Exilsyrerin über Anti-IS-Koalition: „Mit Assad funktioniert das nicht“
Frankreich will den IS bekämpfen, zusammen mit dem syrischen Machthaber. Joumana Seif über Alternativen, die Rolle Deutschlands und Optimismus.
taz: Frankreich zieht in den Krieg gegen den IS – an der Seite von Assad. Was halten Sie davon?
Joumana Seif: Das ist nicht logisch – mit Assad zusammen zu arbeiten, der die Ursache für den Terror in Syrien ist. Am Anfang des Aufstands hat er Hunderte von Kriminellen und radikalen Islamisten aus seinem Gefängnissen entlassen, aber friedliche Demonstranten eingesperrt. Nach internationalem Recht ist er ein Kriegsverbrecher, der Zivilisten bombardiert und Städte zerstört. Wenn der Westen jetzt Assad zur Seite springt, stärkt das seine Position und seine Behauptung, dass es keine Alternative zu ihm gibt.
Was wäre die Alternative?
Es muss eine politische Lösung geben, ohne Assad. Dann würden die syrische Armee und Rebellen gemeinsam gegen den IS kämpfen. Aber so lange Assad an der Macht bleibt, werden sie das nicht tun.
Hängt das nur von seiner Person oder seiner Familie ab?
Es geht um die Hauptverantwortlichen für das Morden – für die 50 bis 100 Leute, welche die Befehle dafür erteilt haben. Syrien muss sich von einer Diktatur zu einem demokratischen Land wandeln, das ein gutes Verhältnis zu all seinen Nachbarstaaten pflegt. Das sollte im Interesse der Welt liegen. Auch Russland sollte einsehen, dass Assad nicht seinen Interessen dient – und dass der Kreml keinen Interessenkonflikt mit dem syrischen Volk hat.
45, ist Mitbegründerin des syrischen Frauennetzwerks. In Damaskus war sie als Geschäftsfrau u.a. in der Industrie- und Handelskammer tätig. Ihr Vater, der Unternehmer Riad Seif, ist ein bekannter Oppositionspolitiker. Er saß als Mitverfasser der „Damaszener Erklärung“ von 2005 in Haft. Außerdem gehört er 2011 zu den Mitbegründern des „Syrischen Nationalrats“, dem Oppositionsbündnis gegen Assad mit Sitz in Istanbul.
Was kann Deutschland tun?
Wir sind Deutschland sehr dankbar. Auf der humanitären Ebene hat es ein gutes Engagement gezeigt. Aber es hat auch die Macht, sich stärker für eine politische Lösung und einen fairen Frieden einzusetzen, es hat Einfluss auf Russland und Europa.
Und was kann die syrische Opposition im Exil tun?
Die Hälfte der syrischen Bevölkerung ist ins Ausland geflohen. Hier setzen wir uns für politische Lösung ein, um Syriens Übergang von einer Diktatur zu einem Rechtsstaat vorzubereiten. Diese Bemühungen sind wichtig. Wir haben den Willen und die Kraft, ein neues Syrien aufzubauen.
Haben Sie noch Optimismus?
Natürlich. Aber die internationale Gemeinschaft muss jetzt handeln. Niemand in Syrien wird gegen den IS kämpfen, so lange Assad an der Macht bleibt. Das ist nicht akzeptabel. Aber wenn es eine politische Lösung gäbe, wäre das anders. Dann würde sich der IS nicht in Syrien halten können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour