FDP-Politik mal ganz sportlich: Deutsche Meisterin der Anträge
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Britta Dassler ist familiär mit dem großen Sport verbunden. In der Politik lernt sie ihn aber ganz neu kennen.
Es gibt vermutlich nur wenige Bundestagsabgeordnete, die so anschaulich und ohne Argwohn über ihre politische Arbeit erzählen. Britta Dassler hat in ihr Büro eingeladen, Thema ist gerade der Anlass ihrer jüngsten politischen Initiative. Ein Freund von ihr, berichtet die FDP-Obfrau des Sportausschusses, der Spielerberater zweier prominenter Fußballnationalspieler sei, habe sie angerufen und gesagt, man habe ein Riesenproblem in der Branche.
Die Fifa wolle im kommenden Jahr die Vermittlungsgebühr begrenzen und festlegen, wie viel Prozent die Berater von den Spielern noch nehmen dürften. „Das geht gar nicht“, sagt Dassler, „wir haben eine freie Marktwirtschaft. Die Fifa darf als privat geführter Verband hier nicht eingreifen.“ Sie habe das Anliegen sofort mit Fraktionschef Christian Lindner besprochen und sei daraufhin tätig geworden. Die Anfrage an die Bundesregierung war noch in der Sommerpause raus. Vergangene Woche kam die Antwort. Eine Begrenzung geht doch, sagt die Regierung. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Erzählung von Dassler löst geradezu klassische Zuordnungsreflexe aus: Aha, denkt man, typische FDP-Klientelpolitik, die sich vornehmlich den Sorgen der betuchten Profitmaximierer widmet. Dassler möchte dagegen mit dem Beispiel und ihrer Transparenz etwas anderes erzählen: Sie packt die Dinge an, die an sie herangetragen werden. Sie kümmert sich. Und die Liste ihrer Aktivitäten ist tatsächlich so lang, dass sie nicht über einen politischen Kamm geschert werden können.
„Zu Beginn waren die Kollegen im Sportausschuss überrascht, in welcher Breite und Fülle wir unsere Anträge vorgestellt oder Kleine Anfragen eingebracht haben, zumal es auch meine erste Legislaturperiode als Mitglied des Bundestags ist“, erzählt sie. Anfragen und Anträge hat die 56-Jährige zu etlichen Themen gestellt: zu den European Games in Belarus und zur Menschenrechtslage vor Ort, zum Datenaustausch mit Russland während der WM 2018, zur Bekämpfung von Homo- und Transphobie im Sport, zum sexuellen Missbrauch im Sport, zu Olympiastützpunktschließungen, zur Anerkennung von E-Sport, zum Antidopingkampf und noch einigem mehr. In der Periode davor, sagt Dassler, seien fast gar keine Anträge im Sportausschuss gestellt worden.
Ein Huhn, das vor über 100 Jahren eingemacht wurde, zwei Weltkriege überstanden hat und angeblich immer noch existiert? Klingt irre, ist aber eine seit Generationen erzählte Familiensaga unserer Autorin – in der taz am wochenende vom 12./13. September. Außerdem: Jens Spahn im Interview über Corona und die Grünen. Und: Moria ist abgebrannt. Wie geht es für die Geflüchteten weiter? Ab Samstag am Kiosk, im eKiosk, im praktischen Wochenendabo und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Die familiäre Bande zu Puma
Als sie im Herbst 2017 erstmals in den Bundestag zog, begleitete die Sparkassenbetriebswirtin der Argwohn, ihr Nachname habe sie in den Sportausschuss getragen. Schließlich heiratete sie in die Dassler-Familie hinein, die einst durch einen Brüderzwist vorangetrieben die beiden großen Weltsportmarken Adidas und Puma schuf. Britta Dasslers Ehemann ist der Enkel des Puma-Gründers Rudolf Dassler.
In den 80er Jahren begegnete Britta Dassler einmal bei einem Schwiegerelternbesuch in Herzogenaurach auf deren Terrasse Boris Becker und Martina Navratilova. Sie staunte nicht schlecht, als sie direkt danach erfuhr, wie opulent Becker von Puma bezahlt wurde. Lange Zeit hat sich Britta Dassler eine bemerkenswert arglose Sicht auf den Sport bewahrt – trotz ihrer verwandtschaftlichen Nähe zu deren ganz großen Geschäftsadern. Politik ist Politik und Sport ist Sport – das sei noch vor ihrem Umzug nach Berlin ihre Überzeugung gewesen. Diese bröckelte allerdings rasch. „Ich habe nach zwei, drei Obleutesitzungen schon gemerkt, wie verwoben Sport mit Politik ist.“
Gerade der Adidas-Zweig der Familie Dassler tat sich in den 80er Jahren damit hervor, besonders effiziente und gar globale Netzwerke zu schmieden. Der einstige Adidas-Chef Horst Dassler gilt als Erfinder der modernen Sportkorruption, einem Arbeitsbereich, bei dem die Grenzen zwischen Sport und Politik unmerklich verschwimmen. Zeit Online brachte es im Jahr 2014 auf die Formel: „Der Weltsport wird von Dassleristen regiert.“
Britta Dassler
Über Adidas, sagt Britta Dassler dazu, habe man im Hause Puma nicht gesprochen. Ein Tabu. Sie sitzt nun auf den Oppositionsbänken des Parlaments und schreibt im Sportausschuss unermüdlich Anträge, die allesamt abgelehnt werden. Das ist Teil der parlamentarischen Gepflogenheiten. Und Dassler hat sich in dem System schnell eingefunden: „Zu Beginn meines Mandats war vieles noch neu, aber nach einer kurzen Einarbeitung war ich mit den parlamentarischen Abläufen vertraut. Es läuft richtig gut.“
Eigene Ziele werden über Bande erreicht. Ihr Antrag etwa die Invictus Games für versehrte Soldaten nach Deutschland zu holen, wurde zwar abgelehnt, kurze Zeit später reichten aber die Regierungsparteien einen Antrag mit der gleichen Stoßrichtung ein. Ähnlich erfolgreich kämpfte sie mit anderen Parteien auch für eine vom Deutschen Olympischen Sportbund wirklich unabhängige Athletenvertretung.
Beim E-Sport ist indes ein anderer Trend zu erkennen. Während die Regierungsparteien noch im Koalitionsvertrag auf FDP-Kurs für eine Anerkennung von E-Sport warben, sind sie mittlerweile zurückgerudert. Britta Dassler sagt, die ganze Bewegung sei dennoch nicht aufzuhalten. „Für uns ist das auch Sport. Da stecken auch motorische Fähigkeiten dahinter. Die Gamesbranche ist ein großer Wirtschaftsfaktor.“
Die Streitfrage eignet sich zumindest dafür, eigenes Profil zu gewinnen. Das ist ansonsten im häufig konsensorientierten Sportausschuss eher schwierig. Tausende von jungen Menschen hätten ein Bundestagsdebatte dazu weit nach Mitternacht verfolgt, berichtet Britta Dassler. Ein Feld, auf dem sich fraglos größere politische Erfolge erzielen lassen als im Kampf um Spielerberaterhonorare.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen