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Expertin über Umgang mit Rechten„Es gibt kein Patentrezept“

Mit Rechten reden ist schwer, denn viele wollen keinen Dialog. Wie also geht man mit ihnen online, in der Familie und auf der Straße um?

Eine Strategie gegen Rechts: sich deutlich zu positionieren Foto: Karsten Thielker
Baha Kirlidokme
Interview von Baha Kirlidokme

taz: Frau Kasten, spätestens seit die AfD in den Bundestag eingezogen ist, diskutiert man in Deutschland ­darüber, ob man mit Rechten reden soll. Wie sehen Sie das, Frau Kasten?

Manja Kasten: In der Diskussion wird vieles vermischt, das erleben wir auch in unserer Beratungspraxis. Mit wem haben wir es zu tun, wenn von „Rechten“ die Rede ist? „Die Rechten“ ist eine Chiffre für alles Mögliche geworden. Zudem ist es ja gerade nicht so, dass niemand mit Rechtsextremen oder Rechtspopulisten reden würde. Im Gegenteil, wenn in letzter Zeit nicht so viele mit ihnen geredet hätten, hätte der jüngste Rechtsruck in der Gesellschaft so gar nicht stattfinden können.

Außerdem wollen Rechtspopulisten und Rechtsextreme nicht einfach nur sprechen oder mitreden, sie wollen durch eine permanente und gezielte Grenzüberschreitung ihre rassistische Politik durchsetzen. Diese menschenverachtende Ideologie schließt sich selbst aus dem demokratischen Diskurs aus. Oft wird dann gesagt: „Es sind nicht alles Nazis“, auch das ist ein Scheinargument, denn das behauptet ja niemand. Ausschlaggebend ist stets, mit welcher Person ich es zu tun habe und ob sie überhaupt noch offen für einen Dialog in unserem Verständnis ist. Geht es also um Wähler, Funktionäre oder Ideologieproduzenten?

Nehmen wir an, es ginge um Bekannte, die rechte Verschwörungstheorien in sozialen Netzwerken teilen. Was kann ich dagegen tun?

Ob man nun diese einzelne Person überzeugen kann, ist fraglich. Realistischer ist es, die schweigende Leserschaft anzusprechen und aufzuklären. Da reicht oft ein klares Statement, in dem man begründet, warum der Post falsch oder nicht in Ordnung ist. Man kann gerne auch Quellen anfügen. Doch bei solchen Diskussionen muss man sich immer fragen: Bis wohin diskutiere ich noch?

Soll ich die Diskussion dann beenden, wenn beispielsweise menschenverachtende Kommentare kommen, oder lieber dagegenhalten?

Im Interview: Manja Kasten

Manja Kasten ist seit 2012 Beraterin bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin. Die MBR unterstützt Menschen und Verbände in Berlin, die mit Rechtsextremismus konfrontiert sind.

Das schließt sich ja nicht aus. Es wäre gut, wenn die vermehrt schweigende, demokratische Mehrheit mehr Stellung beziehen würde. Wenn ich kommentiere, sollte ich aber auch aufpassen, welche Informationen ich über mich im Netz habe, wie E-Mail- oder private Adressen. Rechtsextreme Beiträge sollte man melden, damit diese entfernt werden. Wichtig ist, dass man davor einen Screenshot von den Kommentaren und der Seite macht, wenn sie strafrechtlich relevant sein können.

Bei den eigenen Eltern wird die Diskussion ja schon deutlich komplizierter. Wie kann ich da reagieren, wenn sie auf Falschmeldungen über Geflüchtete hereinfallen und sich im Gespräch mit mir nicht einsichtig ­zeigen?

Durch die Beziehung rückt das natürlich näher an einen heran. Es gibt da kein Patentrezept in jeder Beziehung oder für jede Situation. Hier muss ich einschätzen, wie offen meine Eltern für Diskussionen sind. Unterschiedliche Formen der Ansprache können sinnvoll sein oder auch gar keine. Eine Möglichkeit ist, Vorurteile zu dekon­struieren und die Eltern mit Fragen zu konfrontieren. Eigene Gegenbeispiele einzubringen. Auf harte Fakten und Statistiken zu verweisen hat im Privaten oft nicht viel Erfolg, es bringt mehr, die eigene Haltung zu verdeutlichen und auch mal auf die Beziehungsebene zu gehen: „Ich habe euch bisher eigentlich ganz anders eingeschätzt. Ihr seid doch für gegenseitige Hilfe, warum jetzt hier nicht?“ Es kann aber auch helfen, Geschwister oder andere Verwandte dazuzuholen und sich zu verbünden: „Wenn es das nächste Mal passiert, können wir ja beide etwas sagen.“

Ein Weg, sich gegen rechte Gewalt zu engagieren, sind Gegendemons­tra­tionen zu Nazi-Aufmärschen. Was muss ich beachten, wenn ich an einer teilnehmen möchte?

Umgehen mit Rechten

Für manche sind sie eine abstrakte, für viele bereits eine reale Bedrohung. Sie sind Nachbarn, Familienmitglieder, Politiker*innen: Leute, die sich menschenfeindlich äußern, oder die schon über ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild verfügen.

Soll man mit Rechten reden, muss man es überhaupt? Wie wehrt man sich, mit welchen Mitteln? Wie kann man der Gruppe ausweichen, wie sich dem Menschen annähern? Und wie schützt man sich, wenn die rechte Bedrohung allgegenwärtig ist?

In dieser Serie gehen wir auf die Suche nach Menschen, die über diese Fragen nachdenken, oder sie schon ganz konkret für sich beantworten mussten.

Bisherige Texte der Reihe:

Danke, Antifa

Gewalt öffnet das Tor zur Hölle

Gewalt als Agenda

Kokett und gefährlich

Antifa ohne Faschismus

Nicht erpressen lassen

„Es gibt kein Patentrezept“

Feine Sahne Freizeitzentrum

Die beste Methode, Neonazi-Aufmärschen zu begegnen, ist, sich als breite Zivilgesellschaft aufzustellen. Als großes Bündnis mit unterschiedlichen Akteuren, also Parteien, Gewerkschaften, Vereinen, antifaschistische Gruppen. Neonazis reisen in Gruppen an und sind natürlich auch gewaltbereit. Nicht nur an den Bahnhöfen, an denen sie ankommen oder abreisen. Auch am Rande ihrer Aufmärsche kommt es immer mal wieder zu Vorfällen. Deswegen sollte man nicht allein auf Gegendemons­trationen gehen und sollte die Augen offenhalten, auch damit man Zeugenaussagen machen kann, falls etwas passiert.

Wenn solche Neonazis auf Gegendemonstranten treffen oder auch bei Veranstaltungen, kommt es häufig dazu, dass Rechte Fotos von den Teilnehmenden machen. Da es sich um eine Versammlung handelt, gilt das Recht am eigenen Bild dann nicht. Kann ich also überhaupt etwas dagegen tun?

Das Foto als Porträtaufnahme zu veröffentlichen ist verboten, als ein Mensch unter vielen kann man im Nachhinein aber nichts machen. Da kann man nur während der Demo versuchen, sein Gesicht abzuwenden oder ein Plakat vor das Gesicht zu halten. Bei öffentlichen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen kann man sich dagegen schon bei der Organisation darauf vorbereiten, und sein Hausrecht wahrnehmen, um Rechtsextreme bereits bei der Ankündigung auszuschließen. So muss man als privater Veranstalter nicht erst noch da­rauf warten, dass Rechtsextreme stören, und kann bekannten Funktionären den Zutritt verweigern. Bei einem Podium kann man im Vorhinein mit der Moderation antirassistische Gesprächsregeln vereinbaren und das Mikrofon bei Wortmeldungen nicht aus der Hand geben. Durch solche und andere präventive Maßnahmen gestalten Veranstaltende schließlich die Atmosphäre vor Ort und senden ein Signal der Achtsamkeit an Betroffene von Rassismus und rechter Gewalt.

Wie soll ich reagieren, wenn ich Drohanrufe oder -briefe bekomme?

Rechte und rechtsextreme Anrufe bei engagierten Vereinen, Organisatio­nen und Institutionen, aber auch bei Einzelpersonen sind keine Seltenheit. Insbesondere Frauen und auch LSBTI*-Menschen, die von Rechten und Rechtsextremen angefeindet werden, werden sehr oft sexistisch beleidigt und bedroht. Bei Privatpersonen finden diese Anrufe auch häufig mitten in der Nacht statt, um den Einschüchterungseffekt zu erhöhen. Grundsätzlich sollte man bei Drohanrufen zunächst nichts sagen. In jeden Fall ist es sinnvoll, Droh­anrufe sofort zu dokumentieren – als Tonaufnahme oder auch in schriftlicher Form. Wichtig sind Details wie Uhrzeit, stimmliche Merkmale und, ganz wichtig, die Telefonnummer. Den Anrufer sollte man so lange sprechen lassen, bis alles Wesentliche notiert wurde. Auf keinen Fall sollte man sich auf ein Gespräch einlassen. Bei widerholten und dauerhaften telefonischen Anfeindungen und Bedrohungen sollte weitere Beratung einholt werden.

Und wenn es nicht Privatpersonen sind, die angerufen werden?

Wir empfehlen Initiativen, Organisationen und Büros, sich für solche Fälle gemeinsam eine Schrittfolge für ein systematisches Vorgehen zu überlegen und festzuhalten. Es ist auch sinnvoll, Szenarien durchzuspielen und so die Handlungssicherheit im Team zu stärken. Gleiches empfiehlt sich auch bei Drohbriefen, die sich an eine Einrichtung oder Initiative richten. Sinnvoll ist, sich schon im Vorfeld zu überlegen, wer welche Aufgabe beim Eintreffen dieser Post übernimmt. Verdächtige Post sollte gesichert werden, ohne mögliche Spuren zu verwischen und ohne eigene Spuren zu hinterlassen. Bei Bedrohung durch anonyme Briefe kann, wie in allen anderen Fällen auch, die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus kontaktiert und bei der Polizei Anzeige erstattet werden.

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2 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Gut, kompakt, hilfreich.

  • Innerhalb der Familie hilft es manchmal zu fragen, worin genau das eigentliche, konkrete Problem besteht und ob man vielleicht helfen kann.

    Meist steckt hinter der Aggressivität eine Angst, die gar nichts oder nicht viel zu tun hat mit denen, gegen die sich der Hass richtet. Das „Wir“, das sich gegen ein „Die“ in Stellung bringt, ist nur ein billiger Notbehelf. Eine Art Hilferuf von Leuten, die nicht zu sagen wissen, was ihnen wirklich fehlt oder was ihnen Angst macht. Einsamkeit etwa oder Altersarmut.

    Menschenfeindlichkeit ist wie eine Allergie. Das Immunsystem reagiert über, und zwar auf an sich harmlose Dinge wie Pollen oder Nüsse. Stress und/oder Überforderung verschlimmern das Problem. Gegen den Stress und die Überforderung kann praktische Solidarität helfen. Leider nur selten sofort. Aber der Weg bis zum Hass ist ja auch ziemlich weit.

    Leider steht der praktischen Solidarität unsere „moderne“ Lebensweise entgegen. Die Familienangehörigen leben oft weit weg von einander. Man wohnt, wo man arbeitet, nicht unbedingt da, wo man gebraucht wird von den Angehörigen. Deswegen fragen die meisten Leute gar nicht erst, ob sie helfen können. Sie wollen sich nicht entscheiden müssen zwischen dem eigenen Leben und dem der Verwandten. Zumal die oft erwarten, dass man sich nach ihren Bedürfnissen richtet, nicht nach den eigenen.