Ex-Präsidenten Ägyptens im Knast: Der eine könnte bald frei sein
In Ägypten sitzen im Moment gleich zwei Ex-Präsidenten in Haft. Mubarak hat bessere Chancen bald auf freien Fuß zu kommen als sein Nachfolger, der Islamist Mursi.
KAIRO dpa | Die Männer in der Familie des ehemaligen Präsidenten Husni Mubarak sind für ihre Zähigkeit und Langlebigkeit bekannt. Und wer weiß, vielleicht wird auch der frühere ägyptische Staatschef seinen Lebensabend in Scharm el Scheich auf einer Terrasse mit Meeresblick verbringen.
Denn nachdem die Untersuchungshaft in dem Verfahren wegen der Tötung von Demonstranten 2011 abgelaufen ist und ein weiteres Verfahren wegen Korruption an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen wurde, hat der 85-Jährige gute Chancen, demnächst gegen Kaution freigelassen zu werden.
Mubarak, der im Moment noch im Krankentrakt des Tora-Gefängnisses in einem Vorort von Kairo lebt, müsste dann zwar weiterhin vor Gericht erscheinen. Und er könnte theoretisch auch immer noch zum Tode verurteilt werden.
Husni Mubarak hat rund 30 Jahre lang über Ägypten geherrscht, dann zwangen ihn Massenproteste zum Rücktritt. Er kam ins Gefängnis – und hofft nun auf eine Freilassung.
11. Februar 2011: Mubarak flieht nach Scharm el Scheich, das Militär übernimmt die Macht.
12. April: Der Ex-Präsident sitzt in Untersuchungshaft. Wegen einer Herzattacke wird er in eine Klinik gebracht.
20. April: Ein Untersuchungsbericht macht Mubarak für den Tod von 846 Menschen während der Unruhen mitverantwortlich.
24. Mai: Der Generalstaatsanwalt erhebt Anklage gegen Mubarak und seine beiden Söhne.
3. August: Der Prozess beginnt. Mubarak wird im Krankenbett in den Gerichtssaal geschoben; er streitet alles ab.
2. Juni: Das Gericht verurteilt Husni Mubarak zu lebenslanger Haft. Seine Söhne Alaa und Gamal werden vom Vorwurf der Korruption freigesprochen. Vor dem Gericht kommt es zu Tumulten. Mubarak wird in die Intensivstation der Klinik des Gefängnisses Tora gebracht.
13. Januar 2013: Ein Kassationsgericht entscheidet, dass der Prozess gegen Mubarak neu aufgerollt werden muss. Es gibt Beschwerden von Verteidigung und Staatsanwaltschaft statt. Mubarak bleibt in Haft.
8. April: Der Generalstaatsanwalt eröffnet ein neues Ermittlungsverfahren gegen Mubarak, diesmal wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel. Damit bleibt Mubarak in Haft.
13. April: Die Neuauflage des Prozesses endet kurz nach dem Beginn. Angesichts von Befangenheitsvorwürfen der Opferfamilien zieht sich der Richter Mustafa Hassan aus dem Verfahren zurück.
11. Mai: Der Prozess beginnt erneut.
18. Juni: Ein Berufungsgericht ordnet in einem Verfahren um Privathäuser der Mubarak-Familie, die angeblich mit staatlichen Mitteln errichtet wurden, die Freilassung des ehemaligen Staatschefs an. Er bleibt jedoch in Untersuchungshaft. Der Generalstaatsanwalt hatte kurz zuvor gegen ihn ein weiteres Verfahren wegen anderer Baumaßnahmen auf Staatskosten eröffnet. (dpa)
Doch möglicherweise kann der frühere Präsident davon profitieren, dass die Stimmung in den vergangenen zwei Monaten in Ägypten gekippt ist. Die Muslimbrüder haben erst ihre Popularität und dann die Macht eingebüßt. Das Militär, in dem Mubarak einst Karriere gemacht hatte, gibt jetzt in Kairo wieder den Ton an.
Das wirft zwar Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz auf. Doch die gab es auch schon unter Mursi, als jedes Mal, wenn in einem Verfahren Mubaraks Freilassung wegen Ablauf der Untersuchungshaft bevorstand, prompt neue Vorwürfe präsentiert und eine erneute Inhaftierung angeordnet wurde.
Juristisch einwandfrei
Auf derartige Spekulationen will sich Mubaraks Anwalt, Farid al-Dib, im Moment aber nicht einlassen. Er rechnet mit der baldigen Freilassung seines Mandanten und argumentiert streng juristisch: „Es gibt jetzt nur noch ein Verfahren, in dem Haft für Mubarak angeordnet wurde, und das ist das Verfahren wegen der Geschenke von Al-Ahram. Ich rechne damit, dass es in diesem Fall binnen 24 Stunden eine Entscheidung getroffen wird.“
Tatsächlich sind die Aussichten gut, wenn die Staatsanwaltschaft nicht schnell noch eine neue Anklage aus dem Hut zaubert. Denn in dem Verfahren wegen der luxuriösen Geschenke, die Mubarak, seine Familie und einige führende Funktionäre einst von dem staatlichen Medienkonzern Al-Ahram erhalten hatten, hatten die Justizbehörden im Januar – also noch zu Zeiten von Präsident Mohammed Mursi – den Vorschlag von Mubaraks Anwalt akzeptiert, den Gegenwert der Geschenke an Al-Ahram zurückzuzahlen.
Juristisch gesehen mag das nach dem ägyptischen Gesetz alles einwandfrei sein. Dennoch würde eine Freilassung des Ex-Präsidenten das Vertrauen vieler ägyptischer „Revolutionäre“ in die Unabhängigkeit der Justiz tief erschüttern. Und diejenigen, die schon 2011 auf dem Tahrir-Platz „Hängt ihn auf!“ gerufen hatten, werden sagen, dass eine richtige Revolution eben nicht funktionieren kann, wenn man den Herrscher nicht gleich ermordet.
Ein Anhänger des inzwischen ebenfalls inhaftierten Ex-Präsidenten Mursi witterte am Montag gleich eine Konterrevolution und kommentierte im Kurznachrichtendienst Twitter: „Der Film ist noch nicht zu Ende, in der nächsten Episode wird (Mubaraks Sohn) Gamal Präsident.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen