wittgenstein und Quine uns gelehrt, dass der "Begriff Idee" keinerlei "philosophische Relevanz" besitzt und "jede Beschäftigung damit" ganz und gar "unnütz" ist, weil damit "nur eine Illusion von Erklärung erzeug[t]" wird (Quelle: Wikipedia).

     

    Merke: Wer "seine Hochschule" aus purer Dankbarkeit unterstützen will, der kann anonym spenden. Alle anderen sollten das Rückgrat haben sich zu ihren Motiven zu bekennen. Unabhängig davon, ob man ihnen eine Pflicht dazu auferlegt oder nicht. Das "private Engagement im Bildungsbereich" ist in Deutschland nämlich keineswegs "unterentwickelt". Schon gar nicht "traditionell". Alle internationalen Studien belegen das genaue Gegenteil. Die Herkunft und also das private Engagement der Eltern entscheidet über den Bildungsweg unseren Nachwuchses, und zwar ganz unabhängig von seiner Begabung. Diese "natürliche Selektion" dadurch zu verstärken, dass man auch noch die private Wirtschaft in Versuchung führt, ist der falsche Weg. Wenn es aber nach der FDP geht, dann werden wir diesen Weg gehen. Anderenfalls nämlich könnte die Partei ihre Wähler ja gleich dazu auffordern, kräftig Steuern zu zahlen, und die Verteilung der Mittel den Profis zu überlassen.

     

    P.S. Zusätzliche Fachbücher brauchen vermutlich eher die weniger begabten Studenten. Besonders begabte schreiben ohnehin lieber selbst. Nein, nicht ab.

  • PJ
    Peter Janning

    300,- sind keine Unsumme - im Jahr 3600,-€ die zudem - wenn ich mich recht erinnere - auch noch auf den Freibetrag von 4800,-(?) bei der BAföG-Bemessung angerechnet werden (das gleiche Problem im Übrigen wie bei dualen Studiengängen mit Vergütung durch den Ausbildungsbetrieb, die halfen soll das Studium selbst zu finanzieren? Haha!!)- wirklich unterstützt wird hier leider nicht der Bedürftige (der gibt es nämlich durch die Hintertür am Bafög-Amt wieder ab)- sondern der der hat - aber neidlos muß man doch Fragen: wenn es keinen anderen schadet warum nicht? - wenn es die Diskussion um die Bildungsförderung der Bedürftigenweiter belebt -

  • R
    reorient

    "Ihre Frage zeigt doch, dass Sie von der falschen Denke ausgehen." Die Frage ist richtig, unangemessen ist, um einmal auf der gleichen Ebene zu bleiben, der Antwort-Sprech von Pinkwart.

  • C
    Celsus

    So anerkennenswert die Spenden von einzelnen Privaten sind:

     

    Das kann beileibe nicht den Staat von seiner Verpflichtugn und seiner Aufgabe befreien, die sozialen Aufgaben zu erfüllen und fair auf die Schultern je nach Tragkraft zu verteilen.

     

    Die FDP sollte usn nicht vorgaukeln, dass die Aufgaben korrekt und mit fairer demokratischer Teilhabe auch bei immer stärkerer Beteiilgung von Privaten erfüllt werden könnten. Nein. Ein Übergewicht der Spender bei der Bestimmung über die Stipendien ist dann zu befürchten.

  • G
    Gonzi

    Vielleicht sollte Herr Pinkwardt den Spendenwilligen die Freude eines Erfolges dort verschaffen, wo junge Menschen bislang nicht in die Lage versetzt wurden, ihre „Begabungen“ zu zeigen und zu entwickeln.

     

    Da könnte ihm doch sicherlich was einfallen, wo das Geld dringend gebraucht wird.