Ex-SPD-Minister Gerster wechselt zur FDP: Schröders bester Mann
Nach über 50 Jahren beendet er ein Missverständnis. Florian Gerster ist nun in der Partei, die zu ihm passt.
M an muss Florian Gerster dankbar sein. Fast hätten einem ja bei der Rede Christian Lindners auf dem Dreikönigstreffen der Freidemokraten in der Stuttgarter Oper Zweifel kommen können.
Ein FDP-Chef, der über die Sorgen von Hartz-IV-Empfängern und Minijobbern spricht? Der nicht nur Arbeitsplatzabbau beklagt, sondern auch noch einen „Mangel an Empathie gegenüber den Menschen, die jetzt berechtigte Zukunftssorgen haben müssen“? Und der dann auch noch ankündigt, seine Partei werde demnächst vor die Werkstore ziehen wie weiland die DKP?
Wird aus der guten alten sozialchauvinistischen Partei der Besserverdiener etwa eine Arbeiter-und-Bauern-Partei? Aber dann begrüßte Lindner von der Bühne herab stolz „unser ganz frisches Neumitglied“. Alle Besorgnis war also unbegründet: Es bleibt doch alles beim Alten.
Florian Gerster passt so perfekt zur FDP, dass man sich fragt, warum er ihr nicht schon immer angehörte, sondern mehr als 50 Jahre der SPD. Wer sich nicht mehr an ihn erinnert: Der heute 70-Jährige ist derjenige, den der damalige Kanzler Gerhard Schröder einst als seinen „besten Mann“ an die Spitze der Bundesanstalt für Arbeit beförderte.
Gehalt auf Kanzlerniveau
Dort ging Gerster sofort mit Tatkraft ans Werk: Während er gegen „überzogenes Anspruchsdenken“ von Arbeitslosen wetterte, ließ er sich erst mal das mickrige Gehalt seines Vorgängers auf Kanzlerniveau verdoppeln und bestand auf drei Dienstwagen inklusive Chauffeure. Wenn Gerster in der Nürnberger Zentrale mit dem Aufzug nach oben wolle, habe das niedere Personal von der Benutzung des Fahrstuhls gefälligst Abstand zu nehmen, wusste seinerzeit der Stern zu berichten.
Zwei Jahre, von 2002 bis 2004, durfte er an der Spitze der von ihm in Bundesagentur umbenannten Anstalt bleiben. Dann flog der „Gernegroß“ (Stern) raus. Hartz IV blieb dem glühenden Verfechter der Agenda 2010 indes erspart: Er wurde ein wohldotierter Wirtschaftslobbyist, der mit Verve gegen Mindestlöhne und sonstige unbotmäßige Gewerkschaftsforderungen kämpfte.
Nun ist der Arztsohn auch formal dort gelandet, wo schon sein Vater und seine Mutter waren: in der FDP. „Ich denke, meine Eltern sitzen auf einer Wolke sieben und sind jetzt zufrieden mit der Entscheidung ihres Sohnes“, sagte Gerster dem Spiegel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja