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Extinction-Rebellion-Proteste in BerlinAngekettet auf der Marschallbrücke

In Berlin hat Extinction Rebellion eine Brücke nahe dem Kanzleramt blockiert. Der Kreisverkehr an der Siegessäule wurde teilweise geräumt.

Am frühen Morgen blockieren Demonstranten die Marschallbrücke und essen Spekulatius Foto: reuters

Berlin taz/dpa | Am dritten Tag der Klimaproteste haben Anhänger von Extinction Rebellion um 3.00 Uhr in der Früh mit der Blockade der Marschallbrücke in der Nähe des Kanzleramts, unmittelbar vor dem Hauptstadtstudio der ARD, begonnen. Ein Sprecher der Gruppe sagte der taz, rund 300 Menschen seien daran beteiligt, neun Personen hätten sich angekettet.

Die Polizei sprach von mehreren hundert Menschen, die auf der Brücke seien. „Es ist so wie in den letzten Tagen auch“, sagte eine Beamtin. „Es sind friedliche Personen, die dort sitzen.“ Zu Verkehrsbehinderungen werde es aber sicherlich kommen. Mehrere Hundert Aktivisten übernachteten zudem erneut am Großen Stern im Stadtteil Tiergarten.

Aufgrund der Blockade an der Brücke hatte die Polizei weitere Straßen zwischen Friedrichstraße und Hauptbahnhof gesperrt. Für den Mittwoch waren außerdem Aktionen am Kurfürstendamm geplant. „Sobald die Politik auf unsere Forderungen reagiert, würden wir die Brücke freigeben“, erklärte XR-Aktivist Marco Gergele. Ansonsten bleibe man so lange vor Ort, wie man schaffe.

Vor Ort war die Stimmung nach Angaben eines dpa-Fotografen in der Früh entspannt. Zahlreiche Demonstranten hätten sich in Wärmefolien gehüllt, um sich gegen die kühlen Temperaturen in der Nacht zu schützen. Auf dem Boden lagen Transparente mit Aufschriften wie „Climate Justice“ oder „Tell the truth“. Auch wurde eine Art Floß aufgebaut, auf dessen Segel stand: „Wir sitzen alle im selben Boot – und die Crew spielt um unseren Tod.“

„We are unstoppable, another world is possible!“

Weiterhin teilweise blockiert ist der Große Stern, ein zentraler Kreisverkehr in Berlin-Mitte. Als dort am Dienstag die Polizei mit den Räumungsvorbereitungen beginnt, ist der Kreisverkehr rund um die Siegessäule seit etwa 36 Stunden besetzt. Eingewickelt in Rettungsdecken und unter aufgespannten Planen, haben Hunderte Menschen über Nacht alle fünf Zufahrtsstraßen blockiert gehalten.

Nun, am Dienstagnachmittag, stellt die Polizei Gitter auf und fordert die Aktivist*innen auf, sich auf den Gehweg zu begeben, zum Kundgebungsort – sonst müsse sie räumen. Die Aktivist*innen bleiben, wo sie sind: Weitere setzen sich dazu, andere stellen sich drumherum. „We are unstoppable, another world is possible!“, ruft die Menge. Auf Deutsch: „Wir sind nicht aufzuhalten, eine andere Welt ist möglich!“

Als die Polizei schließlich räumt, geht es schneller als am Montag am Potsdamer Platz: Kürzere Wege, keine Identitätsfeststellungen und mehr Beamt*innen sind vor Ort. Extinction Rebellion verspricht gewaltfreien Protest und fordert gewaltfreies Vorgehen auch von der Polizei.

Vermehrt Schmerzgriffe eingesetzt

Die meisten Beamt*innen nehmen sich Zeit und versuchen, die Aktivist*innen zu überzeugen, aufzustehen und freiwillig zu gehen. Wo das nicht gelingt, tragen die meisten Beamt*innen die Menschen zum Gehweg, ohne ihnen wehzutun. Anders als bei der Blockade am vergangenen Tag setzen einige Beamt*innen allerdings vermehrt Schmerzgriffe ein, wenn Menschen nicht freiwillig aufstehen: Verdrehen Arme, würgen, verbiegen die Nase. Eine Aktivist*in wird durch Pfützen über den Boden geschleift.

Wenig später sind zwei von fünf Straßen geräumt: Extinction Rebellion hält den Großteil des Kreisverkehrs auf, doch in eine Richtung, hinter den Gittern der Polizei, fahren wieder Autos. Bis Mittwochvormittag hat sich die Situation nicht geändert: Ein Viertel des Kreisverkehrs sei wieder frei, sagte eine Sprecherin der Polizei am Morgen der taz. Ob im Laufe des Tages der gesamte Kreisverkehr rund um die Siegessäule geräumt werde, sei noch nicht klar. „Es laufen Gespräche mit den Aktivisten“, sagte die Sprecherin.

Extinction Rebellion hat für die ganze Woche Aktionen in der Hauptstadt angekündigt. Die Umweltschutzbewegung will in Berlin und anderen Großstädten in aller Welt auf eine drohende Klimakatastrophe aufmerksam machen. Extinction Rebellion heißt übersetzt etwa: Aufstand gegen das Aussterben. Die Aktivist*innen fordern unter anderem, dass Deutschland bereits 2025 keine Klimagaase mehr freisetzt.

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8 Kommentare

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  • @Anett Selle/TAZ



    "Die Aktivist*innen fordern unter anderem, dass Deutschland bereits 2025 keine Klimagaase mehr freisetzt."



    Das ist verfälschend ausgedrückt. Es geht um die Absenkung der CO2-äquivalenten Emissionen auf Netto-Null. So wie ich das verstehe, dürfen schon CO2-äquivalente Emissionen erzeugt werden - A L L E R D I N G S nicht mehr, als eingespeichert werden können. Siehe auch:



    "Die Regierung muss jetzt handeln, um die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen bis 2025 auf Netto-Null zu senken. Das Artensterben muss gestoppt werden und der ökologische Raubbau mit allen Mitteln eingedämmt und – wenn möglich – wieder rückgängig gemacht werden. Zentrales Ziel der Gesellschaft ist in Zukunft, das Klima und die Ökosysteme der Erde so zu stabilisieren, dass sie allen Menschen und allen Arten ein sicheres Zuhause bietet."



    extinctionrebellio...nsere-forderungen/

  • Feuer, Feuer! Richtig so. Ich stand heute 1,5 std. im Stau, um zur Arbeit zu kommen. Da sitzt man drin und fragt sich, worin der Sinn liegt, in einer Stadt Auto zu fahren, wegen der Bequemlichkeit. Ich liebäugel gerade mit einem dieser geilen Lastenfahrräder. Die gibts auch schon mit Kraftunterstützung. Arschteuer, aber man kommt überall durch.

    • @Maiskolben:

      Für ein ein neues Fahrrad mag so etwas teuer sein. Im Vergleich zu einem neuen Auto, also dessen Anschaffungs- und Unterhaltkosten aber wohl nicht. Es ist allerdings ja nicht nur ein Fahrrad sondern quasi Chauffeur und Transporteur. ;)

  • Macht weiter! Ich hoffe, daß die Bewegung weiter wächst!



    Gott segne Euch!

  • Berlin ist nicht anfällig genug für solche Störaktionen.

    Extinction Rebellion sollte mal den Hamburger Elbtunnel, die Elbbrücke südlich vom Holiday Inn und die A1 bei Moorfleet gleichzeitig besetzen. Damit legen die eine Millionenstadt komplett still, weil es keine Ausweichrouten gibt.

    Falls nicht genügend Mitstreiter gefunden werden, reicht zur rechten Tageszeit auch die Köhlbrandbrücke, um ein Verkehrschaos zu verursachen.

  • Unter friedlichen Protest stelle ich mir aber etwas anderes vor, zumindest anketten ist keine Art des friedlichen Protests, weil Verletzungsgefahr für die Personen besteht wenn die Polizei die Straße versucht wieder freizugeben.



    XR hinterlässt zumindest bei mir einen Beigeschmack, trotz aller Beteuerungen und das viele der Teilnehmer zumeist friedlich bleiben. Auch erzeugt man den Unmut der Pendler die zur Arbeit fahren wollen.



    Aber sicher erreicht man so kein Umdenken bei Politikern, wie man bei der Abschwächung des heute zu verabscheidenden Gesetzes, nur eine Gegenstimmung gegen alle Art der Klimaproteste, die bisher nur durch mitunter "nerviges", lautes Skandieren ihrer Slogans auffallen und die auch immer weniger Akzeptanz finden.



    Es gibt nunmal keine Handhabe gegen Politiker, die zu sehr im Einfluß der Wirtschaft stehen und die alle Mitmenschen mitnehmen wollen.

    • @Reiner Lorber:

      Wie würden sie denn versuchen Veränderungen herbeizuführen?

      Stimme Uranus zu. Anketten ist eine absolut friedliche Protestform. Ich sehe da überhaupt keine Form von Gewalt.

    • @Reiner Lorber:

      Na, sicher ist Anketten gewaltfrei. Dadurch wird keine Person verletzt. Deren Gesundheit darf nicht dadurch gefährdet werden, dass Autos (rücksichtslos) weiterfahren.