Extremismus-Experte über rechte Musik: „Volksmusik bis Black Metal“
Der Rechtsextremismusexperte Martin Döring über Konzertumsätze, klassische Bückware und einen hohen szenestabilisierenden Effekt.
taz: Herr Döring, was hört der Neonazi heutzutage?
Martin Döring: Da ist fast jeder Stil dabei. Das braune Weltbild wird sowohl in Form von Volksmusikliedern als auch in HipHop-Songs und Black-Metal-Stücken transportiert. Bei Konzerten dominiert aber eindeutig lauter Rechtsrock, der aggressive Töne mit rassistischen Texten verbindet.
Mit Hass lässt sich offenkundig Geld machen. Wie viel verdienen Rechtsextreme mit Musik?
Das lässt sich nicht auf Heller und Cent beziffern, aber seit den 90er Jahren hat sich in Deutschland eine Musik- und Vertriebsstruktur etabliert, die nicht nur das Ziel verfolgt, braune Meinungen unters Volk zu bringen, sondern auch Geschäfte zu machen. Hier in Sachsen gibt es eine starke Ausprägung dieser Vertriebsszene – und auch eine starke Nachfrage nach ihren Produkten, die überregional und sogar europaweit Kunden finden. „PC Records“ aus Chemnitz dürfte mit mehreren hunderttausend Euro pro Jahr der umsatzstärkste rechtsextremistische Vertrieb in ganz Deutschland sein.
Der 50-Jährige leitet das Fachgebiet Extremismus und Demokratie bei der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen.
In der Mainstream-Musikszene wird immer weniger Geld mit CDs eingenommen, stattdessen steigen die Umsätze mit Merchandising-Artikeln und die Einnahmen durch Konzerte: Ist das bei rechtsextremer Musik auch so?
Mit der Durchführung von rechtsextremen Konzerten werden nur überschaubare Gewinne erzielt. Das ist eher ein Nullsummenspiel. Auch die Herstellung von Tonträgern dürfte nicht das ganz große Geld abwerfen. Aber in den rechtsextremen Geschäften und Vertrieben werden neben CDs ja auch eine ganze Menge andere Produkte angeboten. Hier hat sich in den letzten fünfzehn Jahren eine regelrechte Kultur rechtsextremistischer Devotionalien herausgebildet. Die haben einen hohen szenestabilisierenden Effekt – und versprechen den Vertreibern ordentliche Gewinne.
Womit lässt sich vor allem Geld machen?
Vor allem mit Kleidung, etwa T-Shirts mit rechten Slogans, mit denen man seine Zugehörigkeit zur Szene zum Ausdruck bringt. Das fängt an mit Produkten, die für Unbedarfte zunächst nicht als rechts zu erkennen sind, und geht bis hin zur klassischen Bückware mit strafbaren Parolen, die nur unter der Ladentheke zu haben ist.
Wohin fließt das Geld, das rechtsextreme Vertriebe erwirtschaften?
Einerseits in die Taschen der Betreiber. Andererseits müssen diese einen Teil ihrer Gewinne auch in die Szene reinvestieren, weil sie nur dann die notwendige politisch-ideologische Akzeptanz erfahren, um ihre Kunden zu halten. Wer zu sehr im Interesse der Gewinnmaximierung handelt, wird von den Rechtsextremen abgestraft, die dann im Internet schon mal zum Boykott aufrufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“