Ex-Profi über Homophobie im Fussball: „Es wird bald das erste Outing geben“
Im Fußball gilt allein das Leistungsprinzip, sagt Bastian Reinhardt. Der Ex-Profi hat deshalb nur wenig Bedenken, falls ein schwuler Profi öffentlich seine Orientierung preisgibt.
taz: Herr Reinhardt, Sie haben bis vor zwei Jahren in der Bundesliga gespielt, waren dann Sportchef beim Hamburger Sportverein und sind jetzt Leiter der Jugendabteilung. Sie engagieren sich für Kinder, die beim Kicken auffällig aggressiv werden, und setzen sich auch dafür ein, dass Homosexualität im Fußball enttabuisiert wird.
Bastian Reinhardt: Ich war zu einem Schwulen-Fußballturnier in Hamburg eingeladen, um auf der Siegerehrung die Grußworte des HSV-Vorstands zu überbringen. Dort habe ich mich dafür ausgesprochen, Homosexualität im Leistungssport und im Fußball nicht mehr totzuschweigen.
Warum machen Sie das? Was treibt Sie an?
Menschen, die wie ich auch in der Öffentlichkeit stehen, haben eine gewisse Vorbildfunktion. Indem Sie vorangehen, Initiative und Zivilcourage zeigen, können sie etwas bewegen. Diese Möglichkeit habe ich auch. Mir ist in meinem Leben viel Gutes widerfahren, und ich möchte jetzt etwas zurückgeben.
Viele Prominente sind homosexuell und akzeptiert, Politiker, Journalisten und Wissenschaftler. Warum ist dieses Thema für den Leistungssport und gerade für den Fußball so schwierig?
Sie sind im Fußball das ganze Jahr in einer Gruppe von Männern zusammen. Der Sport hat viel mit Körperkontakt zu tun. In einer Mannschaft ist man aufeinander angewiesen. Es gibt eine starke Gruppendynamik. Und sich unter diesen Rahmenbedingungen zu outen, ist bestimmt enorm schwierig. Nehmen wir einmal an, ein Fußballprofi würde sich zur Homosexualität bekennen, dann würde es schon Mitspieler geben, die damit ein Problem hätten. Die Angst, von Fans abgelehnt zu werden, wäre sehr groß. Hinzu kommen die heftigen Reaktionen der Medien und der Druck der Öffentlichkeit. Derjenige würde sich ja selbst ins Rampenlicht zerren und freiwillig sein Privatleben preisgeben. Alles, was auf diesen Profi dann niederprasselt, wäre extrem. Irgendwann wird es aber diesen Fußballprofi geben, und dann müssen wir uns alle damit auseinandersetzen. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis es so weit sein wird.
Der langjährige Fußballprofi des HSV wurde im Sommer 2010 zum Sportchef des HSV berufen, musste aber nach einem Jahr Frank Arnesen weichen. Seitdem ist Reinhardt (36) als Nachwuchsleiter in Hamburg tätig.
Spieler mit anderer Hautfarbe oder besonderem Charakter müssen doch auch um Anerkennung kämpfen und haben Angst vor Ausgrenzung.
Es gab irgendwann auch den ersten farbigen Spieler in der Bundesliga. Ich bin nicht sicher, war es Samy Sané? Jedenfalls interessiert es heute niemanden mehr, welche Hautfarbe ein Spieler hat.
Weil Sportler doch nur an ihrer Leistung gemessen werden?
Genau. Den Verantwortlichen geht es zuerst um die Leistung, aber eben auch darum, wie ein Spieler sich in die Mannschaft einfügen kann.
Könnte ein schwuler Fußballprofi nicht allein durch Leistung überzeugen?
Natürlich, aber auch wenn seine Leistung überzeugend ist, wäre solch ein Tabubruch ein Riesenthema. Dieser Profi würde vielleicht jahrelang nicht aus den Schlagzeilen kommen. Ein Outing würde vermutlich hohe Wellen schlagen und ein normales Leben behindern.
Ein Fußballer, der sich outet, würde doch als Pionier viel Bewunderung ernten, ähnlich wie ein Sebastian Deisler, der sich als Erster zur Depression bekannte.
Der Mut würde honoriert werden. Er würde Bewunderung bekommen, ganz klar. Doch die Angst vor Ausgrenzung ist wahrscheinlich größer. Ich glaube aber, irgendwann wird es den Ersten geben, der sich traut.
Wird dieses Tabuthema nicht intern diskutiert? Mannschaftskameraden sind doch auch Freunde.
In einer Gruppe von Männern geht es selten um private Dinge. Man unterhält sich über den Sport und anderes. Ihr Privatleben behalten Männer gern für sich. Jedem normal denkenden Menschen sollte dennoch klar sein, dass es Homosexualität auch unter Profifußballern gibt. Für mich wäre es kein Problem gewesen, einen schwulen Mitspieler zu haben.
Was glauben Sie, wie lange die Tabuisierung im Profifußball noch anhält?
Wenn man bedenkt, wie die allgemeine Akzeptanz von Homosexualität in den letzten Jahren zugenommen hat, wird es bald auch den ersten schwulen Profi geben, der sich dazu bekennt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin