Experiment: Schätz me if you can: Einmal Discount beim Biomarkt
Bio einkaufen und dann den Preis selbst bestimmen: die Bio-Supermarktkette Bio Company wagte ein „Sozialexperiment“.
Schätz me if you can! Die Bio Company, eine der großen Supermarktketten für biologisch produzierte Lebensmittel, wagte am Dienstag mit ihrer Kundschaft ein „Sozialexperiment“. Im Rahmen der Aktion „Kauf weniger“ konnten Kunden in der Schöneberger Filiale Yorckstraße den Preis der von ihnen ausgesuchten Waren selbst bestimmen.
Für einen halben Tag waren zumindest an einer Kasse die regulären Preise für Müsli, Käse und alle anderen Bioprodukte außer Kraft gesetzt. Die Aktion war erst wenige Stunden zuvor auf der Facebook-Seite des Biohändlers angekündigt worden, weshalb die meisten Kunden von der Chance zum Billigkauf überrascht waren.
„Die Stärkung von bewusstem Konsum ist das Ziel unserer Aktion“, sagte Georg Kaiser, Gründer und Geschäftsführer der Bio Company. Dazu zähle auch das „Bewusstsein für den echten Preis“ der Waren, etwa Milch und Schokolade. Mit der Wertbestimmung durch den Käufer solle auch eine Steigerung der „Wertschätzung“ einhergehen, hoffte Kaiser. Darin sieht der Geschäftsführer auch einen Hebel, um die nach wie vor hohe Verschwendung von Lebensmitteln auf Verbraucherseite zu reduzieren.
Jeder deutsche Haushalt wirft pro Jahr im Schnitt 109 Kilogramm Lebensmittel in den Müll, die Hälfte davon verdorbenes Obst und Gemüse. Endverbraucher sind zu 39 Prozent an der gesamten Lebensmittelverschwendung beteiligt, der Handel mit 14 Prozent. Ein überlegter Einkauf soll das ändern, auch als Beitrag gegen die Klimakrise.
Kassensturz am Ende des Tages
Entscheidung an der Kasse: Die Kundin hat Quark, Möhren, Pesto und Schokolade im Korb. Normalpreis: 11,01 Euro, ihre Schätzung 12 Euro, die sie auch zahlt. Die 99 Cent zu viel sollen an die Berliner Tafel weitergereicht werden.
Beim nächsten Kunden das umgekehrte Spiel: Einkauf für 81,92 Euro, für den er aber nur 32 Euro zahlen will. Ein Minus von knapp 50 Euro für den Händler.
Am Ende das Tages zeigt der Kassensturz, dass von den 132 Kunden an der Experimentalkasse 29 Prozent mehr als den offiziellen Preis zahlten. 9 Prozent nannten einen Betrag, der in etwa mit dem tatsächlichen Warenwert übereinstimmte. Die große Mehrheit von 62 Prozent berappte jedoch einen für das Unternehmen „zu niedrigen Betrag“.
In Summe: „Die Preisabweichung bei allen Einkäufen liegt bei insgesamt minus 20 Prozent“, teilte Bio Company gestern mit. Bewusstseinswandel schön und gut. Aber für den Biohändler dürfte jetzt klar sein, dass die Freiwilligkeitszahlung kein Geschäftsmodell auf Dauer ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“