FDP-Politiker Lindner zur Euro-Rettung: "Frank Schäffler bietet keine Lösung"
Bald endet der FDP-Mitgliederentscheid zur Euro-Rettung und nur wenige Liberale machen mit. Generalsekretär Lindner wertet das als Zustimmung für die Parteiführung.
taz: Herr Lindner, kommenden Dienstag endet der FDP-Mitgliederentscheid. Die Kreisverbände haben dazu 160 Veranstaltungen organisiert, bei wie vielen sind Sie selbst aufgetreten?
Christian Lindner: Jetzt im Herbst hatte ich 19 Veranstaltungen mit unserer Parteibasis. Wir hatten ja auch Grundsatzwerkstätten und anderes mehr.
Hatten Sie den Eindruck, die Mitglieder zu überzeugen?
32, ist Generalsekretär der FDP. Dem Bundesvorstand gehört der Nordrhein-Westfale seit 2007 an, seit 2009 ist er Generalsekretär. Er ist ein Verfechter des Euro-Rettungsschirms und hat an 19 Mitgliederdebatten teilgenommen.
Ja. Viele Besucher kommen mit einer intuitiven Nähe zu Frank Schäfflers Position, gehen dann aber mit Verständnis für unsere verantwortliche Politik. Das Management der Schuldenkrise ist ja auch komplex: gefühlt zwei Schritte vor, einen Schritt zurück. Die wirklichen Alternativen stehen dabei innerhalb der FDP gar nicht zur Abstimmung. Das sind ein marktwirtschaftlich-wettbewerbliches Europa einerseits, eine zentral gelenkte Wirtschaftspolitik aus Brüssel mit Einheitszinsen andererseits. Alle in der FDP wollen eine Stabilitätsunion. Frank Schäffler lenkt von der Auseinandersetzung ab, die die Koalition mit den Parteien links der Mitte zu führen hat.
Gab es auch mal richtig Krach?
Die Veranstaltungen sind zum Teil herzhaft. In München waren vergangene Woche 400 Leute, da gab es auch Szenenapplaus. Für beide Seiten übrigens. Mich hat aber beschwert, dass Besucher, die Fragen hatten, mitunter von einem bestimmten Teil des Publikums ausgebuht wurden. Ein Teil der Anhänger von Frank Schäffler pflegt nicht den Umgang, der bei uns sonst üblich ist.
Schäffler möchte, dass die FDP-Abgeordneten gegen den Rettungsschirm ESM stimmen. Den Antrag des Bundesvorstands nennt er "Lyrik", einen "Freibrief für die Parteiführung". Kränkt Sie das?
Das, was er da sagt, gehört zum Meinungsspektrum einer Partei. In der SPD gibt es ja auch einen Otmar Schreiner. Frank Schäffler muss sich umgekehrt von uns anhören, dass er keine Lösung anbietet. Er vertritt zwar Prinzipien, die wir teilen, aber er bleibt bei diesen Prinzipien einfach stehen - neben einer Krise, der wir nun mal nicht entfliehen können, weil es unter Rot-Grün ordnungspolitische Sündenfälle gegeben hat. Mit einem schlichten Nein macht er es sich zu einfach.
Ich wundere mich eher über einen Teil von Franks Unterstützern. Die sprechen nicht mehr von EU, sondern wegen angeblicher Demokratiedefizite ernsthaft von einer EUdSSR. Einer der Initiatoren trat auch einmal für die merkwürdige Libertas-Partei in Erscheinung, die gegen den Lissabon-Vertrag polemisiert hat. Die FDP hat immer für das europäische Deutschland gekämpft. Diese Tradition der FDP werden wir nicht räumen.
Rund 15.000 Mitglieder haben bisher abgestimmt, 21.500 müssten für das Quorum zusammenkommen. Woher rührt nach so aufgebrachten Debatten dieses Desinteresse?
Es kann eine bewusste Entscheidung sein, sich nicht zu beteiligen. Möglicherweise hält ein Großteil der Mitglieder es nicht für erforderlich, den Kurs der FDP in der Europafrage zu korrigieren.
Wie wichtig erscheint Ihnen selbst denn überhaupt noch der Mitgliederentscheid?
Die Debatte über Europa ist und bleibt wichtig. Wir sind die einzige Partei, die darüber mit den Bürgerinnen und Bürgern spricht. Wir schauen jetzt auf den EU-Gipfel, der hoffentlich weitere Schritte zur Stabilitätsunion bringt. Außerdem liegt alles, was im Bundestag zu entscheiden ist, in der ganz individuellen Freiheit des einzelnen Abgeordneten. Das beste Beispiel dafür, dass es kein imperatives Mandat gibt, ist ja Frank Schäffler selbst. Er hat sich an keinen einzigen Parteitagsbeschluss zu diesem Thema gehalten.
Auf der Website von Schäfflers Initiative ist von nicht zugestellten Wahlunterlagen die Rede, in seinem Wahlkreis hätten 15 Prozent der Mitglieder keine erhalten. Was läuft da schief?
Wenn es so wäre, dann wäre die Adresskartei seiner Parteigliederung nicht in Ordnung. Wer keine Unterlagen bekommen oder sie verloren hat, kann eine erneute Zustellung veranlassen. So einfach ist das.
Auf den Veranstaltungen sind kaum FDP-Frauen aufgetreten. Ist der ESM ein Jungsthema?
Die Präsidiumsmitglieder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Elke Hoff, Nicola Beer und Birgit Homburger haben sich intensiv eingebracht. Das muss nicht immer nur auf Podien erfolgen, sondern auch in der Öffentlichkeit oder im persönlichen Kontakt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“