Extremismus-Klausel in Niedersachsen: CDU wittert überall Verfassungsfeinde
Die niedersächsische CDU möchte, dass Mitarbeiter des Landtags strenger auf „Extremismus“ überprüft werden. So einfach ist das aber nicht.
Kein Steuergeld für Extremisten und Antisemiten, das fordert die niedersächsische CDU ganz plakativ. Sie tickt damit ein Thema an, das viele Landtage beschäftigt, spätestens seit große Recherchen aufgedeckt haben, dass es im wachsenden Umfang AfD-Fraktionen gibt, die offen rechtsextreme Mitarbeiter in die Parlamente schleusen.
Das ist vor allem dort ein Problem, wo diese Zugang zu sensiblen Daten und sicherheitsrelevanten Bereichen haben. Und natürlich wurmt es viele Demokraten, auf diese Weise Verfassungsfeinde auch noch finanzieren zu müssen.
Die Beseitigung dieses Missstandes ist allerdings nicht ganz so einfach, wie viele zunächst dachten. Viele Landtage haben dazu schon Gutachten erstellen lassen, auch für den Bundestag gibt es eines.
Da sind ein paar Dinge abzuwägen: Die Freiheit des Abgeordnetenmandats zum Beispiel, die ein hohes Gut ist und die auch die Wahl der Mitarbeiter umfasst – die eben nicht einfache Staatsbedienstete sind, von denen man ohne Weiteres Verfassungstreue verlangen darf.
Wer bestimmt, was gefährlicher Extremismus ist?
Und dann ist da die Frage, wer bestimmt, was gefährlicher Extremismus ist und was nicht. Man könnte wohl eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz auch für Fraktions- und Abgeordnetenmitarbeiter installieren. So hat beispielsweise der Landtag in Rheinland-Pfalz einfach die ohnehin vorgesehene Zuverlässigkeitsprüfung für Mitarbeiter verschärft. Wer nun Mitglied einer verbotenen Organisation war oder ist oder wegen einer Staatsschutzsache rechtskräftig verurteilt wurde, muss seinen Arbeitsvertrag (und sein Gehalt) zurückgeben.
Aber jenseits dieser hohen Hürde bleibt das Ganze naturgemäß schwieriger. Was ist, wenn eine Organisation oder eine Person lediglich vom Verfassungsschutz beobachtet wird?
Und die CDU in Niedersachsen macht es gleich noch ein bisschen komplizierter, weil sie erstens auch noch eine Antisemitismus-Klausel ins Gesetz schreiben möchte (als ob das kein heißumkämpfter Begriff sei) und zweitens nicht nur Fraktionsmitarbeiter und Abgeordnetenmitarbeiter ins Visier nimmt, sondern die Regelung auch gleich noch auf alle Fördermittelempfänger in Niedersachsen ausdehnen möchte – also auch auf die, die über Kulturvereine oder den Landessportbund Steuermittel erhalten. Angestrebt wird hier nicht nur eine Änderung des Abgeordnetengesetzes, sondern auch der Landeshaushaltsordnung.
Wenn man sie nach den Gründen dafür fragt, sagt die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion, Carina Hermann, sie habe dabei keine konkreten Missstände vor Augen gehabt, die man abstellen wolle. Es gehe vielmehr um die gesamtgesellschaftliche Entwicklung, eine Stärkung der wehrhaften Demokratie, die schließlich nicht nur im Parlament unter Druck stünde.
CDU-Vorschlag wird bald im Landtag beraten
Bei diesem Umfang kann man natürlich nicht mit Regelabfragen beim Verfassungsschutz arbeiten, allenfalls mit Verfassungstreueerklärungen oder Fragebögen.
Eine nähere Überprüfung soll es nach Vorstellungen der CDU aber auch nur dann geben, wenn es konkrete Hinweise auf extremistische oder antisemitische Einstellungen gäbe. Wenn sich die bestätigen, sollen Gelder allerdings auch zurückgefordert werden dürfen. Das sei bisher eben überhaupt nicht möglich gewesen und diese Lücke habe man schließen wollen.
Bei den Vereinen, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Bajus gegenüber der dpa, müsse man allerdings aufpassen, dass man ehrenamtliche Strukturen nicht mit zusätzlicher Bürokratie belaste und unter Generalverdacht stelle.
Das, versichert Hermann, sei auch überhaupt nicht beabsichtigt. Verantwortlich seien ja ausschließlich, die Stellen, die Gelder verteilen – und das seien in der Regel keine Ehrenämter.
Davon abgesehen, haben natürlich weder Grüne noch die SPD Einwände dagegen, AfD-Mitarbeiter strenger zu überprüfen. Man werde den Vorschlag prüfen und in den zuständigen Ausschüssen beraten, heißt es.
Die AfD selbst gibt sich dagegen betont gelassen: „Wir stehen hinter unseren Mitarbeitern“, erklärte der AfD-Abgeordnete Peer Lilienthal. Am Mittwoch steht das Thema auf der Tagesordnung des niedersächsischen Landtages.
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