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Ex-Senator zu Mieterhöhungen bei VonoviaGeisel haut sanft auf den Tisch

SPD-Bausenator a. D. Andreas Geisel appelliert an Vonovia, die Mieten nicht ganz so stark zu erhöhen. Er glaubt immer noch an Selbstverpflichtungen.

„Konkret etwas für die Menschen bewegen“: Andreas Geisel (SPD) bei der Unterzeichnung des Wohnungsbündnisses im Juni 2022 Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin taz | Ex-Bausenator Andreas Geisel hat sich etwas Zeit gelassen. Dafür haut der Sozialdemokrat jetzt sanft auf den Tisch – und zwar über den Weg einer Pressemitteilung seines SPD-Kreisverbands Lichtenberg. Gemeinsam mit der Lichtenberger SPD-Abgeordneten Tamara Lüdke fordert er den Immobilienkonzern Vonovia hierin „nachdrücklich“ auf, die von ihm angekündigten Mieterhöhungen um 15 Prozent zurückzunehmen.

Mehr als drei Wochen nach den ersten Berichten über die drastischen Erhöhungen ließen Geisel und Lüdke am Donnerstag wissen: „Für uns ist dieser einseitige Schritt der Vonovia ein Affront gegenüber Berlin und den Berliner Mieterinnen und Mietern und ein klarer Wortbruch.“ Affront und Wortbruch vor allem deshalb, weil sich Vonovia als Teil des „Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ eigentlich selbst verpflichtet hatte, die Mieten in ihren Beständen innerhalb von vier Jahren um maximal 11 Prozent zu erhöhen.

Maßgeblich aus der Taufe gehoben wurde das Bündnis 2022 von der damaligen SPD-Senatschefin Franziska Giffey – und ihrem seinerzeitigen Mann fürs Bauen, Andreas Geisel. Gemeinsam, so die Zielmarke, würden Ver­tre­te­r:in­nen aus Politik, landeseigenen Wohnungsunternehmen und privaten Immobilienkonzernen wie eben Vonovia an einem Strang ziehen, um einerseits den Neubau in Schwung zu bringen und andererseits für leistbare Mieten zu sorgen. Zu letzterem gehörte besagte 11-Prozent-Vereinbarung.

Sowohl Geisel als auch Giffey verkauften das Bündnis als großen Wurf. Die Rede war immer wieder vom „Unterhaken“ mit den Privaten. Dann würde das schon klappen mit den 20.000 Neubauwohnungen im Jahr und dem Mieter:innenschutz. „Mit den erzielten Vereinbarungen werden wir nun ganz konkret etwas für die Menschen in Berlin bewegen können“, erklärte Geisel bei der Unterzeichnung im Juni vor zwei Jahren.

Bausenator außer Dienst, Wohnungsbündnis tot

Der Rest ist Geschichte. Weder ist der Neubau in Schwung gekommen, noch fühlen sich private Konzerne wie Vonovia an irgendwelche Selbstverpflichtungen gebunden. Geisel selbst verlor im Zuge der Wiederholungswahl zum Landesparlament 2023 seinen Job als Bausenator; seither ist er Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Und neben Tamara Lüdke eben einer von zwei SPD-Abgeordneten aus Lichtenberg im Landesparlament.

Dementsprechend bezieht sich der am Donnerstag von Geisel und Lüdke veröffentlichte Appell an Vonovia, „dringend einzulenken“, auch nicht auf die gesamten 40.000 Haushalte, die berlinweit von den drastischen Mieterhöhungen betroffen sind, sondern nur auf Wohnungsbestände in Lichtenberg. Konkret: auf jenen Teil der rund 4.500 Wohnungen, die die landeseigene Howoge im Frühjahr im Auftrag des Landes von der Vonovia angekauft hat und die in seinem Bezirk zu finden sind.

Zum Jahreswechsel soll der tatsächliche Wechsel der Wohnungen in den Bestand der Howoge vollzogen sein. Da Vonovia nun aber das bundesrechtlich mögliche Maximum von 15 Prozent Mietererhöhung ausgeschöpft habe, wären für die Howoge im Rahmen der Vereinbarungen des Wohnungsbündnisses im Anschluss „nur deutlich geringere Erhöhungen möglich“, so die Klage von Geisel und Lüdke. Daher sollte Vonovia die Mieterhöhung „mindestens“ auf das im Bündnis „vereinbarte“ 11-Prozent-Niveau absenken.

Dass die Howoge wohl ab kommendem Jahr erst mal selbst von den zuvor erhöhten Mieten profitieren wird, bleibt freilich unerwähnt. Erstaunlich ist letztlich aber vor allem der große Glaube, mit dem sich die beiden SPD-Abgeordneten auf ein Wohnungsbündnis berufen, das von den Privaten wie Vonovia ohnehin längst aufgekündigt wurde.

Wenig überraschend plädiert die Linke, die den kumpeligen Unterhak-Optimismus der SPD auch vor zwei Jahren in der damaligen rot-grün-roten Koalition nicht teilen wollte, dann auch für einen Weg jenseits der Appelle: „Natürlich muss Vonovia vergesellschaftet werden, das zeigt deren Geschäftspolitik immer wieder“, sagt Niklas Schenker, Sprecher für Mieten und Wohnen der Linksfraktion, zur taz.

Keine Eile beim Vergesellschaftungsrahmengesetz

Mit Blick auf die Mieterhöhungen bei Vonovia hatte auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh vor wenigen Tagen die Vergesellschaftungs-Karte gezogen – und das ebenfalls auf sozialdemokratische Art. In dem Fall war es die Forderung nach mehr Tempo bei der vom schwarz-roten Senat versprochenen Erarbeitung eines Vergesellschaftungsrahmengesetzes.

„Das Grundgesetz garantiert den Schutz von Eigentum. Das ist für mich ein sehr hoher Wert“, erklärte Saleh. Aber Eigentum verpflichte auch. „Das heißt, man muss seiner Verantwortung nachkommen. Passiert das nicht, hat der Staat in der sozialen Marktwirtschaft die Pflicht, regulierend einzugreifen“, so Saleh mit Blick auf die „Gewinnmaximierung ohne Ende“ bei Vonovia.

Ein Eingreif-„Instrument“ ist dabei aus Salehs Sicht das versprochene Rahmengesetz, das zwar nur Kriterien, Indikatoren und Grundsätze für eine mögliche Vergesellschaftung definieren soll. Aber die sozialdemokratische Revolution beginnt im Kleinen. Weshalb Saleh vom Senat dann jetzt erst mal nur „eine Zeitschiene“ für das Rahmengesetz sehen will.

Schon im Frühjahr hatte unterdessen der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nicht nur ausgeschlossen, dass während seiner Amtszeit irgendeine Wohnung vergesellschaftet wird. Er hatte auch klargemacht, dass er es mit dem Rahmengesetz nicht eilig hat. Vielmehr werde zuvor ein externes Rechtsgutachten erstellt, „das verfassungsrechtliche Fragen eines Rahmengesetzes beantworten und grundlegende Überlegungen zur weiteren Umsetzung umfassen soll“.

Aber auch bei dem Gutachten gilt offenkundig der Grundsatz „Eile mit Weile“. Wie eine Sprecherin der federführenden Senatsfinanzverwaltung auf taz-Nachfrage mitteilt, stehe für die Beauftragung eines Gutachtens nach wie vor „die Rückmeldung von fachlich zuständigen Senatsverwaltungen zu inhaltlichen Abstimmungen aus“.

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4 Kommentare

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  • Der Zensus 2022 hat es doch aufgezeigt. Der sogenannte Mietenwahnsinn in Deutschland wird emotional, jedoch kaum faktenorientiert geführt und ist somit grösstenteils nur gefühlt vorhanden. Auch in Berlin werden im Schnitt Mieten unter 8 Euro pro QM bezahlt. In Innenstadtlagen kann es natürlich, gerade auch bei Neuvermietungen und Sanierung deutlich teurer werden.



    Solange der Mieterschutz weiterhin sozial absolut blind bleibt und Giesskannenartig auch die Mieter schützt, die gar keinen Schutz benötigen, wird sich die soziale Ungerechtigkeit für die Niedrigverdiener leider maximieren. Weg also mit unsozialen, blinden Mietendeckel und sozial blinder Enteignungsphantasie. Hin zu Neubau, Wohnförderung von Genossenschaften, seriellen Bauplänen und somit günstigereren Neubau. Hin zu angemessenes Wohngeld für wirklich Bedürftige also für die wirklich Notleidenden. Aber die die gut oder zumindest ordentlich verdienen (und das sind die meisten in Deutschland) zahlen halt zukünftig mehr als jetzt und müssen vielleicht ihre Ausgaben neu kalkulieren. Also ggf. doch Eigentum anschaffen oder vielleicht weniger Aktien kaufen oder weniger in Urlaub fahren.

  • 15 Prozent Mieterhöhung. Steigende Löhne können da nicht mithalten. Also de facto Enteignung von Menschen mit wenig Einkommen. Wann begreift die SPD endlich, dass zu wenige Sozialwohnungen und ständig steigende Mieten sehr wichtige Wahlkampfthemen sind. Stattdessen ein wolkiges Bündnis, über das Verantwortliche bei Venovia lachen. Nicht zu toppen Bundesbauministerin Geywitz in ihrem Nichtstun.



    Genau wie bei der Bundeswehr braucht es ein riesige Sondermögen und die Enteignung von Venovia, um die Probleme zu lösen.

    • @Lindenberg:

      Wieso Enteignung? Das bringt keine Wohnung zusätzlich. Wenn man sich Zahlen zusammen sucht, kommt man auf folgendes: Entschädigungshöhe für Enteignung bis zu 30 Milliarden, ein 12 Parteienhaus kostet ca 2 Millionen. Bei dieser Investition kommen 180.000 Wohnungen zusätzlich, gebaut von öffentlicher Hand.



      www.tagesschau.de/...id-berlin-100.html



      ambientebau.net/sc...-12-wohnungen.html

    • @Lindenberg:

      Mit der Aufarbeitung haben Geisel und SPD schon immer Probleme...